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Sommertipp: An der Barbarakapelle

Geheimnisvolle Ruine im Wald

St.-Barbara-Kapelle in der Dippoldiswalder Heide auf einer Zeichnung von Max Eckardt, 1886  (Quelle: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/805154)
St.-Barbara-Kapelle in der Dippoldiswalder Heide auf einer Zeichnung von Max Eckardt, 1886 (Quelle: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/805154)

 

Heute eine Sommeridee, falls Du mal in die Dippoldiswalder Heide kommen möchtest.

 

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Vermutlich im Jahr 1508 ließ Sigismund von Maltiz, ein meißnisch-sächsischer Bergherr, nahe einer heilkräftigen Quelle bei Dippoldiswalde eine Kapelle erbauen. Vielleicht ist mit der Quelle der Oelsa-Bach gemeint, der ein paar Meter entfernt entspringt.  Die Kapelle wurde nach der Heiligen Barbara, die unter anderem die Schutzheilige der Bergleute ist, benannt und liegt heute mitten in der Dippoldiswalder Heide. 

 

 

Um die kleine Kirchenruine zu erreichen, da musst Du gar kein Wanderfreak sein. Vom Parkplatz bzw. der Bushaltestelle am Naturhotel Heidemühle, das zu Karsdorf gehört, läuft man ca. eine halbe Stunde durch die Heide, dann ist man schon da. Die meist breiten und ebenen (Haupt)Wege hier in der Dippser Heide eignen sich auch gut fürs Fahrrad.

 

 

Damals, im 16. Jahrhundert, kümmerte sich ein Kaplan um die Kapelle und die Gläubigen. Er wohnte praktischerweise gleich vor Ort, in einer kleinen, an die Kapelle angebauten Klause. Deshalb heißt der Waldweg, der heute zur St.-Barbara-Kapelle führt, "Clausenweg". 1539 befahlen die Söhne des Kapellenerbauers Sigismund von Maltiz, die jetzt neue Herren waren, die Kapelle zu zerstören. Wenn ich das richtig verstanden habe, war einer dieser Söhne Johann VIII von Maltiz, Bischof von Meißen und Reformationsgegner. Das Altarwerk nahmen die Maltizer vermutlich mit nach Böhmen oder in die nahegelegene Kirche von Seifersdorf; erhalten ist bis heute der beeindruckende, steinerne Altartisch in der Kapellenruine. Der steht, wo er steht. Unverrückbar.

 

Ende des 19. Jahrhunderts wurden Teile der Ruine gesichert und wieder aufgebaut. Sicher fügte man in dieser Zeit auch die Schrifttafel mit den erinnernden Worten an die Nachwelt ein.

 

Altar
Altar

 

Die Reformation Luthers hatte sich seit 1517 auch bis in die Wälder um Dippoldiswalde verbreitet und in der kleinen Barbarakapelle fanden wahrscheinlich reformierte Gottesdienste statt. Was den Maltizern offensichtlich nicht gefiel. Vor allem dem Johann nicht, der ja katholischer Bischof war.

 

Vielleicht mochten diese Maltizer die Reformationsgedanken nicht, weil sie selbst konservativ katholisch waren. Vielleicht aber auch, weil das Luthertum neu war, den Menschen bildete, zum Denken anregte, ihm die Worte der Bibel in einer ihm verständlichen Sprache wirklich zugänglich machte. Nicht die Obrigkeit oder die Priesterkaste sollte der Mittler zwischen Gott und den Menschen sein, sondern jeder Gläubige würde jetzt direkten Zugang zu seinem Gott und seinem Glauben haben.

 

Eine rebellische Angelegenheit, kommt doch beim Nachdenken eins zum anderen. Bisher gültige Regeln und Privilegien werden hinterfragt; die alte Ordnung angezweifelt. Fragen stellt der Denkende sich selbst und anderen. Kann ungemütlich sein, für beide Seiten. Aber das ist Fortschritt.

 

Grundriss St. Barbara-Kapelle, Max Eckardt, 1886 (Quelle: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/805342)
Grundriss St. Barbara-Kapelle, Max Eckardt, 1886 (Quelle: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/805342)

 

Es hat sich in dieser Beziehung nichts geändert: ein dummes, indoktriniertes Volk lässt sich besser lenken als ein gebildetes. Menschen, die gelernt haben, frei zu denken, denen möglichst objektiv Wissen zugänglich gemacht wurde und die sich selbst um kritisches, lebenslanges Lernen bemühen, reagieren anders als arme Ungebildete, verblödete Konsumenten oder mit Dogmen gefütterte Beratungsresistente. Wie man auch heute sehen kann. (Es ist nicht immer gut, den Mathe-Leistungskurs durch Tanztrommeln zu ersetzen und freitags Schule zu schwänzen.)

 

 

Was man auch sehen und begreifen kann: dieser ruhige, schöne Ort mitten im Wald sagt uns etwas über Vergangenheit und Gegenwart; Verlust und Erneuerung. Man kann einfach nur eine Weile in dem Gemäuer sitzen und dem Klopfen der Spechte zuhören. Diese Kollegen sind wie immer gut zu hören - aber unsichtbar.

 

 

Weit oben in den Wipfeln der hohen, alten Bäume.

 

 

Wissenswertes zum Kapellengründer Sigismund von Maltiz: Er erfand 1507 das Nasspochwerk und führte es ab 1512 im sächsischen Bergbau ein, womit er zu noch mehr Wohlstand gelangte. 1508 ließ er die Barbarakapelle erbauen. Sigismunds Wohn- und Herrschaftsort war Schloss Reichstädt (da waren wir schon gemeinsam: HIER) in der Nähe von Dippoldiswalde. Auch das Dippoldiswalder Schloss war um diese Zeit im Familienbesitz der Maltizer. 1525 starb Sigismund. Sein Grabmal ist in der Dippoldiswalder Nikolaikirche zu sehen.

 

 

Auch eine Bank findet man in Kapellennähe, da ist dann Zeit für einen Schluck Kaffee aus dem Rohr an diesem besonderen Ort.

 

Kommst Du mal hierher, dann empfehle ich Dir unbedingt auch den Besuch des Dippoldfelsens, wo einst Einsiedler Dippold lebte. Imposante Felsengruppe im Wald, geheimnisvoll mit Resten von Katharinenkapelle und Einsiedlerklause. Auch was für Kinder, weil es hier noch "viel zu sehen" gibt. Finde ich. Deshalb habe ich Dir einen alten Täterwerkstatt-Artikel mit Bildern dazu mitgebracht; schau mal rein: