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Hervorgeholt: Versunken im Grünen

Auf dem alten Waldfriedhof in Buchholz

Auf dem alten Buchholzer Waldfriedhof
Auf dem alten Buchholzer Waldfriedhof

 

Oft ist es ja so, dass man das Beste findet, wenn man gar nicht sucht.

 

Oder "es" findet einen. Kann ein Freund sein, eine Liebe, die Lösung eines Problems, eine Wohnung oder ein Haus, eine Idee, ein Schatz, ein 13er Schlüssel - alles Mögliche.

 

Heute, in unserem Fall, ist es ein Waldfriedhof. Hä? fragst Du Dich vielleicht - wieso Friedhof?! Was soll daran denn Besonderes oder Schönes sein? In dem Fall trifft es wirklich zu: ein verzauberter Ort. Komm doch mit und lass Dich überzeugen:

 

 

Wie Du weißt, waren wir letztens am Buchholzer Türmel. Und begeistert von diesem kleinen Tempel mit herrlicher Aussicht. Danach sollte unser Weg eigentlich weiter auf die Teufelskanzel, einen sagenumwobenen Berg, führen. So war noch der Plan, als wir am Türmel verweilten.

 

Und dann? Kamen wir vom Weg ab, sozusagen. Und das kam so:

 

Wir gehen also vom Türmel aus weiter in nordwestlicher Richtung auf dem rausgesuchten Weg, der Waldstraße. Nach ein paar Metern sieht man rechts der Straße alte, hochgewachsene Bäume und Sträucher auftauchen. Verschiedene Arten, mit besonderem Bedacht gepflanzt. Ein Garten? Nein. Beim Näherkommen sieht man: das ist der Buchholzer Waldfriedhof. Leichter Gewittergrummel, noch kein Regen, Schwüle. Wir gehen hinein. In dieser Jahreszeit sind nicht nur Gärten und Parks wunderschön, auch auf den Friedhöfen blüht es in allen Ecken. Ach, immer die großen Rhododendren mit ihren weißen, violetten, rosa und dunkellila Blüten. Und auch die kleinen Sorten, die gelb, rot und orange blühen, sind eine Wohltat für winterermüdete Augen. 

 

***

 

Das Wort "Rhododendron" übrigens beeindruckte mich als kleines Kind stark. Ich fand es sehr schwierig auszusprechen, fremdartig und geheimnisvoll: Rho-do-den-dron. Heißt soviel wie Rosenbaum. Konnte doch alles sein: giftiger Zaubertrank, Sesam-öffne-Dich-Spruch. Vielleicht ersetzte es auch in den Märchen das "Mutabor" vom Kalif Storch oder das "Töpfchen steh!"- Kommando des breikochenden Mädchens und seiner gierigen Sippe? Wer wusste das genau? Ich merkte mir bald, wie diese Sträucher aussehen, wann sie blühen, in welchen Farben. Dass eine einzelne Blütendolde mit den vielen kleinen Kelchen in einem Glas Wasser wunderschön aussieht. Sich zu merken, wie man das Wort schreibt, hat etwas länger gedauert.

 

Grabmahl der Familie Kunze
Grabmahl der Familie Kunze

 

Alte Friedhöfe haben einen speziellen Reiz, auch für Nicht-Gruftis. Das liegt an den beeindruckenden alten Grabstätten, die man da oft findet. Manchmal kann man die Namen der Toten kaum noch lesen. Viele Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, ruhen sie schon hier. In dieser friedlichen Stille.

 

 

Der Buchholzer Waldfriedhof, den es seit ca. 450 Jahren gibt, liegt an einem relativ steilen Hang. Die obere Seite grenzt an die Waldstraße, dann fällt das Gelände teils felsig in Richtung der B101 / Karlsbader Straße ab. Das wissen wir aber erst, als wir immer weiter hangabwärts den alten Friedhof erkunden. Denn nach dem Bereich mit älteren und neueren Grabmälern kommt man in eine dunkelgrün leuchtende Wildnis, einen wahren Dschungel. Einen Zauberort. Hier wachsen Bäume, Sträucher, Kräuter ungebändigt. Es ist dämmrig, Sonnenflecke wackeln auf den Brennnesseln und alten Steinen. Käme jetzt hier ein bärtiger Zwerg hervor - es würde einen nicht verwundern....

 

 

 

Wir sind offensichtlich auf dem ältesten Teil dieses Friedhofes. Ein wildromantischer Ort bei diesem Wetter, wo die Sonne durch das dichte Blattwerk guckt und leise und fern Gewitter grummeln. Sehr unwegsam ist es, Grabsteine liegen umgefallen unter dichtem rankenden Bewuchs. Der steil abwärts führende alte Weg wird selten begangen, die Stufen sind zerbröckelt und mit Moos bewachsen. Man muss gucken, wo man hintritt - aber davon abgesehen ist es herrlich. Viele Vogelstimmen sind laut und durcheinander zu hören. Es zirpt, kreischt, flötet, zwitschert, quakt, schnattert und trällert. Auch ein Kuckuck ist zu hören. Spechte klopfen, ein Rascheln im Laub. Wie fast immer sind sie nicht zu sehen. Auch allerhand Insekten leben hier; schillernde Käfer, dicke Hummeln, kleine Spinnen sind da, Ameisen in verschiedener Größe.

 

Dieser Ort gilt als Gartendenkmal. Und das nicht umsonst. Laut wikipedia.org besitzt der Waldfriedhof in Buchholz "landschaftsprägenden Charakter".

 

 

 

Allerlei Gedanken über früher und heute kommen einem an so einem Ort, oder? Natürlich auch, wie immer, mal Unpassendes, Groteskes, die bunte Knete im Kopf halt. Ich frage mich gerade, wie man in dieser Steilheit des Geländes zu allen Jahreszeiten mit riesigen Särgen, Kränzen, Blumengebinden klargekommen ist. In festlicher Kleidung und sonntäglich unbequemen, wackeligen Schuhen. Ob die Feierlichkeit und Würde des Augenblicks nicht mal durch Missgeschicke wie Straucheln, Stolpern, Ausrutschen, wegfliegende Hüte, kleinere Stürze gestört wurde. Ob gar ein Sarg auf abschüssigem Weg vom Wagen rutschte und - nein, hier hören wir auf, ok? ....  Klar, wir sind hier in Buchholz (Du erinnerst Dich: "Steiler ist geiler"), da sind die Leute an krasse Steigungen der Pfade, Wege und Straßen gewöhnt. Flachländer haben sicher manchmal auf dem Weg nach oben hier in der Stadt das Gefühl, nach hinten umzufallen....

 

An der Gottesackerkapelle
An der Gottesackerkapelle

 

Am Fuß des Bergfriedhof-Berges treffen wir wieder auf die Buchholzer Pfad-Finder, also auf ein aktuelles Projekt von ihnen. Sie wollen die Ende der 1950er Jahre abgerissene Gottesackerkapelle, die hier seit 1539 stand, wieder aufbauen. Derzeit sind nur Grundmauerreste vorhanden. Ein paar neugemauerte Steine sieht man schon, siehe Bild hier oben - ein hoffnungsvoller Anfang.

 

Wir sitzen auf dem Baugerüst in der Sonne, es duftet nach Steinen, feuchter Erde, Brennnesseln und Holunder. Nach einer queckenähnlichen fetten Wurzel, die so würzig riecht und deren Namen ich gerade nicht weiß. Von hier guckt man auf die B101/Karlsbader Straße, wie sie nach Schlettau hin ansteigt. Dort unten sind wir vorhin losgegangen. Jetzt ab und zu ein Auto. Mehr nicht.

 

Ein guter Platz.

 

 

Weg zur Gottesackerkapelle, ein kleiner Pfad vom alten Friedhof aus:

 

 

Die Grabstätte der Familie Kunze ist das imposanteste im neueren Friedhofsbereich, finde ich. Es stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts und ist ein kleiner Rundtempel mit segnender Jesusfigur. Du so siehst es oben auf den Bildern. Wer aber waren diese Kunzes?

 

Albert-Emil Kunze gründete 1872 in Annaberg eine Fabrik für Papier- und Pappartikel. Dieses Werk ernährte seine Besitzer sehr ordentlich, neue Betriebsteile wurden gegründet bzw. dazugekauft. Man ahnt den früheren Wohlstand, sieht man heute die Grabstätte dieser Familie. Die Firma Kunze gibt es bis heute. Aber weil sie nach 1945 in Annaberg, Sehma und Weipert (heute tschechisch: Veiprty)zerstört bzw. einteignet wurde, machten die Kunzes einen Neuanfang in Bayern. In Amberg, im Jahr 1954. Sie produzieren heute wieder Borten und Untersetzer, Tortenspitzen, Zierartikel wie die Geburtstagsjahreszahlen in Gold oder Silber, die man (böswilligerweise auch in fortgeschrittenem Alter) auf Torten und in Blumensträuße steckt.

 

Aber auch ein ganz besonderes Produkt wird hier bei Kunze hergestellt: Die Käferfüße aus Pappe, die in verschiedener Größe an unseren Schokoladenkäfern dran sind! Ja, da staunt man - es muss alles irgendwo hergestellt werden. 

 

- Maikäferfüße aus Karton mit beschichtetem schwarzen Seidenpapier, FSC-Mix zertifiziert (Zertifikatsnummer: TUEV-COC-000518) - 1 Pack zu 50 Stück - Abmessung Käferfuß: 130 x 122 mm - Vorderseite: schwarz glänzend, Rückseite: schwarz...
- Maikäferfüße aus Karton mit beschichtetem schwarzen Seidenpapier, FSC-Mix zertifiziert (Zertifikatsnummer: TUEV-COC-000518) - 1 Pack zu 50 Stück - Abmessung Käferfuß: 130 x 122 mm - Vorderseite: schwarz glänzend, Rückseite: schwarz...

 

Maikäferfüße aus Pappe. Und auch hier gibts bestimmt Lieferengpässe, Qualitätsprobleme (Klumpfuß, fehlendes Bein), Maschinenstörungen, Computerunbegreiflichkeiten, Personalmangel, Finanzierungskonzepte, Verbesserungsprojekte und persönliche Befindlichkeiten aller Art der beteiligten Mitarbeiter. Elektriker mit zusammengebissenen Zähnen an nächtlichen Schaltschränken. Schlaflose Produktionsverantwortliche, freundliche QS-Mitarbeiter, hilfreiche Sektretärinnen. Zur Unzeit klingelnde Telefone. Alles, alles das - wegen der Produktion der Maikäferpappfüße.

 

Wer sich diese fantastischen, TÜV-zertifizierten Füße bestellen will, für selbstgemachte Schokokäfer oder andere Basteleien, der findet sie hier:

 

Firma Albert Kunze im Jahr 1905: das Zweigwerk in Weipert. In den 1920er-Jahren hatte die Firma ca. 800 Mitarbeiter. (Quelle: www.erzgebirge-weipert.de)
Firma Albert Kunze im Jahr 1905: das Zweigwerk in Weipert. In den 1920er-Jahren hatte die Firma ca. 800 Mitarbeiter. (Quelle: www.erzgebirge-weipert.de)

 

Wir verabschieden uns mit Respekt von diesem wunderschönen Ort und werden wiederkommen. Zur Gottesackerkapelle, in den geheimnisvollen Friedhofswald, nach Buchholz.

 

Auch schön. Wasserpumpe im Ruhestand. Elegante Bauweise, finde ich.
Auch schön. Wasserpumpe im Ruhestand. Elegante Bauweise, finde ich.

 

"Rho-do-den-dron....." flüstert der Maulwurf; ich glaube, er versucht zu zaubern. Und wo könnte es besser klappen als hier.