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Licht, Leben, Freud und Wonne

Winterspaziergang heute

Nassau / Erzgebirge
Nassau / Erzgebirge

 

Während ich an diesem Sonntag über die Felder nahe des Nassauer Drachenkopfes gehe, sie sind leicht schneebedeckt, geht mir alles Mögliche durch den Kopf. So ereilt mich auch ein "Ohrwurm". Ein altes Kirchenlied des Theologen, Pfarrers und Kirchenlieddichters Paul Gerhardt, der 1607 in Gräfenhainichen geboren wurde. Schon als Kind erfuhr ich seinen Namen aus dem evangelischen Gesangbuch. Wie viele Lieder darin von Paul Gerhardt stammen, heute noch, darüber kann man staunen. Es sind bearbeitete Versionen, denn die Sprache des 17. Jahrhunderts wurde im Lauf der Zeit etwas an die jeweilige Epoche angepasst. Außerdem haben manche von Gerhardts Liedern wirklich sehr viele Strophen (mehr als zehn), da kürzte man ein wenig. Wahrscheinlich um die Gläubigen beim Singen in der Kirche etwas zu schonen.

 

Auch eines meiner liebsten Musikstücke überhaupt, das Lied "Ich steh an Deiner Krippen hier", stammt aus der Feder Gerhardts, die Musik nahm man von einem alten Luther-Choral. Johann Sebastian Bach hat es später in sein Weihnachtsoratorium aufgenommen und die Melodie bearbeitet. Doch es ist für mich zumindest kein reines Weihnachtslied, sondern ein für alle Jahreszeiten passender berührender Text mit einer herrlichen Musik. Heute werden beide Melodien, nach Luther und nach Bach, noch gesungen.

 

Ich lag in tiefster Todesnacht,

du warest meine Sonne,

die Sonne, die mir zugebracht

Licht, Leben, Freud und Wonne.

O Sonne, die das werte Licht

des Glaubens in mir zugericht’,

wie schön sind deine Strahlen!

 

 

Jetzt jedenfalls, während das schneebedeckte Stoppelfeld unter meinen Füßen knirscht und der Blick sich auf der stillen Landschaft ausruhen kann, da habe ich es im Ohr ...

 

Wer das einmal ernsthaft und nicht halbherzig ausprobiert, das Lied aus vollem Herzen singt (wie und wo auch immer), der wird eine gute Wirkung spüren - es ist so eine herzliche, schöne und mutige Melodie. Hier die "kleine" Version eignet sich gut:

 

 

Da mich hier ganz sicher niemand hört und sieht, singe ich vor mich hin. Und wie das bei Ohrwürmern so geht, hört man (glücklicherweise) nicht seinen eigenen Gesang, sondern das geliebte Original. Schön. So kraftvoll, so voller Freude und auch Schmerz.

 

 

Paul Gerhardt lebte in einer schweren Zeit. Der Dreißigjährige Krieg, Hunger, Seuchen und ein Elend ringsherum, das man sich heute schwer vorstellen kann, fielen in seine Lebenszeit (1607 - 1676).

 

Von vier Kindern, die der evangelische Theologe mit seiner Frau Anna Maria bekam, überlebte ihn nur ein Sohn. Die drei anderen starben im frühen Kindesalter. Auch seine Frau wurde nicht alt; die Tuberkulose nahm sie von der Seite ihres Mannes. Da war sie noch nicht sechsundvierzig Jahre alt. Schon als Kind hatte Paul Gerhardt Vater und Mutter verloren, auch sein Bruder starb jung.

 

Als er 1666 die Unterschrift zur Anerkennung des Toleranzedikts, welches der brandenburgische Kurfürst ausgegeben hatte, aus Gewissensgründen verweigerte,  wurde er entlassen und stand vor ungewisser Zukunft.

 

Evangelische Pfarrkirche Rechenberg (Erzgebirge)
Evangelische Pfarrkirche Rechenberg (Erzgebirge)

 

Wie fürchterlich dieses Leben für Paul Gerhardt oft gewesen sein muss. Trotzdem resignierte er nicht, hielt fest an seinem Glauben und war für seine jeweilige Gemeinde tätig. Gerhardt, der in Wittenberg studiert hatte und dann in Berlin, Mittenwalde und Lübben arbeitete, war sehr produktiv. Zusätzlich zu seiner Pfarrerstätigkeit schrieb er den Text für viele Lieder. Sie wurden weit über Gerhardts Wirkungsstätte hinaus schon zu seinen Lebzeiten bekannt; sie spendeten vielen Menschen Trost, dessen sie dringend bedurften. Auch das berühmte Lied "Geh aus mein Herz und suche Freud" ist von ihm. Übrigens machte man mit der Vertonung solcher Liedtexte damals oft nicht viel Federlesen. Man nahm ein bestehendes Musikstück, z. B. einen alten Luther-Choral, und passte dann der alten Melodie einen neuen Text an. 

 

Auch heute noch werden die Lieder Paul Gerhardts gesungen - und geben Kraft, Freude und Trost.

 

 

Von Rechenberg aus geht es nach Nassau; dort gibt es eine schöne Neuigkeit.

 

Die Pension Oberknapp, von der hier schon die Rede war, ist nicht mehr verlassen. Es ist jemand eingezogen. Leben ist in den Fenstern, die teilweise schon erneuert wurden; eine Lichterkette leuchtet im Hof. Ob dieses kleine, schöne Anwesen je wieder zahlende Gäste aufnehmen wird, das weiß ich noch nicht. Es wird sich zeigen. Und wenn nicht, dann hat hier jemand ein schönes Zuhause gefunden. Und ich gute Erinnerungen ...