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Das unbekannte Schloss (2)

Wieder in Reichstädt

 

Kürzlich haben wir dieses wunderschöne kleine Schloss in Reichstädt entdeckt, besucht und es Dir HIER im ersten Teil unserer "Schlossgeschichte" beschrieben. Nun sind wir wieder da. Und diesmal werden wir das Innere des barocken Schmuckstücks sehen dürfen.

 

Gespannt warten wir sonntags am Nachmittag im Schlosshof auf die Schlossherrin. Frau Ilse von Schönberg wird uns heute ihr Schloss selbst zeigen.

 

Schloss Reichstädt bei Dippoldiswalde
Schloss Reichstädt bei Dippoldiswalde

 

Frau von Schönberg erscheint und begrüßt ihre Besucher, ein kleines Grüppchen von fünf Interessierten. Dann beginnen wir unseren Rundgang mit dieser beeindruckenden Frau, die 1998 das verfallene Schloss als alten Schönbergschen Familienbesitz wieder zurückkaufte und seitdem Stück für Stück saniert. Viel haben sie und ihre Mitstreiter in den vergangenen Jahren geschafft. Genaueres dazu lasest Du schon im ersten Teil der "Schlossgeschichte", deshalb wiederhole ich mich jetzt hier nicht.

 

Heute wollen wir einfach nur im Schloss und seinen Anlagen herumlaufen, uns alles anschauen und auf uns wirken lassen. Der Tag ist perfekt. Sommer, sonnig, ein paar Wolken, warm, nicht heiß. Etwas schwül, später wird es gewittern. Aber das wissen wir noch nicht, als wir das Schloss betreten. Es begrüßt uns, ich nehme es deutlich wahr. Kühl, vornehm, alt, würdig, schicksalsgebeutelt, trotzdem gelassen, freundlich.  Ich glaube an das Wesen von Bauwerken und deren Wirkung auf uns Menschen.

 

Zugang vom Ostflügel aus, über dem Eingang das Wappen der Familie von Schönberg
Zugang vom Ostflügel aus, über dem Eingang das Wappen der Familie von Schönberg

 

Zuerst führt Frau von Schönberg uns vor das Schlossportal, wir betrachten das Gebäude und die leicht unterschiedlichen Türme des Ost- und Westflügels. Das Schloss wurde im 18. Jahrhundert in barocker Weise umgebaut. Vorher war es ein Wasserschloss, eine Burg mit einem Rittergut ringsherum. Mit Wohnhäusern, Ställen, Weiden. Das sieht man noch. Über der Eingangstür des Ostflügels sieht man das Wappen der Familie von Schönberg, alter sächsischer Adel. Seit dem frühen 18. Jahrhundert war Reichstädt in deren Besitz.

 

 

Dann gehen wir durch den schönen Schlosspark und den Lustgarten, wie verwunschen fühlt man sich im Schatten der uralten Bäume. Das Areal ist eine Mischung aus Barockanlage und englischem Park. Wunderschön angelegt und geordnet einerseits und scheinbar wild andererseits. 

 

Eine mit persönlichen Daten gravierte Basaltsäule steht zur Erinnerung an die Besitzerfamilie im Park. Nachdem der besondere Stein vor einigen Jahren im Erdreich des Parkes wiedergefunden wurde, hat man ihn restauriert, ergänzt und neu aufgestellt.

 

 

Nun betreten wir im Erdgeschoss des Schlosses einen dämmrigen Raum mit kleinen Fensten und dicken Mauern. Dieser Teil des Hauses gleich im Eingangsbereich wurde im Barock als Abkühlraum für die erhitzten Gäste genutzt, wie uns Frau von Schönberg erklärt. Waren diese in ihren Wagen und auf Pferden zu Festlichkeiten angereist, in dicke Brokatstoffe, umfangreiche Reifröcke, Perücken und Hüte gekleidet - dann mussten sie sich vor Betreten des Ballsaales aklimatisieren. Dafür war dieser Raum da. Ich kann mir vor allem die bedauernswerten Damen in ihren wunderschönen, aber völlig unpraktischen Roben sehr gut vorstellen. Wie sie sich hier erholten, die Kleider richteten, etwas die Nase nachpuderten, die Perücke prüften,  etwas Kaltes tranken - und tratschten und einander musterten, ehe sie sich in das Festgetümmel begaben.

 

Hier lagerte man auch Wein, in den kühlen bogenförmigen Ausmauerungen, die als Fächer nummeriert waren. So musste der Schlossherr nur sagen, aus welchem Fach er Wein haben wollte. Bei guter Ordnung war dann sofort klar, was ins Glas kam und das Personal musste nicht suchen oder rätseln. Bestimmt kam zu Taufe, Hochzeit und Weihnachten ein besonders Guter aus Fach 8...

 

Im Abkühlgewölbe
Im Abkühlgewölbe

 

Dann gehen wir durch die Räumlichkeiten, die Frau von Schönberg uns heute zeigen will. Natürlich das Prunkstück: den Gartensaal. Sie erzählt uns etwas über das Schloss, seine Bewohner und Geschichten. Schön. Besonders. Voller Geheimnisse, Freude, Traurigkeit auch.

 

Der Gartensaal
Der Gartensaal

 

Den Gartensaal mit dem tollen Ausblick und auch andere Räume kann man für private kleine und große Feierlichkeiten oder was auch immer mieten. Hier ist Platz zum Tanzen. Heiraten, Geburtstag feiern, übernachten. Oder sich mit einer großen Kanne Kaffee im Winter, wenn es draußen schneit, vor den schön geheizten Kamin im Jagdzimmer setzen, im Schein des prasselnden Feuers ein wenig plaudern und Pläne schmieden, so wie man es früher in diesem Raum auch machte. Du siehst, es geht zwar nicht immer alles, aber fast!

 

 

Ja - das schöne Jagdzimmer ist mein Favorit.

 

Beeindruckend die Räume, die schon soviel gesehen haben. Unendliche Mühe hat es gekostet, dass jetzt alles so ist, wie wir es sehen können. Und Geld.

 

Nicht alles hat man retten können. Die wunderschönen Stuckdecken zum Beispiel wurden nach 1945 entfernt. Möbelstücke verschwanden, von beweglicherem Gut ganz abgesehen. Sogar die Bronzebüste des Vorfahren und Barockschlosserbauers Adam Rudolph von Schönberg im Schlosshof musste erst heimgeholt, wieder zusammengeführt und aufgestellt werden. Man hatte nämlich Büste und Steinsockel voneinander getrennt.

 

Das Jagdzimmer
Das Jagdzimmer

 

Das und  viele andere interessante Geschichten weiß Frau von Schönberg zu erzählen, deren Onkel und Tante Hans und Margarethe von Schönberg die letzten Schlossbesitzer auf Reichstädt waren. 1945 wurden sie vertrieben. Vielleicht haben sie in schwerer Zeit daran geglaubt, dass ihr Eigentum irgendwann mal wieder in die Familie zurückkehrt.

 

Sie würden sich freuen, wenn sie das Werk ihrer tatkräftigen Nichte heute sehen könnten.

 

Eine der Schlossküchen, im Erdgeschoss
Eine der Schlossküchen, im Erdgeschoss

 

So ein Bauwerk, eine gesamte Anlage in ihrer Schönheit für die Nachwelt zu erhalten und wieder nutzbar zu machen, das ist ein Verdienst von Frau Ilse von Schönberg. Wir bedanken uns bei ihr für die Führung und wünschen gutes Gelingen bei ihren weiteren Bauvorhaben.

 

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Wir kommen wieder. Wir müssen.

 

Ich habe nämlich in der Fülle der Eindrücke, Bilder und Geschichten ganz vergessen, nach Euphrosina zu fragen. Du erinnerst Dich? Nach der Italienerin, die durch Heirat auf Schloss Reichstädt gekommen war und das Schloss himmelblau streichen ließ. Sie starb 1915 hier. Vielleicht gibt es über sie auch etwas zu erzählen. Ich bin ziemlich sicher, dass es so ist....

 

Ein mir bekanntes Bild des italienischen Malers Umberto ZIni zeigt eine Frau, so wie ich mir Euphrosina, die Frohsinnige, vorstelle. Sogar etwas Hellblaues hat die Dame auf dem Bild hier an. Zini, geboren 1878, ist ein Zeitgenosse von Euphrosina, rein theoretisch könnte er sie gekannt haben.....

 

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Umberto Zini  (1878 - 1964)  "Junge Venezianerin"
Umberto Zini (1878 - 1964) "Junge Venezianerin"

 

Ebenfalls frohsinnig verlassen wir nach dieser schönen Stunde das Schlossgelände.

 

Fahr Du auch mal nach Reichstädt, es lohnt sich. Die Führung dauert ca. eine Stunde, kostet pro erwachsener Person 4 € und findet im Normalfall am Sonntag, 15 Uhr, statt (April - Oktober). Aber lieber vorher nochmal auf der Website gucken, ob sich was geändert hat.

 

 

Pawel im Schlossmodell
Pawel im Schlossmodell