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Chilenischer Riesenrhababer, Prinzengässchen und letzter sächsischer König

In Seifersdorf bei Dippoldiswalde

Blick auf Seifersdorf (Dippoldiswalde)
Blick auf Seifersdorf (Dippoldiswalde)

 

Geht man nahe der Talsperre Malter den Kirchweg von Paulsdorf nach Seifersdorf, kommt man am Gründel vorbei, einem kleinen Bachtal. Hier fließt der Oberseifersdorfer Bach, auch Gründelbach genannt.

 

1 Start am Parkplatz Seifersdorf Bad / 2 Gründel / 3 Kirche Seifersdorf mit Prinzengässchen
1 Start am Parkplatz Seifersdorf Bad / 2 Gründel / 3 Kirche Seifersdorf mit Prinzengässchen

 

Dort wächst aus mir nicht bekannten Gründen eine exotische Pflanze: der Chilenische Riesenrhababer. Richtig heißt sie Chilenisches Mammutblatt (Gunnera manicata). HIER haben wir die Beeindruckende erstmals besucht, doch seitdem ich sie entdeckt habe, schaue ich jedes Mal nach ihr, wenn ich in der Nähe bin. Wir sind sozusagen alte Bekannte und ich weiß, wo sie zu finden ist. Denn vom Kirchweg aus sieht man das Mammutblatt nicht, man muss schon ein Stück ins Gründel-Dickicht hinein. Diese Pflanze ist über zwei Meter groß, ihre riesigen, dicken Blätter sehen tatsächlich wie die des Rhababer aus. Die Blüten erscheinen mir wie dicke große Staubwedel. 

 

Dem Mammutblatt geht es gut; bald beginnt es seine Winterruhe und die überirdischen Pflanzenteile sterben ab. Jemand deckt die Pflanze immer den Winter über mit einer Plane ab - derjenige wüsste vielleicht auch was über die Herkunft des exotischen Gründelbewohners zu erzählen.

 

 

Im Frühling wachsen dann neue Mammut-Blätter, im Sommer kommen wieder die Bürstenblüten und im Herbst die Samenfrüchte. Der Staudenkreislauf des Lebens. Schön.

 

Chilenisches Mammutblatt
Chilenisches Mammutblatt

 

Am Ende des Kirchwegs ist - wen wundert das - eine Kirche; nämlich die von Seifersdorf (Dippoldiswalde). Da waren wir schon ab und zu; doch heute geht es um einen kleinen Weg, der in manchen Sommern fast unsichtbar ist, so dicht wächst er da zu.

 

Eine grüne Hinweistafel verrät dem aufmerksamen Betrachter, dass es sich hier um etwas Bemerkenswertes handelt.

 

Der kleine Schleichweg, der vom alten Pfarrhaus aus bis zur Dorfstraße führt, ist nur ein paar Meter lang. Doch er erlangte eine kleine historische Bedeutung und bekam einen eigenen Namen.

 

Es ist das "Prinzengässchen".

 

 

Prinz August, von dem hier die Rede ist, heißt mit vollem Namen Friedrich August Johann Ludwig Karl Gustav Gregor Philipp von Sachsen. Er kam am 25. Mai 1865 in Dresden zur Welt, gehörte zur Linie der albertinischen Wettiner. Er wurde als Thronfolger erzogen und später dann in dieser Richtung ausgebildet, befasste sich mit Politik, Geschichte, Verwaltung und Militär.

 

www.wikipedia.org
www.wikipedia.org

 

1904 bestieg er den sächsischen Thron. Damals wusste der Mann noch nicht, dass er, Friedrich August III., der letzte  König Sachsens sein würde. 

 

Vierzehn Jahre regierte der Monarch. Er war reformbereit und recht modern, aufgeschlossen, beliebt. Am 13. November 1918 dankte er ab; die Zeit der Könige war in Deutschland vorbei. Nun kam die Republik, die Demokratie sollte das Königtum ablösen und für eine modernere und gerechtere Staatsform sorgen. Friedrich August zog sich nach Schlesien auf Schloss Sibyllenort zurück und widmete sich nun den Dingen, die er so gern tat: reisen, jagen, wandern. Am 18. Februar 1932 war es, als Friedrich August III. unerwartet einige Stunden nach einem Schlaganfall starb. Da war er noch nicht sechsundsechzig Jahre alt.

 

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Und Seifersdorf? Ja: im Jahr 1891 kam Friedrich August, damals noch Prinz, auch mal nach Seifersdorf. Dort wollte er an einem Manöver teilnehmen und wohnte in dieser Zeit im hiesigen Pfarrhaus. Zum Essen ins Gasthaus ging er dann diesen kleinen Weg hinunter, der bis heute seinen Namen trägt.

 

Prinzengässchen in Seifersdorf
Prinzengässchen in Seifersdorf

 

Im selben Jahr, nämlich im November 1891, heiratete Prinz Friedrich August Luise von Toskana. 

 

Prinz Friedrich August mit Gattin Luise und den Kindern (1901) / www.wikipedia.org
Prinz Friedrich August mit Gattin Luise und den Kindern (1901) / www.wikipedia.org

 

Diese Frau, nun sächsische Prinzessin, führte ein sehr bewegtes Leben, wir haben HIER eine Annäherung an sie versucht.

 

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Wir streifen noch ein wenig durch die Umgebung des erlauchten Gässchens. Ein junger Mann sitzt mit dem Laptop auf den Knien vor der Hofseite des alten Pfarrhauses, wo einst Friedrich August nächtigte. Ein Prinz ist dieser Junge wahrscheinlich nicht, doch auch aus ihm kann etwas Großes werden. Wer weiß? Vielleicht hat das Prinzengässchen karrierefördernde Wirkung?! Ich entferne mich lieber schnell...

 

 

Es wird ihm, König Friedrich August III., nachgesagt, er habe nach seiner Abdankung im Herbst 1918 zu seinen Sachsen gemeint, sie sollen doch ihren "Dregg nu alleene" machen - belegbar ist diese Bemerkung nicht. Schön auch die Anekdote aus den 1920er Jahren, wo er in einem Gasthaus in Bad Elster auf die Frage, ob er nicht der König von Sachsen sei, antwortete: "Geenich ohne Sachsen."

 

Oder der Waldarbeiter, der dem bei der Jagd unterwegs seienden Exmonarchen erzählte, man habe ihn, den Waldarbeiter, wegen eines kleinen Holzdiebstahls aus seinem Job geschmissen. Friedrich August darauf: "Dreesdn Se sich, ich hab ni geklaut, und mich hammse och rausgeschmissn."

 

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Komm doch mal zum Prinzengässchen; es inspiriert auf jeden Fall.

 

Auf dem Kirchweg zwischen Paulsdorf und Seifersdorf
Auf dem Kirchweg zwischen Paulsdorf und Seifersdorf