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Die hohle Gesellschaft

Auf dem Weg in ein demütigendes Zeitalter?

Lemming-Elektriker von Joscha Sauer (www.welt.de)
Lemming-Elektriker von Joscha Sauer (www.welt.de)

 

Täglich werden wir mit den Nachrichten über das Geschehen in unserer Welt konfrontiert. Mancher will davon nichts wissen, das schützt nicht. Nicht sehen wollen bedeutet nicht, dass das Problem nicht da ist, einen selber nicht betrifft.

 

Also, gucken wir hin. Augen auf.

 

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In den letzten Tagen entdecken wir neu, wie unzumutbar und rassistisch die westliche Welt doch heute ist. Dabei werden gerade in Europa, zum Beispiel in Deutschland, Menschen nicht-europäischer Herkunft von der Gesellschaft besser behandelt als in ihren Herkunftsländern oder anderswo. Sehr vereinfacht gesagt ist das hauptsächlich ein Ergebnis des Zeitalters der Aufklärung im Europa des 17./18. Jahrhunderts. 

 

Einwandernde bekommen in Deutschland heute Wohnung, Kleidung, Nahrung, medizinische und soziale Betreuung, Geld, Schutz und Freiheit. Wer aus anderen Ländern hierher kam und jetzt länger hier lebt, sieht seine Kinder und Enkel ("mit Migrationshintergrund") mit Bildung versorgt und theoretisch mit guten Zukunftschancen ausgestattet. Sie haben oft einen deutschen Pass. Die Bedingungen im gesellschaftlichen Umfeld sind weitestgehend tolerant, Ausnahmen gibts. Jeder kann seine Religion ausüben, seine Traditionen pflegen, seinen kulturellen Hintergrund erhalten, sich aber auch emanzipieren und weiterentwickeln. Sofern er nicht in Konflikt mit den hier geltenden Gesetzen kommt. Diskriminierung, Ablehnung und Rassismus in verschiedenster Form existieren auch.

 

Doch grundsätzlich ist es ein guter Ort für Menschen aller Hautfarbe hier bei uns. Deswegen wollen auch so viele nach Mitteleuropa, nach Deutschland. Nicht weil es hier so schrecklich ist. 

 

Sicher gibt es auch viele Zuwanderer, die dankbar dafür sind und sich um Integration bemühen. Sie lernen die Sprache, passen sich der Kultur an, sichern sobald möglich ihre Existenz selber durch eigene Arbeit. Sie sind nicht kriminell. Im Gegenteil - sie bereichern die Gesellschaft wirklich. Denken wir an einige unserer Mitschüler, Arbeitskollegen, Freunde und Nachbarn.

 

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Andere Eingewanderte aber sehn das nicht so. An allen Ecken und Enden fühlen sie sich diskriminiert, erkennen unsere Werte nicht an, laufen dauerbeleidigt und aggressiv herum, plündern den Sozialstaat, tyrannisieren ihr Umfeld und sind kriminell.

 

Und unsere masochistische Mehrheit nimmt sich das an!

 

Denn wir sind nicht nur an den beiden Weltkriegen schuld, sondern auch an durch Rassismus und Kolonialismus verursachtem Leid zu allen Zeiten und an allen Orten dieser Welt. Und an der teilweise selbst verschuldeten Fehlentwicklung von Menschen aller Hautfarben. Na großartig. 

 

Ein Pauschalschuldeingeständnis verhilft hier in Westeuropa und den USA zur Absolution. Aber es wird nicht nur geredet - nein. Man kniet jetzt auf der Straße oder etwas bequemer am Arbeitsplatz, küsst Afroamerikanern die Füße wie das Paar im Video, stürzt Statuen von historischen Persönlichkeiten von Sockeln, benennt Straßen, Plätze, Gebäude, öffentliche Einrichtungen um, verhindert politischen Diskurs. Und -  nimmt vermeintlich rassistische Produkte vom Markt oder benennt sie um.

 

Dabei ist es wurst, worum es sich handelt. Negerküsse oder Zigeunerschnitzel oder Afrika-Keks.  Den Letztgenannten von Bahlsen hat es erst Anfang 2020 erwischt, Du erinnerst Dich an diesen besonderen Valentinsgruß? Auch den Negerkönig aus Astrid Lindgrens "Pippi Langstrumpf"  gibt es nicht mehr. Er wurde 2009 in Südseekönig umbenannt. Das hat er davon, der Rassist.

 

So was will natürlich keiner sein. Die Firmen Adidas und Bahlsen auch nicht.  Deswegen führt die eine nun die "Schwarzenquote" bei seinem Personal ein (Quelle HIER); die andere opferte einen unschuldigen Keks, der nicht mehr "Afrika" heißen darf.

 

Jetzt folgen weitere Produkte und Kulturgüter. Darunter auch der berühmte Filmklassiker "Vom Winde verweht".  Ich persönlich vermisse dieses historische Schmachtstück nicht, aber andere mögen es eben. Auf einigen Sendeplattformen wurde es entfernt, da es die Sklaverei verherrliche.

 

Demokratie? Toleranz? Gelassenheit? In allen genannten Fällen Fehlanzeige.

 

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Bei Twitter schrieb ein Nutzer, er schäme sich, als Kind mit einem sogenannten "Hautfarben-Stift" gemalt zu haben. Dieses Malgerät hatte eben die Farbe hellbeige, so wie die Hautfarbe der hier schon länger lebenden einheimischen Bevölkerung auch ist. Ihm, dem Twitterer, sei nicht bewusst gewesen, wie diskriminierend seine Einstellung gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe war.  - ???

 

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Da fällt mir doch der schwarze Keks glatt aus der Hand und ich frage Dich: Ha´m wir hier alle einen an der Waffel? 

 

Bei solchen Äußerungen fällt ruhige Freundlichkeit schwer. Denn es ist nicht nur die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, sich hier zu demütigen bzw. damit irgend etwas ausdrücken zu wollen - kann er / sie / es machen. Aber eine ganze Nation, eine ganze Gesellschaft im Büßergewand auf Dauergeißelungstour - das ist falsch und schädlich für uns selbst, unser Land und unsere Werte, unsere demokratische Gesundheit.

 

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Natürlich kann man immer alles in Frage stellen - dann wird man auch immer was finden. Wenn man auch nichts besseres zu tun hat, erfindet man weitere 188 Geschlechter und entwickelt ein Rotationsprinzip für die Umbenennung von öffentlichen Gebäuden, Straßen und Plätzen. Man ist lautstark beschäftigt, präsent und wichtig. In Wirklichkeit ist das alles heiße Luft. Fast alles. Kann weg.

 

Man hat innerhalb von ca. 100 Jahren eine Bismarck-Straße in Hitler-Straße, dann in Thälmann-Straße und dann zurück in Bismarck-Straße benannt. Und fragt sich jetzt, ob Bismarck nicht doch ein Rassist, Kolonialist, Nationalist, Militarist gewesen sei. Und damit gesellschaftlich heute nicht mehr en vogue. (P.S.: Hätte die Straße noch mehr Pech gehabt, hätte sie zwischen Hitler und Thälmann auch noch Stalin geheißen...)

 

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Der Straße ists letzlich egal, wie sie heißt und wer drüberläuft und -fährt. Vielen Leuten, die da leben, auch. Für die ist wichtig, dass die Straße in gutem Zustand und die Häuser solide, bezahlbar und schön sind. Dass man auch als einzelne Frau, als Kind, Mann, Paar immer unbehelligt hier entlanggehen kann. Dass es gute und preiswerte Produkte zu kaufen gibt, auch Presseerzeugnisse verschiedener politischer Spektren. Geöffnete Restaurants und Cafés. Gutes Essen, Musik, Blumenkübel. Schöne Laternen und Brunnen. Keine Zerstörung durch Vandalismus und Vermüllung. Kurz gesagt: Dass man auf dieser Straße, egal wie ihr Name nun ist, gut, sicher und friedlich miteinander lebt.

 

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Denen, die solche Umbenennungen massiv vorantreiben, empfehle ich:

 

Überlegen Sie, ob der von Ihnen vorgesehene Name nicht auch irgendwie "Dreck am Stecken" hat? Meist ist die Geschichte wie das Leben. Interessant, grausam, großartig, wechselhaft, ungerecht und niemals schwarz-weiß. Das heißt, Ihre Idee einer Robert-Mugabe-Straße oder eines Flüchtlingswillkommensplatzes könnte im Nachhinein nicht nur auf Zustimmung stoßen. 

 

Denken Sie an das Glashaus, in dem Sie vermutlich selber sitzen (wie die meisten von uns).

 

Effizienter wäre es, auf neutrale Namen umzusteigen und auf jeglichen historischen / kulturellen / politischen Hintergrund zu verzichten. Gut sind solche Namen wie Wiesenweg, Am Hang, Bergstraße, Parkstraße, Seeufer, Sonnenleite. Oder Bahnhofstraße, Eisenbahnstraße (!), Obermarkt usw.. Schon bei irgendwas mit "Burg" kommt garantiert einer und meckert an den militanten Rittern rum und gar bei Goetheplatz haben wir sämtliche Feministinnen gegen den Meister am Start.... Eine Durchnummerierung wie in den USA, 188. Straße, ist unromantisch, aber sehr neutral. Allerdings ist auf Zahlenkombinationen wie 666 oder 1933 auch hier zu verzichten. Mit Vornamen ist es auch wieder schwierig. Könnten doch immer Namensinhaber gefunden werden, die evtl. an etwas Negatives erinnern. Oder es ist vom Geschlecht her ein Streitfall. Wird eine Margarethenstraße geschaffen, fragt man gleich nach dem männlichen Pendant.

 

Ach ja. Ihre Sorgen möcht' ich auch nicht haben.

 

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Bei der Gelegenheit denke ich an meine Großeltern, die durch politische Wechsel vieles ertragen und auch mehrere Straßennamenänderungen zur Kenntnis nehmen mussten. Oft verwendeten sie aus Gewohnheit auch später noch einen der alten Namen. Ich guckte dann dumm, weil ich nicht wußte, wo die Bismarckstraße war.....