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Auf nach Polditz

Neue Muldenwege zu St. Nicolai

Kirche St. Nicolai in Polditz
Kirche St. Nicolai in Polditz

 

Wenn man Leisnig stromabwärts der Mulde verlässt und am linken Ufer in Richtung des Wasserschlosses Podelwitz geht, da sieht man in der Ferne ein imposantes Bauwerk scheinbar aus dem Nichts aufragen. Das ist eine große, weiße Kirche mit einem Turm in westlicher Richtung: St. Nicolai in Polditz.

 

Schon eine Weile nahmen wir uns vor, St. Nicolai einen Besuch abzustatten. Heute, an einem sonnigen Apriltag, ist es endlich soweit.

 

Freiberger Mulde zwischen Marschwitz und Wiesenthal
Freiberger Mulde zwischen Marschwitz und Wiesenthal

 

Wir fahren mit dem Regionalexpress RB 110 von Döbeln in Richtung Leipzig. In Tanndorf steigen wir auf dem winzigen Bahnhof außerhalb des Ortes aus. Hier wohnt jemand im Bahnhofsgebäude und hat sich gemütlich eingerichtet. Wie auf den meisten anderen kleineren Bahnstationen des Landes gibt es auch hier keinen Bahnhofsservice für Reisende. Aber wenigstens ist der Tanndorfer Bahnhof nicht verfallen und schön mit privatem Leben erfüllt.

 

Den Bahnhof im Rücken geht man nach rechts, wenn man nach Podelwitz oder in eines der nahen Dörfer wie Sermuth will. Hier fließen Freiberger und Zwickauer Mulde zusammen und bilden die Vereinigte Mulde (mehr dazu HIER).

 

Wir gehen nach links, denn unser Weg soll uns heute über Marschwitz und Wiesenthal nach Polditz führen. Von dort aus geht es dann über Tragnitz, Altleisnig  und Fischendorf nach Leisnig weiter, von wo aus uns RB 110 wieder heimbringen wird.

 

 

Ein Frühlingstag, wie man ihn sich besser nicht wünschen kann. Warm ist es und sonnig, ein milder Wind weht angenehm. Die Freiberger Mulde ist jetzt im Frühling gut gefüllt, Hochwassergefahr besteht zum Glück jetzt nicht. Wer hier so verheerende Hochwasser wie 2002 und 2013 miterlebte, der hat Respekt vor dem Fluss gelernt.

 

Bahnhof Tanndorf im Hintergrund
Bahnhof Tanndorf im Hintergrund

 

Obstbäume und Sträucher blühen, Wiesen und junges Getreide leuchten grün. Der Raps färbt sich gelb; es wachsen wilde Stiefmütterchen und allerlei andere kleine Schönheiten am Wegesrand. Nach einer Weile mündet unser Weg in den Mulderadwanderweg, dem wir flussaufwärts linksseitig folgen. 

 

 

Nach einer Weile setzen wir uns ans Wasser und holen das Kaffeerohr heraus. Ein großer glänzender Fisch springt kurz aus dem Wasser und taucht platschend wieder ein.

 

Dann erreichen wir Marschwitz und sehen endlich St. Nicolai in der Ferne.

 

Blick von Marschwitz nach Polditz zu St. Nicolai
Blick von Marschwitz nach Polditz zu St. Nicolai

 

Schön ist es hier, wir finden auch das Rittergut Marschwitz und den verlassenen " Schwarzen Bären", einen alten Gasthof unterhalb der Kirche.

 

 

Leicht bergauf geht es zur Kirche, eine Allee entlang. Wieso steht hier in den Feldern so eine große Kirche mit Platz für tausend Menschen?

 

Mit Absicht errichtete man das Gotteshaus im 19. Jahrhundert außerhalb des besonders hochwassergefährdeten Bereichs, wo sein Vorgänger nahe Altleisnigs gestanden hatte. Diese alte Kapelle mit Namen St. Nicolai gab es seit Beginn des 13. Jahrhunderts, im Frühjahr 1860 war sie abgebrannt und musste ersetzt werden.

 

 

Kapelle Altleisnig, um 1840 (Bild: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/14210/222)
Kapelle Altleisnig, um 1840 (Bild: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/14210/222)

 

Da baute man dieses neue St. Nicolai und bezog bei der Planung die erwartete Entwicklung der Zahl der Einwohnerschaft der umliegenden Gemeinden mit ein. Da es dann doch nicht so viele wurden wie erwartet, hatte man eben ab 1865, dem Jahr der Weihe, genug Platz.

 

In einer stattlichen Kirche mit dazugehörigem, gegenüberliegenden Pfarrhaus.

 

 

 

St. Nicolai in Polditz mit Pfarrhaus:

 

 

Leider ist die Kirche verschlossen, da müssen wir später wiederkommen. Einen Blick kannst Du trotzdem hineinwerfen; hier ein Foto, gefunden auf www.leipzig.travel:

 

St. Nicolai / Polditz (Bild:  https://www.leipzig.travel/poi/ladegast-orgel-in-der-altleisniger-kirche-zu-polditz)
St. Nicolai / Polditz (Bild: https://www.leipzig.travel/poi/ladegast-orgel-in-der-altleisniger-kirche-zu-polditz)

 

Bereits 1964 hatte St. Nicolai seinen 64 Meter hohen Spitzturm verloren; er war baufällig und wurde durch ein einfaches Turmdach ersetzt. Die Lage entwickelte sich negativ;  in den 1980er Jahren sollte das Bauwerk endgültig aufgegeben und als Ruine stehengelassen werden. Mit großer Eigeninitiative und Liebe sorgten die Dorfbewohner nun für den Erhalt ihrer Kirche und wehrten sich gegen den Verfall. Spendengelder wurden gesammelt und mit eigener Arbeit an vielen Wochenenden hat man unter anderem das Dach neu gedeckt, die Fassade verputzt.

 

Beeindruckend, was die Bürger für ihre Kirche taten. Und es hat sich gelohnt. Solide und feierlich guckt St. Nicolai heute ins Muldental und beweist, dass man sich nicht immer mit allem abfinden muss, sondern auch neue, andere, eigene Wege gehen kann und sollte. In diesem Sinn ist St. Nicolai auch ein Bezugspunkt für nichtreligiöse Menschen; sein Turm verkündet die Botschaft, dass immer was geht.

 

***

 

Jedes Jahr im Mai findet hier eine besondere Orgelwoche statt, denn St. Nicolai besitzt eine bekannte Ladegast-Orgel. Überregional bekannt ist das um Pfingsten herum stattfindene Ereignis geworden, mehr dazu hier:

 

 

Wir trinken hinter der Kirche einen Kaffee aus dem Rohr und gehen dann in Richtung Leisnig weiter. Genau so schön, wie ich mir den Tag vorgestellt habe, genau so ist er geworden. Das ist auch Glück, wenn man das öfters mal feststellt, oder?

 

Blick flussabwärts vom kleinen "Blauen Wunder" zwischen Wiesenthal und Tragnitz
Blick flussabwärts vom kleinen "Blauen Wunder" zwischen Wiesenthal und Tragnitz

 

Die Mulde funkelt übermütig in der Sonne; der Fluss ist heute gut gelaunt und nicht gewalttätig. Bald ist Burg Mildenstein auf dem Felsen über der Mulde zu sehen.

 

 

Der Leisniger Bahnhof ist mit Umbauarbeiten des Bahnhofsgartens beschäftigt. Hier wird am 30. April 2023 die Sommersaison eröffnet. Dann gibt es hier am "Kulturbahnhof" wieder Veranstaltungen und auch etwas gegen Hunger und Durst. Da es noch nicht soweit ist, übernimmt das bei uns der Netto, der fast am Ende des Weges liegt.

 

Bald darauf sitzen wir im Leipziger Regionalexpress. Der Tag endet - und er war gut.

 

Leisnig, Burg und Schloss Mildenstein
Leisnig, Burg und Schloss Mildenstein