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Rittergut Schloss Niederforchheim

Märchenhafte Gegend

Schloss Forchheim
Schloss Forchheim

 

Wie schon angekündigt kommt heute nach der Talsperrenrunde am letzten Sonntag ein wenig Glamour ins Spiel: das Rittergut Schloss Niederforchheim - ein Kleinod gleich in der Nähe der Saidenbachtalsperre.

 

Was wissen wir über dieses Anwesen, das im Dorf Forchheim (Pockau) an der B101 liegt?

 

 

1299 wird ein Herrensitz von Wernerus de Wrcheim urkundlich genannt. Aus Wrcheim wurde mit der Zeit Forchheim.

 

1558 baute man dieses Herrenhaus mit Renaissanceportal. Es gehörte der Familie von Berbisdorf, die es 1762 an Christian Friedrich Hedrich verkaufte.  Ab Juli 1819 war das kleine Schloss Sitz der Amtshauptmannschaft des dritten erzgebirgischen Kreises und gehörte dem Freiherrn Gustav Heinrich von Biedermann, der es 1818 ersteigert hatte. 1892 dann kaufte Wilhelm von Herder, der benachbarte Besitzer von Burg Rauenstein (Lengefeld) das Anwesen für seinen Sohn Arthur. Die Herders begegneten uns auf ihrem Rauensteiner Anwesen HIER.

 

Rittergut NIederforchheim, Lithographie von Gustav Adolph Pönicke von 1856  (https://www.kunstfreund.eu/)
Rittergut NIederforchheim, Lithographie von Gustav Adolph Pönicke von 1856 (https://www.kunstfreund.eu/)

 

Familie von Herder musste 1912 den Besitz an die Stadt Chemnitz verkaufen. Denn die Stadt plante hier einen Talsperrenbau zur Trinkwasserversorung und brauchte dafür die entsprechenden Grundstücke. Sieht man heute; die Talsperrenanlage beginnt unweit des Schlossparks talwärts. Später wurde der alte Herrensitz für die Forstverwaltung und als Kindererholungsheim genutzt. 

 

Postkarte von 1932 (www.oldthing.de/AK-Forchheim-i-Sa-Schloss-von-vorne-und-hinten-0041957184)
Postkarte von 1932 (www.oldthing.de/AK-Forchheim-i-Sa-Schloss-von-vorne-und-hinten-0041957184)

 

Martin Mutschmann, ehemaliger Unternehmer und dann NSDAP-Politiker, war ab 1935 in einer Person (Partei-)Gauleiter, Reichsstatthalter und Ministerpräsident von Sachsen. Dazu  interessierte er sich für die Jagd, war selbst ein passionierter Jäger und Gaujägermeister Sachsens. Ein eigenes Jagdhaus (das Neue Jägerhaus)  ließ Mutschmann in Grillenburg bauen (mehr dazu HIER); auch in Forchheim war er ab und zu, zur Jagd.

 

Mutschmann, ein ausgeprägter Antisemit und Hitler-Unterstützer, unterschrieb 1935 die Entlassungsurkunde des bekannten Dresdner Professors für Romanistik und Philologie Victor Klemperer, der als Jude nicht mehr im höheren Universitätsdienst stehen durfte. Das war nur der Anfang eines langen Martyriums des Ehepaars Klemperer, die gemeinsam in Dresden zwölf Jahre Nationalsozialismus überstanden.  Klemperer schrieb sein Leben lang Tagebuch, auch in dieser Zeit. Beklemmende, teils alltagsnormale, sogar zeitweise fröhliche Lektüre. Nüchtern und analytisch oft der Blick des Gelehrten auf das tägliche Leben, treffend sein Ausdruck:

 

„Alles, was ich für undeutsch gehalten habe, Brutalität, Ungerechtigkeit, Heuchelei, Massensuggestion bis zur Besoffenheit, alles das floriert hier.“  Das schrieb Klemperer schon 1933.

 

 

Beide Klemperers, Victor und Eva,  erlebten nach Kriegsende einen Neubeginn in Dresden. Martin Mutschmann wurde 1945 auf der Flucht im Erzgebirge verhaftet, später in Moskau verurteilt und wahrscheinlich im Februar 1947 dort hingerichtet. 

 

 

Hier nochmal ein großes Bild von dem prächtigen, von Berbisdorfer Wappen:

 

Wappen Familie von Berbisdorf
Wappen Familie von Berbisdorf

 

Nach 1945 wurde das Rittergut wieder öffentliches Eigentum. Da beherbergte das Schloss viele Jahre einen Kindergarten und eine Zahnarztpraxis. Dann, 1998, wurde es an einen Privatbesitzer, Herrn Dr. med. Detlef Domke, verkauft, der das schöne Haus Stück für Stück saniert und auch darin wohnt.

 

Außerdem gibt es seit Herbst 2021 ein paar Ferienwohnungen, die auf den verfügbaren Bildern  schon sehr vielversprechend aussehen. Ich habe von der Website www.rittergut-niederforchheim.de einige Fotos des Innenlebens  für die gleich kommende Bilderstrecke verwendet, mit Quellenangabe natürlich.

   

Bestimmt sehr märchenhaft, da ein paar Tage und Nächte zu verbringen - im Schloss! Mehr dazu findest Du hinter dem Button am Artikelende, natürlich auch den Kontakt zum Vemieter.

 

 

Auch den Schlosspark gucken wir uns an, schön geht es sich unter den alten, hohen Bäumen. Man tritt durch die Holztür von der B101 aus ein; die kennst Du schon von der Talsperrenrunde am 16.01.2021.

 

Schloss und Grundstück sehen gut aus; man merkt, dass sich hier jemand mit Liebe um alles kümmert. Schön ist, dass es jetzt hier die Ferienwohnungen gibt und damit die Möglichkeit besteht, auch das Schlossinnere zumindest teilweise zu erkunden...

 

Schade finde ich die Entscheidung für den rückseitigen Anbau, den Glaskasten. Er fügt sich m. E. n. nicht so schön wie die anderen, im Lauf der Jahrhunderte vorgenommenen baulichen Veränderungen ein und stört etwas das Gesamtbild der hinteren Hausfront. Aber das ist eben Geschmacksache. Ich kann mir vorstellen, dass man von innen aus diesem Anbau einen tollen Blick über das Grundstück zum Wald hin hat, so gesehen hat das auch sein Gutes. Aber die glaskastenlose, grünbewachsene Rückansicht des Gebäudes auf der Postkarte von 1932 ist doch schöner, wenn auch weniger komfortabel.

 

 

Hier werfen wir noch mit der Drohne einen Blick von oben auf die ganze Gegend, aufgenommen im Frühling von Maik Lippmann, zu finden auf seinem YouTube-Kanal ML 4K.