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Frühling auf der Teufelskanzel

Die Freude lauert uns auf

Auf der Teufelskanzel, Annaberg-Buchholz
Auf der Teufelskanzel, Annaberg-Buchholz

 

An diesem ersten Märzwochenende des Jahres konnte man ihn sehen und fühlen - den Frühling. 

 

Sonne und Wolken wechselten sich hier in Annaberg-Buchholz, wo wir den Samstag verbrachten, ab. Oben auf der Teufelskanzel wehte ein leichter Wind. Erste Frühlingsblumen zeigen sich auch hier; die Vögel lärmen endlich wieder.

 

 

 

Diese freie Sicht, das Gehen durch diesen weiten Raum hier oben - das tut immer gut, finde ich. Besonders in dieser Jahreszeit, wo die Natur in den Startlöchern steht - oder schon längst losgerannt ist. Vieles spielt sich im Verborgenen ab. Ein Ameisenhaufen zum Beispiel, an dem Betriebsamkeit herrscht; die winzigen Knospen der Heidelbeerpflanzen, die schon bald ihre schönen kleinen Blüten tragen werden. Summende Insekten, ein paar Schmetterlinge, die grünen Spitzen an den Zweigen der Bäume und Hecken, die langsam sichtbar werden.

 

 

 

Alle wissen hier, was sie zu tun haben. Der Instinkt leitet sie. Niemals kämen Bäume oder Tiere auf die Idee, ihr Tun zu hinterfragen. Sie machen, sie sind, sie leben.

 

 

Aus der Ferne ist ein schwarz-weißes Etwas auf einem Steinhaufen nahe der Teufelskanzel zu sehen. Da der Böse hier nicht zu sein scheint, ist frohes Umherstreifen sehr gut möglich. Doch was ist das da auf den Steinen? Eine Katze kann es nicht sein; niemals würde sie sich so unbequem lagern, noch dazu ohne Publikum.

 

Beim Näherkommen entpuppt sich der Fund als mittelgroße Plüschkuh. Verwirrt guckt sie mich an, als ich sie aufhebe. An diese Stelle kann sie nicht gelangt sein, weil ein Kind sie verlor. Nein, hier hat niemand Gutes im Schild geführt. Der Kuhschwanz ist abgerissen, sonst ist sie unversehrt. Nachdem wir eine Weile nebeneinander auf der Aussichtsbank Richtung Stadt gesessen haben, nehme ich sie einfach mit. Keiner wird sie vermissen - denn mit etwas, das einem wichtig ist, geht man nicht so um. Niemand wird sie suchen, außer vielleicht derjenige, der ihr so übel mitgespielt hat und vielleicht sein doofes Spiel fortsetzen will.

 

Das soll ihm nicht gelingen.

 

 

Die Kuh reist mit uns am Ende eines schönen Tages heimzu. Jetzt ist sie sozusagen "vom Eis". Hier wird das Loch gestopft; dann wandert sie in die Waschmaschine. Jetzt, da ich dies schreibe, sitzt sie auf der Heizung und trocknet. Einen neuen Schwanz hat sie noch nicht, doch diesem Mangel wird in den nächsten Tagen abgeholfen werden. Schließlich soll die Schwarzweiße ja wieder komplett sein.

 

Dann bekommt sie auch einen Namen.

 

 

Die Freude lauert überall um uns herum. Sie bemüht sich, uns aufmerksam zu machen, uns abzulenken von Ärger, Trauer, Sorgen und verschiedensten Unsinnigkeiten. Sie hält soviel für uns bereit, dass wir dauernd über etwas Schönes stolpern, das wir nur bemerken und würdigen müssen. Sie will unseren Blick schärfen. Uns, die wir so hartnäckig die Augen zukneifen, wenn uns Glück begegnet. Doch die Freude gibt niemals auf.

 

Auch nicht an diesem Tag. Sie bietet zum Beispiel: den zarten Krokus, den emsigen Specht, den hohen blauen Himmel mit seinen geballten Wolken, die Frühlingsluft, die freie Sicht, den feinen Kaffee in der kleinen Bäckereifiliale im Supermarkt am Bahnhof, das gute Gespräch mit einer Freundin.

 

Und natürlich - die neue Kuh :-).