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Wie ein Protestmob die Freiheit der Kunst beschädigt

Warum Lisa Eckart in Hamburg nicht auftreten darf

www.hanser-literaturverlage.de/autor/lisa-eckhart/
www.hanser-literaturverlage.de/autor/lisa-eckhart/

 

Lisa Eckart, österreichische Kabarettistin und Autorin, sollte im September in Hamburg an einem Literaturfestival teilnehmen. Weil linke Gruppen protestierten und die Veranstaltung mit Gewalt bedrohten, lud der Veranstalter Frau Eckart aus, aus Angst vor den Konsequenzen ihres Auftritts. Die Täterwerkstatt hat Dir am 15.10.2019 ("Bitterböse und wunderbar") diese äußerst begabte, scharfsinnige und wortgewandte Künstlerin hier vorgestellt, Artikel siehe Button 1.

 

Gucken wir mal, was da heute um Lisa Eckart herum los ist.

 

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Die "Hamburger Morgenpost" schreibt am 07. 08. 2020:

 

"St. Pauli -

Das Hamburger „Harbour Front Literaturfestival“ hat eine Lesung der umstrittenen Kabarettistin Lisa Eckhart (27) abgesagt. Als Grund werden drohende Proteste gegen ihren Auftritt im „Nochtspeicher“ auf St. Pauli angeführt – Kritiker werfen Eckhart vor, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen.

 

Bei Twitter finden wir unter anderem:

 

 

Angesichts dieses jüngsten Geschehens um die Kabarettistin Lisa Eckart stelle ich heute diese Frage: Was spielen Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst für eine Rolle in unserer Gesellschaft?

 

Eine entscheidende!

 

Das höchste Gut für Menschen in einer aufgeklärten Zivilisation, in einer Demokratie, ist die persönliche Freiheit. Dazu gehört das Recht, seine Ansichten zu äußern, ohne dafür benachteiligt und angegriffen zu werden. Für Künstler spielt das nochmal eine andere Rolle. Sind sie doch in der Lage, uns zum Nachdenken, zum Lachen, zum Weinen zu bringen. Dafür hantieren sie mit ihren Werkzeugen, zu denen Überspitzung, Provokation, Ausreizen von Grenzen gehören. Auch das Erfinden von Kunstfiguren, die der Darsteller dem Publikum präsentiert, ist eine spannende Möglichkeit.

 

Wir wissen: der Künstler ist nicht identisch mit seiner Figur. Er benutzt sie nur. 

 

Mario Barth ist nicht der frauenfeindliche Typ, Atze Schröder trägt eigentlich einen anderen (offiziell nicht bekannten) Namen und ist sicher nicht der Ruhrpott-Proll, den er darstellt. Ilka Bessin ist nicht identisch mit der pinkschrillen Cindy aus Marzahn. Sie alle spielen mit Klischees und halten uns den Spiegel vor. Auch Lisa Eckart tut das als die exzentrische, dekadente Dame, als die sie auf der Bühne steht.

 

Man muss das alles nicht mögen. Aber sollte man es deshalb verbieten? 

 

Nein.

 

Abgesehen davon hat unsere breite Öffentlickeit kein Problem, wenn Jan Böhmermann vorschlägt, Dresden zu bombardieren oder zwei weniger namhafte Künstlerinnen im Zusammenhang mit Wählern einer bestimmten Partei von Napalm und brauner Scheiße reden. Das ist ok. Nicht aber die Satire von Nuhr, Steimle, Eckart.

 

Die Vorgänge in Hamburg und anderswo sind auf das Entschiedenste abzulehnen, denn sie bedrohen unsere freiheitliche Lebensweise. Stückweise ist gesellschaftsfähig geworden, was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

 

Dem ersten Roman der vielseitigen Künstlerin, aus dem sie bei besagtem Hamburger Festival lesen sollte, wird dieser ganze Rummel als Werbung gut tun. Er kommt jetzt am 17. August heraus. Hoffentlich lesen viele Leute Eckarts "Omama"! Ich auf jeden Fall.

 

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Der Roman "Omama" von Lisa Eckart erscheint am 17. 08. 2020.
Der Roman "Omama" von Lisa Eckart erscheint am 17. 08. 2020.

 

"Ich habe eine Künstlerin erlebt, die im bewundernswerten Rollenspiel gesellschaftliche Vorurteile allein dadurch entlarvte, dass sie sie überspitzte."

 

Das lesen wir in einem Artikel von Gerhard Haase-Hindenberg von der "Jüdischen Allgemeinen" vom 14. 05. 2020, der einen Kabarettabend mit Lisa Eckart besucht hat (kompletter Artikel hinter Button 2 am Beitragsende).

 

Weiterhin schreibt der Journalist:

"TRADITION Längst aber treten auch hierzulande Comedians auf, die mit der herkömmlichen Kabarett-Tradition gebrochen haben. Wirklich Neues war lange nur den Wenigsten gelungen, zumindest nicht, wenn sie politisch sein wollten. Denn das Korsett der political correctness drückte und kniff an allen Enden. Harald Schmidt war im Umgang damit schon einer der Mutigeren, mit einem Vorbild jenseits des Atlantiks, welches er teils bis in die Gesten kopierte: David Letterman. Bei der Themensetzung spielte es auch diesmal eine Rolle, dass das Original ein Jude und die Kopie ein Goj war und bei der Zusammensetzung des Publikums sowieso. Vielen deutschen Comedians aber war gottlob das Oberlehrerhafte abhandengekommen, welches das deutsche Kabarett ausgezeichnet hatte.

Seit einiger Zeit flattert nun eine extrovertierte Österreicherin, mal im körperbetonten Luxusoutfit, mal halbnackt über Bühnen und Bildschirme, gestikuliert mit dünnen Händen, auf denen bunte Fingernägel kleben, die wie die Krallen eines Raubtieres wirken, und spricht dabei höchst artifiziell solch verschachtelte Sätze wie diesen hier. Political correctness scheint ihr bestenfalls als Begriff bekannt zu sein, und ein definiertes Zielpublikum scheint für sie nicht zu existierten. Das allein ruft schon Gegner auf den Plan. Eine Facebook-Userin findet Lisa Eckhart – so heißt die so umstrittene wie streitbare Kabarettistin – »widerlich und unerträglich blasiert«. Eine andere vermag in ihr einfach nur eine »dämliche Ziege« zu sehen.

ROLLENSPIEL Solch subjektive Empfindungen zu artikulieren, ist deren gutes Recht. Lisa Eckharts Zuschauer in den ausverkauften Sälen, in denen sie bis zum Ausbruch der Corona-Krise auftrat, sahen und sehen das naturgemäß anders, und ich gestehe, einer von denen zu sein. Am 24. Januar habe ich im »Tipi am Kanzleramt« eine Künstlerin erlebt, die im bewundernswerten Rollenspiel als Femme fatale ein Feuerwerk an blitzgescheiten Assoziationen über die Rampe schickte, gesellschaftliche Vorurteile allein dadurch entlarvte, dass sie sie überspitzte."

 

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Den Dauerempörten in unserem Land empfehle ich, dringend einmal darüber nachzudenken, was Freiheit für sie persönlich bedeutet. Und dass sie als Demokraten diese Freiheit auch Andersdenkenden zugestehen müssen, wie schon Rosa Luxemburg es wusste. 

 

Die Herausgeber der "Jüdischen Allgemeinen" wissen es auch. Das sollte allen Kritikern Lisa Eckarts zu denken geben, wenn sie sich selber als so gute Kämpfer gegen Antisemitismus und Faschismus fühlen.

 

Denn das sind sie nicht.