Abgereist

21. Februar 1933: Heinrich Mann verlässt Berlin

Berlin, Fasanenstraße 61: Wohnhaus von Heinrich Mann (1932/1933) / Foto: www.wikipedia.org
Berlin, Fasanenstraße 61: Wohnhaus von Heinrich Mann (1932/1933) / Foto: www.wikipedia.org

 

Heute vor 91 Jahren, am 21. Februar 1933, verließ der Schriftsteller Heinrich Mann, Bruder Thomas Manns, seine Berliner Wohnung in der Fasanenstraße 61. Nicht nur Berlin ließ er hinter sich, sondern Deutschland. Das Deutschland, in dem er als erfolgreicher Autor und anerkannter Bürger ein gutes Leben geführt hatte. Das Deutschland Hitlers, der nun Reichskanzler war und mit seiner NSDAP seit dem vergangenen Januar das Land beherrschte.

 

Heinrich Mann veröffentlichte unter vielen anderen Werken den Roman "Der Untertan", dessen Hauptfigur Diederich Heßling den meisten von uns sicher ein Begriff ist. Durch die Verfilmung seines Romans "Professor Unrat" mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle ("Der Blaue Engel") wurde der ältere Bruder Thomas Manns weltberühmt. Auch sein zweibändiges Werk über den König Henri IV, dass er schon im französischen Exil schrieb, wurde ein großer Erfolg. Bis heute werden Heinrich Manns Werke immer wieder gedruckt und gelesen.

 

"Als ich am übernächsten Tage, dem 21. Februar, wirklich abreiste, hätten Gepäck, Wagen und andere Anzeichen des versuchten Entkommens mich ohne weiteres ausgeliefert. Indessen trug ich nichts als einen Regenschirm – meinen letzten; Mr. Chamberlain zu Ehren habe ich mir ihn abgewöhnt. Zu Fuß ging ich nach der Haltestelle der braven, anonymen Straßenbahn. Keine unanständige Eile, den Zug nach Frankfurt zu besteigen! Es ist nur Frankfurt, meine Fahrkarte reicht nicht weiter, wer hat etwas dagegen. Mit meiner liebevollen Frau wandele ich auf und nieder, so viele Minuten noch fehlen. Dank ihrer Geschicklichkeit liegt der Rest meiner Habe glücklich im Netz. Sie möchte sprechen, schluchzt, unterdrückt die Schwäche. Vornehmlich wünscht sie uns ein schnelles Wiedersehen. Wann? Morgen? Vielleicht kehre ich erst übermorgen zurück. So sieht, will es scheinen, der Rubikon aus. Hinter dem verhängnisvollen Fluß, den ich wähle, liegt das Exil. (Heinrich Mann, Ein Zeitalter wird besichtigt / 11. Kap. "Der Weg aus dem Land"; Quelle HIER)

 

 

 

Für jeden, der eine andere Gesinnung hatte als diese neuen Machthaber und das auch äußerte, wurde es nun gefährlich. Heinrich Mann war so einer - er sah das und brachte sich noch rechtzeitig in Sicherheit. Erst kürzlich war er als Präsident der Sektion Dichtkunst bei der Preußischen Akademie der Künste entlassen und später in der Presse massiv angegriffen worden - die Lage spitzte sich auch für ihn zu in diesem Land.

 

"Abgereist" notierte er in seinem Kalender.

 

 

Kalenderblatt von Heinrich Mann, Kalender 1933 (https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Objekte/mann-heinrich-kalenderblatt-1933.html?single=1)
Kalenderblatt von Heinrich Mann, Kalender 1933 (https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Objekte/mann-heinrich-kalenderblatt-1933.html?single=1)

 

Über Frankfurt/Main und Straßbourg fuhr Mann zunächst allein nach Nizza, von wo er im Jahr 1940 in die USA emigrieren musste. Seine Frau Nelly, die ihm nach Frankreich gefolgt war, begleitete ihn auch nach Amerika. In ihre Heimat Deutschland sollten beide nie zurückkommen.

 

In Los Angeles wurde das Paar nicht heimisch; Geldsorgen drückten, Umfeld und Sprache waren fremd. Nelly beging 1944 Selbstmord; Heinrich starb in Santa Monica 1950 kurz vor seinem 79. Geburtstag.

 

Quelle: Deutschlandfunk/ 17.12.2019
Quelle: Deutschlandfunk/ 17.12.2019