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ERSTE SZENE
Freies Feld
Edgar tritt auf.
EDGAR
Doch besser so und sich verachtet wissen,
Als stets verachtet und geschmeichelt sein.
Wenn man ganz elend ist, das niedrigste,
Vom Glück vollkommen ausgestoßne Wesen,
Lebt man in Hoffnung noch und nicht in Furcht.
Beweinenswerter Wechsel trifft nur Bestes,
Das Schlimmste kehrt zum Lachen. Drum willkommen,
Du wesenlose Luft, die ich umfasse!
Der Ärmste, den du warfst ins tiefste Elend,
Fragt nichts nach deinen Stürmen. - Doch wer kommt hier?
Gloster von einem alten Manne geführt.
Mein Vater, bettlergleich, geführt? Welt, Welt, o Welt!
Lehrt' uns dein seltsam Wechseln dich nicht hassen,
Das Leben beugte nimmer sich dem Alter.
ALTER MANN
O lieber, gnädiger Herr, ich war Euer Pächter und Eures Vaters Pächter an die achtzig Jahre.
GLOSTER
Geh deines Wegs, verlaß mich, guter Alter!
Dein Beistand kann mir doch nicht nützlich sein;
Dir möcht er schaden.
ALTER MANN
Ach Herr, Ihr könnt ja Euren Weg nicht sehn.
GLOSTER
Ich habe keinen, brauch drum keine Augen.
Ich strauchelt, als ich sah. Oft zeigt es sich,
Besitz macht sorglos, und Entbehrung erst
Gedeiht zur Hülfe. O mein Sohn, mein Edgar,
Den des betrognen Vaters Zorn vernichtet!
Erlebt ich noch, umarmend dich zu sehn,
Dann spräch ich, wieder hab ich Augen!
ALTER MANN
Wer
da?
EDGAR
beiseit.
Gott, wer darf sagen: Schlimmer kanns nicht werden?
's ist schlimmer nun als je.
ALTER MANN
Der tolle
Tom!
EDGAR
beiseit.
Und kann noch schlimmer gehn; 's ist nicht das Schlimmste,
Solang man sagen kann: dies ist das Schlimmste.
ALTER MANN
Wo willst du hin. Gesell?
GLOSTER
Ist es ein Bettler?
ALTER MANN
Ein Toller und ein Bettler.
GLOSTER
Er hat Vernunft noch, sonst könnt er nicht betteln.
Im letzten Nachtsturm sah ich solchen Wicht,
Und für 'nen Wurm mußt ich den Menschen halten;
Da kam mein Sohn mir ins Gemüt, und doch
War mein Gemüt ihm damals kaum befreundet.
Seitdem erfuhr ich mehr: Was Fliegen sind
Den müßigen Knaben, das sind wir den Göttern;
Sie töten uns zum Spaß.
EDGAR
beiseit.
Ist mirs denn möglich?
Ein schlecht Gewerb, beim Gram den Narren spielen;
Sich selbst und andern wehtun. -
Laut.
Grüß
Euch Gott.
GLOSTER
Ist das der nackte Bursch?
ALTER MANN
Ja, gnädger Herr.
GLOSTER
Dann geh, mein Freund! Willst du uns wieder treffen,
Ein, zwei, drei Meilen weiter auf der Straße
Nach Dover zu, so tu's aus alter Liebe
Und bring 'ne Hülle für die nackte Seele;
Er soll mich führen.
ALTER MANN
Ach, er ist ja toll!
GLOSTER
's ist Fluch der Zeit, daß Tolle Blinde führen!
Tu, was ich bat, oder auch was du willst;
Vor allem geh!
ALTER MANN
Den besten Anzug hol ich, den ich habe,
Entstehe draus, was mag.
Er geht ab.
GLOSTER
Hör, nackter Bursch!
EDGAR
Der arme Tom friert.
Beiseit.
Ich halte mich nicht länger!
GLOSTER
Komm her. Gesell!
EDGAR
beiseit.
Und doch, ich muß.
Laut.
Gott schütz die lieben Augen dir, sie bluten.
GLOSTER
Weißt du den Weg nach Dover?
EDGAR
Steg und Hecken, Fahrweg und Fußpfad. Der arme Tom ist um seine gesunden Sinne gekommen. Gott schütze dich, du gutes Menschenkind, vorm bösen Feind! Fünf Teufel waren zugleich im armen Tom: der
Geist der Lust, Obidikut; Hoptanz, der Fürst der Stummheit; Mahu, des Stehlens; Modu, des Mords; und Flibbertigibbet, der Grimassenteufel, der seitdem in die Zofen und Stubenmädchen gefahren ist.
Gott helfe dir, Herr!
GLOSTER
Hier nimm die Börse, du, den Zorn des Himmels
Zu jedem Fluch gebeugt; daß ich im Elend,
Macht dich beglückter. - Recht, ihr Götter! Laßt
Den Überfluß- und lustgesättigten Mann,
Der Eurer Satzung trotzt, der nicht will sehen,
Weil er nicht fühlt, stets Eure Macht schnell fühlen:
Verteilung tilgte dann das Übermaß
Und jeder hätt genug. - Sag, weißt du Dover?
EDGAR
Ja, Herr!
GLOSTER
Dort ist ein Fels, des hohe, steile Klippe
Furchtbar hinabschaut in die jähe Tiefe.
Bring mich nur hin an seinen letzten Rand,
Und lindern will ich deines Elends Bürde
Mit einem Kleinod. Von dem Ort bedarf
Ich keines Führers mehr.
EDGAR
Gib mir den Arm,
Tom will dich führen.
Sie gehn ab.
Der Stein bei Rauenstein
Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen / Johann Theodor Grässe, Nr. 563, Dresden.
G. Schönfeld’s Verlagsbuchhandlung, 1874
In der Nähe von Rauenstein steht ein Stein, der zum [502] Andenken an die gräßliche Pest gesetzt ist, welche nach dem 30jährigen Kriege in jenem Theile des Erzgebirges wüthete. Es war nämlich zu Lengefeld die Pest ausgebrochen und dermaßen heftig, daß der Ort von der Umgegend völlig abgesperrt ward. Nun war aber in Reifland ein junger Mann, der die Enkelin des Pfarrers zu Lengefeld zur Braut hatte. Dieser hatte gehört, man bekomme in Freiberg einen Pestessig, welchen die dortigen Todtengräber aus Kräutern bereiteten. Er eilte also dorthin, verschaffte sich eine Flasche davon und schlich sich mit Lebensgefahr durch den Militärcordon, weil er gehört hatte, der Vater seiner Braut sei an der Pest erkrankt. Zwar kam er zu spät, allein es gelang ihm doch, diese selbst, ihren Großvater und viele Andere damit herzustellen, bald verschwand die furchtbare Seuche und nachdem die Sperre aufgehoben war, beschloß man in Lengefeld und dem nahen Reifland eine Art Wiedersehens- und Auferstehungsfest auf der Mitte des Weges zwischen beiden Orten zu feiern. Dies that man auch, und jener Stein bewahrt noch heute das Andenken an jene schauervolle Zeit.
Der Frau-Mutterstuhl zu Oberforchheim
Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen / Johann Theodor Grässe, Nr. 495, Dresden.
G. Schönfeld’s Verlagsbuchhandlung, 1874
Auf dem alten Schlosse Oberforchheim am Haselbache an der Straße von Freiberg nach Annaberg stand bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Oberboden in einer Kammer ein alter Großvaterstuhl, den hieß man der Frau Mutter Stuhl, und auf diesem lag eine hölzerne Statue, die aber sehr stark vergoldet war und ein kleines Männchen vorstellte. Diese zwei Gegenstände kannte Jedermann im Schlosse und im Dorfe und Alle hatten eine gewisse heilige Scheu vor denselben, denn man sagte, sie seien die Palladien des Rittergutes, und wenn Jemand den Stuhl von seiner Stelle rücke oder das Männchen angreife und in [427] eine andere Lage bringen wolle, der werde dafür schwer von demselben gezüchtigt. Da diente um diese Zeit auf dem Hofe ein Knecht, der sich vor dem Teufel nicht fürchtete und einst in seiner Vermessenheit sich gegen seine Mitdiener rühmte, er wolle doch sehen, ob ihm etwas geschehen werde, wenn er sich an dem Stuhle vergreife. Darauf ging er also hinauf, schob den Stuhl weg und gab dem alten Männchen einen Backenstreich, allein die Strafe blieb nicht aus, denn noch in derselben Nacht legte sich dasselbe im Bette auf ihn als schwerer Alp und drückte ihn, bis es Tag wurde, in der nächsten Nacht litt es ihn ebenso wenig und in der dritten warf es ihn gar aus dem Bette heraus. Nun ward er zwar ängstlich, rückte auch den Stuhl wieder an seinen alten Platz, allein der Geist war auf immer seiner alten Wohnung abhold, denn er zog auf und davon, in den darauf folgenden Tagen brannte das ganze Rittergut ab, und so viel man sich auch Mühe gab, den Stuhl und das Männchen zu retten, das einstürzende Dach begrub es unter seinen Trümmern und als man dieselben abräumte, war nichts mehr von ihnen übrig.
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Pawel: Maulwurf, Freund, Regler und Equalizer (und natürlich Reisebegleiter)
Er hat die Romane von Max Landorff gelesen und die Filme mit Denzel Washington gesehen.
Den Tätern folgen:
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