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Abenteuertag auf Burg Stolpen

Treffen mit Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel

www.stolpen.de
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Am 7. Oktober war wieder Abenteuertag.

 

 

Diesmal waren wir auf Burg Stolpen. An einem sonnigen, bunt leuchtenden Herbstmontag.

 

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Diese umfangreiche, ca. 800 Jahre alte Festung hat eine lange, bewegte Geschichte. Sie diente als Wohnburg und strategische Verteidigungsanlage mit mehreren hintereinander gelegenen Burghöfen. Festungsuntergrund ist der harte Basalt. Man kann gut sehen, welche besondere Form dieser aus erkalteter Lava entstandene Stein bildet. Hier ist es sechseckiger Säulenbasalt. Als Baumaterial für die Burg wurde er teilweise auch eingesetzt.

 

Mehrfach wurde dieses wehrhafte Bauwerk belagert. Vor allem aber ist Burg Stolpen durch eine schöne, geheimnisvolle Frau und ihr Leben berühmt geworden: Anna Constantia Gräfin von Cosel (1680 - 1765).

 

Ihr wollen wir uns heute  besonders widmen und auf ihren Spuren wandeln.

 

Willst Du mehr über die gesamte Festungsgeschichte  und zu aktuellen Veranstaltungen auf Burg Stolpen erfahren, so findest Du das mit dem roten Button:

 

 

www.oldthing.de
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Wir betreten den ersten Burghof. Hier befindet sich auch der Burgbrunnen, eine große Zisterne. Wir laufen durch den Hof, über die kleinen Wiesen und schauen über die Burgmauer ins Land.

 

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Dann begrüßen wir in Gedanken Frau Gräfin von Cosel.

 

Diese schöne, gebildete und ehrgeizige Dame war viele Jahre die Mätresse Augusts des Starken, der sie später zur Reichsgräfin von Cosel ernennen ließ. Sie lebte an seiner Seite und hatte mit ihm drei Kinder. Auch politisch holte August ihren Rat ein, denn sie war eine kluge und erfahrene Frau. Zu seinem polnischen Königtum hatte sie ihre eigene Meinung. Sie glaubte, dass das Paktieren mit den polnischen Adligen nichts bringen würde und August sich auf dem Thron nicht würde stabilisieren können. Auch hatte sie als überzeugte Protestantin wenig übrig für Augusts Übertritt zum Katholizismus, was ebenfalls Polens wegen geschah. Sicher gab es zwischen den beiden Auseinandersetzungen über diese Themen, es kann gar nicht anders sein. Denn nur, wenn die Frau hier vorsichtig und folgsam geschwiegen hätte, wäre das zu vermeiden gewesen. Aber die Gräfin war keine Zurückhaltende.

 

Im Falle des Todes der Königin strebte die Dame Cosel danach, die Gattin des Herrschers zu werden. Aufgrund ihres im Vergleich zu August niederen Standes als Landadlige von Brockdorff  kam hier die morganatische Ehe in Frage. Das war eine kirchlich und gesellschaftlich sanktionierte Verbindung, wobei die Frau als "Frau zur Linken" galt. Sie war niemals ihrem Mann vom Stande her ebenbürtig. Aber ihre Kinder galten als rechtmäßige Nachkommen ihrer Väter. Auch, wenn für sie andere Erbregelungen galten. Ebenfalls die Versorgung der Familie musste geregelt werden. Das alles hatte sich Anna Constantia schriftlich geben lassen und gut verwahrt. 

 

 

Anna Constantia war sicher gut organisiert und hatte einen Plan für ihr Leben.

 

 

Nun ist so ein schriftliches Eheversprechen eines Herrschers nicht irgendwas. Es birgt politisches Potential, gutes und böses. So beeinflusst es politische wie militärische Bündnisse und auch die internen Regelungen des Herrscherhauses. Rechte können beansprucht werden oder auch nicht. Es ist kein Liebesschwur auf rosa Papier, sondern eine Staatsurkunde mit kompliziertem juristischen Sachverhalt.

 

Dieses Dokument nun hatte Frau von Cosel versteckt und verweigerte die Herausgabe an August. Dem war längst klar geworden, was er da in schwacher Stunde für einen Fehler gemacht hatte. Nicht mit der Frau. Aber mit seiner schriftlichen Willensbekundung zur Eheschließung mit derselben.

 

Der ganze Vorgang war der berühmte Tropfen, der ein sowieso schon randvolles Fass zum Überlaufen brachte.

 

Man kann davon ausgehen, dass August Anna Constantia geliebt hat, auf seine Weise. Aber irgendwann wurde sie ihm zu anstrengend, zu nervig und auch politisch zu störend. Sie musste weg, damit sie nicht noch irgend etwas Unberechenbares tun und seine Pläne stören konnte.

 

Es hatte sicher auch damit zu tun, dass er sein Auge auf eine neue Frau geworfen hatte, die die offizielle Mätresse werden sollte, die Polin Gräfin Maria Magdalena von Dönhoff. Diese war sicher eine bezaubernde Person und hatte den Reiz des Neuen. Das Ganze hatte noch einen anderen Hintergrund. Da August wieder König von Polen war, brauchte er auch eine polnische Mätresse. Das war gut für sein Ansehen in Polen und für die schwierige politische Situation dort. Zudem intrigierten einige der Cosel nicht eben wohlgesonnene Personen, so der Graf Flemming, Minister und Vertrauter des Kurfürsten und Königs August. Frau von Cosel selbst war so mancher Intrige scheinbar nicht abgeneigt. Sie konspirierte mit dem Kaiser Karl VI. in Wien und gab ihm Abschriften von geheimer Korrespondenz weiter. 

 

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Hier nur soviel: Die Gräfin wurde 1713 auf Ihr Gut Pillnitz verbannt. Von hier aus durfte sie sich nicht wegbewegen. August befürchtete auch, dass Anna Constantia einen Eklat in der Öffentlichkeit hervorrufen könnte. Indem sie die neue Mätresse beleidigte oder sogar angriff. Frau von Cosel war als gute Reiterin, Jägerin und Schützin bekannt. Eine ernstzunehmende Gefahr für die Dönhoff.

 

Aber Anna Constantia reiste 1715 nach Berlin, wahrscheinlich um das Schriftstück des Eheversprechens zu sichern oder zu holen ?! Jedenfalls wurde sie in Preußen verhaftet und zurück nach Sachsen gebracht, im Austausch zu in Sachsen desertierten preußischen Soldaten.. Die Reise wurde in Nossen für mehrere Wochen unterbrochen, da Anna Constantia schwer erkrankt war. Mehr dazu hier im Artikel über Schloss Nossen.

 

 

 

Am Weihnachtstag 1716 brachte man die unglückliche Frau auf Burg Stolpen, die eine Soldatengarnision und ungastliche Festung war. Zumal für eine solche Dame.

 

Getrennt von ihren Kindern Friedrich August, Friederike Alexandrine und Augusta Constantia (4, 7 und 8 Jahre alt), ihrem Zuhause. Und von August, den sie immer noch liebte. Hier auf Stolpen würde sie viele Jahre im Zeughaus und danach im Johannisturm wohnen. Zwei ihrer Kinder würden im jungen Erwachsenenalter vor ihr sterben. Aber das alles konnte sie an diesem Weihnachtsabend noch nicht wissen.

 

Das Tor schloss sich hinter ihr.

 

 

In dieser Festung sollte sie ihr weiteres Leben, immerhin noch 49 Jahre, verbringen.

 

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Begleiten wir die Gräfin in ihre Wohnung, den Johannisturm. Dieser wurde für sie zum Wohnen hergerichtet, nachdem ihr bisheriges Quartier im Zeughaus nach einem Blitzeinschlag abgebrannt war.

Die Tür ist offen. Wir können beruhigt hineingehen und uns umsehen.

 

Weil wir wissen, wir können jederzeit wieder hinaus. Turm und Burg verlassen. Ein Glück.

 

Frau von Cosel konnte das jahrzehntelang nicht. 

 

 

Es ist berührend, diese Räume zu sehen. Die Stufen, die sie tausende Male hoch- und runtergegangen ist. Hoffnungsvoll und froh gestimmt manchmal, resigniert und verzweifelt sicher oft, voller Sehnsucht nach ihren Kindern, schwankend zwischen Liebe und Hass zu August. Voller Erinnerungen, Freude und Schmerz.

 

Die Gegenstände. Bilder von ihr. Der Ofen, der wohl einmal einstürzte und sie dabei verletzte, so wird erzählt. Ein Bild von ihr aus besseren Tagen, als angesehene Frau der Gesellschaft bei einem sportlichen Spiel. Der kleine Toilettenerker am Schlafzimmer, wo es im Winter eiskalt war und immer zog. Von diesem traurigen Klo habe ich ein Foto gemacht. Ich zeige es hier aber nicht. Irgendwie kommt es mir vor, als würde ich Frau von Cosels Privatsphäre damit im Nachhinein verletzen. Also mache ich es nicht. 

 

 

Das Bett der Gräfin ist kleiner, vor allem kürzer, als man es sich vorstellt.

 

Wie viele Nächte sie da drin gelegen hat und stundenlang nicht schlief ? Auf den heulenden Wind, das Gewitterwüten, das Zirpen der Grillen, das Singen der Vögel, den Regen gehört hat ? Man weiß, dass sie große Angst vor Gewittern hatte. Weil in der Festung Pulver lagerte und sie Explosionen befürchtete. Ihr erstes Quartier war ja bereits durch Blitzschlag abgebrannt, also eine begründete Furcht, der Blitz könnte auch in die Pulvervorräte einschlagen und eine Katastrophe verursachen. Mehrfach hat sie um ein anderes Quartier gebeten, aber dem wurde nicht entsprochen. Sie blieb, wo sie war.

 

Sicher lag sie auch manchmal krank und hat sich aber immer wieder aufgerappelt. Ihr Lebenswille muss groß gewesen sein, immerhin wurde sie hier 84 Jahre alt. Mit der Zeit hat sie sich mit diesem Leben arrangiert. Man ließ sie im großen Festungsgelände spazieren gehen, sie legte sich einen kleinen Garten an. Sie bekam von August einen standesgemäßen Jahresbetrag, um davon für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Es solle ihr an nichts fehlen, so hatte er es gewünscht. Dabei war sie aber immer von der Willkür ihrer Bewacher abhängig.

 

Auch Übergriffen durch die Soldaten muss sie vereinzelt ausgesetzt gewesen sein. Man kann davon ausgehen, dass sich nicht immer jeder der Männer an einen ehrenhaften Umgang mit der berühmten Frau in Gefangenschaft gehalten hat. Ingesamt hatten sie sicher Angst vor Bestrafung, kann ich mir vorstellen. Aber für Anna Constantia war das bestimmt schwer auszuhalten alles. 

 

 

Auch las und korrespondierte sie viel. Sehnsüchtig muss sie auf Nachricht von der Außenwelt gewartet haben. Von ihren Kindern !  Von August. Immer die Hoffnung, dass er sie doch noch hier herausholte und es ihm leid tat.

 

Sie erhielt Briefe und später auch Besuche, auch von ihren Kindern. Wie muss das gewesen sein. Furchtbar stelle ich mir das vor.

 

Von August hörte sie nichts. 

 

 

Auch, als der König starb, ließ man die Gräfin nicht frei. Es war nicht wichtig, ob sie im Turm saß oder nicht. Vielleicht vergaß man sie so halb, außerdem wollte man keine Schwierigkeiten durch ihre Rückkehr in die Welt. Es war doch auch eine peinliche Sache, eine Person so viele Jahre ohne Gerichtsurteil einfach wegzusperren. Schließlich lebte man bereits in aufgeklärter Zeit, im 18. Jahrhundert.

 

Alles blieb so, wie es war. Aber die Gefangene eroberte sich ihr Leben, so gut es eben ging. Gutes Essen, Gartenarbeit, Spaziergänge, Briefe schreiben und empfangen, die Organisation ihres kleinen Haushaltes, das Sorgen für die Dinge, die sie brauchte.

 

Soweit ich weiß, hatte sie auch Bedienste, die sich um sie kümmerten. Sie war also nicht völlig allein. Auch widmete sie sich speziellen Studien, um sich sinnvoll zu beschäftigen. Zum Beispiel interessierte sie sich sehr für das Judentum und ist wohl im Alter noch konvertiert.

 

Aber das Festungstor blieb für sie geschlossen, sie war und blieb eine Gefangene.

 

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Der Klopfring an ihrer Tür:

 

 

Wir laufen durch die Festungsanlage und die verschiedenen Innenhöfe. Es gibt auch eine Folterkammer, Mannschaftsräume für die Soldaten, Wachstuben, Vorratsräume, die gefährlichen Pulverkeller. Und einen Amtsturm, in dem Steuern eingenommen wurden. Ich überlege mir, wie Frau von Cosel das letzte Lebensjahr hier verbrachte. Die Garnision war verlassen worden und verfiel, wahrscheinlich lebten außer ihr nur noch wenige Leute auf der Burg.

 

 

Im Burgcafé, wo man auf einer herrlichen Terrasse, heute in warmer Oktobersonne, sitzen kann, bleiben wir noch eine Weile.

 

Dann brechen wir auf und gehen durch die kleine Stadt Stolpen, bevor wir wieder heim fahren. Für diese große und aufwändig restaurierte Festungsanlage braucht man viel Zeit und vor allem Muße, will man sich alles richtig ansehen, verstehen und auf sich wirken lassen. Wir kommen wieder, auf jeden Fall. Und dann sind wir noch ein Stück vertrauter mit Anna Constantia, die uns schon zur fernen Freundin geworden ist.

 

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Wir empfehlen dazu ein Buch von Gabriele Hoffmann "Anna Constantia von Cosel - Geschichte einer Mätresse". Dieses Buch gilt als bestrecherchiertes Werk zum Leben der Gräfin. Ein Sachbuch, keine leichte Kost. Aber sehr aufschlussreich, an Fakten gebunden und kein Liebesschwurbel. Ich werde es auch wieder lesen.

 

Dann gibt es noch den Roman von Viola Roggenkamp "Die Frau im Turm". Ebenfalls sehr lesenswert.

 

 

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Auch der Maulwurf hatte einen fantastischen abenteuerlichen Tag in Stolpen. Er sieht doch zufrieden aus, stimmts ?

 

Und bald heißt es wieder: Abenteuertag ! Mal sehen, wohin wir Dich dann mitnehmen.....