Der Notstand

Was ist das ?

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In der letzten Zeit hörten wir öfter was von Notständen.

 

Nazinotstand in Dresden, Klimanotstand in der EU, Klimanotstand in einigen deutschen Städten wie Kontanz.... Bildungsnotstand und Pflegenotstand als Dauerthemen.

 

Das Wort "Notstand" wird genau wie "Nazi" inflationär verwendet, ohne dem Begriff den Respekt zu zollen, der ihm gebührt. 

 

Von Politikern erwarte ich die korrekte Benutzung solcher Begriffe. Was aber so nicht stattfindet. Warum ?

 

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Also gucken wir uns das an und versuchen zu verstehen, sonst geraten wir noch in einen Wissensnotstand:

 

Notstand gibt es im verfassungs-, zivil- und strafrechtlichen Sinn. Er bezeichnet allgemein eine gefährliche Situation, die schnellstmöglich beseitigt werden muss. Dafür kann geltendes Recht durch Notstandsrecht ersetzt werden.

 

Wir wollen uns heute mit dem verfassungsrechtlichen Notstand beschäftigen. Dieser betrifft den Zustand des gesamten Staates. Zivil- und strafrechtlicher Notstand befasst sich mit Einzelszenarien und Einzelpersonen. Wikipedia klärt uns auf:

Notstand im verfassungsrechtlichen Sinne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kommt es in einem bestimmten Gebiet aufgrund von Naturkatastrophen, Krieg, Aufruhr oder ähnlichem zu einer unüberschaubaren Lage, so kann der Notstand, auch Ausnahmezustand, ausgerufen werden. In der Regel hat dies dann zur Folge, dass die öffentliche Gewalt auf ihre Bindung an Gesetz und Recht insoweit verzichten kann, wie sie es zur Bekämpfung des Notstandes für erforderlich hält. In den demokratischen Ländern bedeutet der Notstand in der Regel die Verkürzung des Rechtsschutzes gegen hoheitliche Maßnahmen sowie Zurückdrängung von längere Zeit in Anspruch nehmenden behördlichen oder legislativen Verfahren. Im Gegensatz dazu hat die Ausrufung des feuerwehrlichen Ausnahmezustandes keine rechtlichen Konsequenzen.[1]

Das ist informativ, aber was stellen wir uns konkret darunter vor ?

 

Ein Artikel von t-online erklärt es uns:

 

Und was ist nun mit dem "Nazinotstand" in Dresden ?

 

In Dresden wurde im November 2019 der "Nazinotstand" ausgerufen. Vom Dresdner Stadtrat.  Die Medien überschlugen sich.

 

Dann ruderte man zurück. Aus dem "Nazinotstand" wurde "Nazinotstand?". Das Fragezeichen sollte relativieren. Man begründete das ganze Theater damit, eine breite Öffentlichkeit für Demokratie gewinnen und auf die Probleme mit Rechtsextremismus in der Stadt aufmerksam machen zu wollen. Nun ist aber das Wort "Notstand" ein rechtlicher Begriff. Mit der Ausrufung des Notstandes gelten Notstandsgesetze. Es ist also eine konsequenzenreiche Sache, die nicht für eine PR-Aktion genutzt werden darf ! Dieses Handeln des Stadtrates hat Dresden geschadet, international wurde darüber diskutiert. Weil sich natürlich jeder fragt: Was? In Dresden ist jetzt Ausnahmezustand? Weil die Neofaschisten dort so mächtig sind, was ist denn da los?

 

Im Endeffekt kann man sagen: Viel Geschrei, kaum Substanz. Denn der ganze Vorgang ist nicht rechtskräftig. Von Politikern, auch in einem Stadtrat, erwarte ich seröseren Umgang mit solchen Begriffen. Dresden ist nicht mehr im Gespräch als Kulturhauptstadt 2025. Vielleicht hat es auch was damit zu tun.

 

Hier die Rede des Freie-Wähler-Abgeordneten Frank Hannig, Rechtsanwalt und freiwilliger Feuerwehrmann zum Thema "Nazinotstand" im Dresdner Stadtrat, 30.10.2019:

 

 

 

Der "Klimanotstand" in Berlin wurde genau aus den genannten rechtlichen Hintergründen in "Klimanotlage" umbenannt. Und in der EU ?

 

Der Artikel der "Deutschen Welle" verrät uns, das die Notstandsausrufung der EU  "symbolische Bedeutung hat, da entsprechende Gesetze gar nicht vorhanden sind". Mit anderen Worten - leere Worte ohne Konsequenz. EU-Aktionismus und Geschwätz. Oder doch nicht? Warum macht man das ? Warum verwendet man so inhaltsschwere Begriffe so leichtsinnig ?

Fazit:

 

Wir haben einen Notstandsnotstand !

 

Ohne Berücksichtigung des wahren Hintergrundes wird dieser Begriff "Notstand" verwendet und abgenutzt. Damit erzeugt man einen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit, die Bevölkerung wird irregeführt und desensibilisiert. Haben wir mal wirklich einen Notstand, wird der gar nicht ernst genommen, weil jede Woche mehrere seiner Art irgendwo im Land ausgerufen werden. Grundlagenlos.

 

Ich wünsche mir, das die jahrmarktshafte Ausrufung irgendwelcher Notstände in Zukunft unterbleibt. Dieses Szenario sollte für den (hoffentlich nicht eintretenden) Ernstfall, eine wirkliche Notlage, aufgehoben werden.

 

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Um Dinge besser zu verstehen, mache ich manchmal ein Gedankenspiel. Heute das Spiel zum Begriff "Notstand". Wir ersetzten das Wort "Notstand" durch den Begriff "lebenslänglich". Damit ist eine lebenslängliche Freiheitsstrafe gemeint. Der Text des Spiels ist grün wie die Hoffnung. Da wir diese haben, durch Nachdenken schlauer zu werden.

 

 

SPIELBEGINN

 

Szene: Ein Rechtsanwalt trifft seinen Mandanten im Gefängnis. Der Mandant hat einen anderen Menschen getötet, aus Notwehr, wie er selbst sagt. Der Richter hat nun das Urteil gefällt. Da der Mandant aus gesundheitlichen Gründen nicht am Prozessende teilnehmen konnte, teilt ihm sein Anwalt das Ergebnis jetzt mit. Der Mandant wartet schon ungeduldig, voller Hoffnung und Angst. Der Anwalt betritt den Besprechungsraum, worin sein Mandant ihn erwartet.

 

Mandant: "Und ??????"

Anwalt: "Lebenslänglich."

Mandant: schluckt, ist entsetzt, klammert sich am Tisch fest, weint.....

Anwalt: "Na jaaa, lebenslänglich ?" (Man beachte das Fragezeichen !)

Mandant: guckt irritiert, ist fix und fertig, kapiert nix, stößt einen kläglichen Laut aus.....

Anwalt: "Nee, doch nicht. Lebenslänglich - ist nicht. Der Richter hat Deiner Freilassung zugestimmt. Du bist unschuldig."

 

Die Reaktion des Mandanten überlasse ich Deiner Fantasie. Ich hoffe, der Arme hat sich nicht in Schwierigkeiten gebracht, weil er seinem Anwalt eine reingehauen hat. 

 

ENDE

 

 

Wie würden wir diesen Anwalt beurteilen ? Er hat falsch gehandelt, so falsch, dass er fehl am Platze ist. Er sollte sich grundlegend ändern. Oder lieber den Beruf wechseln. An diesem (überspitzten) Beispiel sieht man deutlich, wie bedeutungsschwer das Worthülsenspiel oft ist.

 

Aber Stadträte, sonstige politische Gremien bis hin zum EU-Parlament dürfen einen "Notstand ausrufen".

 

Einfach so.

 

Wieder etwas, das ich nicht verstehe.

 

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