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Die Kaninchen, die an allem schuld waren

"Es ist allgemein bekannt, dass ..."

"Kaninchen" / Ölbild von Rosa Bonheur (1822 - 1899) / www.meisterdrucke.de
"Kaninchen" / Ölbild von Rosa Bonheur (1822 - 1899) / www.meisterdrucke.de

 

James Thurber schrieb 1940 eine Fabel über die Kaninchen, die an allem schuld waren. Bis heute regt uns dieses Gleichnis zum Nachdenken an, schärft unseren Blick für das Geschehen um uns herum - vielleicht. Hoffentlich.

 

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Gerade dieses sich wiederholende "Es ist ja allgemein bekannt, dass ...." in der Fabel gleicht dem heutigen "Man weiß doch, dass ...", "In der Tagesschau habe ich gesehen, dass ...", "Der Gesundheitsminister hat doch zugesichert, dass ..." - oder, auch schön: "Die Wissenschaft sagt, dass ...". Ergebnisse solcher Informationsübernahme ist dann ein geistiges Schubladensystem, wo man Sachverhalte und auch Menschen nur noch einsortiert in nicht zu hinterfragende Schablonen.

 

Und da man mit Nazis ja bekanntlich als guter Mensch nicht spricht, wird man auch nie erfahren, ob es wirklich welche sind. Fatal.

 

Haarsträubender Unsinn wird über Politiker wie Frau Dr. Weidel geglaubt, Herr Dr. Maaßen ist ebenfalls "umstritten" und welcher Dreckkübel über Hubert Aiwanger voriges Jahr ausgekippt wurde, darin erinnern sich die meisten hier hoffentlich noch. Seltsam, dass Politiker anderer Parteien nachsichtiger beurteilt werden. Auch dann noch, wenn sie offensichtlich gravierende Fehler begehen, diese dann gleich wieder vergessen und danach so  weiter machen wie immer.

 

Nur wenige dieser Demonstranten "gegen rechts" haben wahrscheinlich je das Parteiprogramm der AfD gelesen und mal darüber nachgedacht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung aus Gesprächen der letzten Jahre mit Leuten, die sich eher links zuordnen. Auch derjenige, der wissbegierig und lernbereit ist, zieht oft diese Grenze, über die er nicht geht: man beschmutzt sich nicht mit "faschistischer Ideologie" - doch wo ist die genau?

 

Bis auf einige wenige kennt keiner dieser Urteilenden die Personen, über die er so genau Bescheid zu wissen glaubt,  genauer.

 

Frau Dr. Weidel wird schon mal als Faschistin, Nazischlampe oder Bitch bezeichnet. Wissen die Leute, die sich so äußern, welchen erfolgreichen beruflichen Werdegang diese Frau hinlegte, welche internationale Erfahrung und damit verbundenen Kontakte sie hat - wie gebildet und weltoffen sie ist? Ihre Reden im Bundestag sind immer intelligent, eloquent, auf den Punkt gebracht - doch Weidels Kritiker hören ja meist ihre Reden nicht.

 

Man kritisiert, dass diese Frau mit ihrer Familie in der Schweiz lebt - als deutsche Politikerin (Will sie etwa Steuern sparen? - usw.). Warum das aber wirklich so ist, versteht man nicht, weil man eben gar nichts wissen will von den Angriffen und Anfeindungen, die so eine Politikerin und ihre Angehörigen in unserem Land heutzutage ausgesetzt sind. Kein Kind, von dem offiziell bekannt ist, dass es zur Familie dieser hochrangigen  AfD-Politikerin gehört, wäre in Deutschland sicher, wenn es in die Schule oder anderswohin geht. Wer sich darüber informieren möchte, findet ein interessantes Interview MIT Frau Dr. Weidel, nicht nur über sie HIER.

 

Man sagte mir auch schon, es finde sich faschistisches Gedankengut im Parteiprogramm der AfD. Auf die Nachfrage, welche Textstellen denn da gemeint seien - keine Antwort. Gerne wird auch argumentiert, dass man keine Partei unterstütze, die "gegen Ausländer" und damit rassistisch sei. Der Hinweis darauf, dass die geäußerten Bestrebungen in den vorliegenden Programmen sich sämtlich auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes und des hier geltenden Rechts befinden - Achselzucken. Staunen darüber, dass die AfD eine so "bunte" Partei ist - in ihr findet man Menschen mit vietnamesischen, afrikanischen, osteuropäischen und sonstigen Wurzeln - alle eint der Wille, eine vernünftigere Politik für unsere gemeinsame Heimat zu machen. So wie eine junge Frau mit vietnamesischen Wurzeln namens Anna Nguyen, die kürzlich in den hessischen Landtag gewählt wurde - für die AfD.

 

Wenn keine Sachargumente zur Verfügung stehen, wird ausgewichen. Nicht ganz "geheuer" sei Frau Dr. Weidel, habe ich mal als Rechtfertigung gehört. Auf die Frage, warum denn genau, gibt es - wen erstaunt das noch - keine Antwort. Erscheinen Politiker wie Herr Habeck, Herr Scholz, Herr Lindner, Frau Esken, Frau Strack-Zimmermann, Frau Baerbock denn kompetenter, diplomatischer, sachlicher, strukturierter - mehr "geheuer"? Ich solle nicht so spitzfindig sein, höre ich - oder den Vorwurf: "Du bist ja wohl rechts, kein Wunder, dass Du die verteidigst." Auch ein Achselzucken zählt hier scheinbar als Antwort. Und natürlich der oben schon genannte Dauerbrenner: "Mit Nazis redet man nicht, mit deren Machenschaften beschäftigt man sich nicht. Für die interessiert man sich nicht." Meine Gegenrede, so würden doch auch sehr undemokratische Kräfte mit ihren Gegnern umgehen und sind mit ihnen umgegangen, gerade in der deutschen Geschichte ..., wird wieder als unpassend empfunden - da man das ja "nicht vergleichen" könne. 

 

Ok. Gucken wir lieber mal nach den Kaninchen von Herrn Thurber.

 

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Die Kaninchen, die an allem schuld waren

 

"Es war einmal - die jüngsten Kinder erinnern sich noch daran - eine Kaninchenfamilie, die unweit von einem Rudel Wölfe lebte. Die Wölfe erklärten, die Lebensweise der Kaninchen gefalle ihnen nicht. (Die Wölfe waren begeistert von der Art, wie sie selber lebten, denn das war die einzig richtige Art zu leben.) Eines Nachts kamen einige Wölfe bei einem Erdbeben ums Leben, und die Schuld daran wurde den Kaninchen zugeschoben, denn es ist allgemein bekannt, dass die Kaninchen mit ihren Hinterbeinen auf den Erdboden aufstoßen und Erdbeben verursachen.

In einer anderen Nacht wurde einer der Wölfe von einem Blitz erschlagen und schuld daran waren wieder die Kaninchen, denn es ist allgemein bekannt, dass Salatfresser Blitze verursachen. Die Wölfe drohten, die Kaninchen zu zivilisieren, wenn sie sich nicht anständig betrügen, und die Kaninchen beschlossen, auf eine verlassene Insel zu flüchten. Aber die anderen Tiere, die weit entfernt wohnten, beschämten sie, indem sie sagten: »Ihr müsst bleiben, wo ihr seid, und tapfer sein. Dies ist keine Welt für Ausreißer. Wenn die Wölfe euch angreifen, werden wir euch zu Hilfe kommen, aller Wahrscheinlichkeit nach.« So blieben die Kaninchen in der Nachbarschaft der Wölfe wohnen, und eines Tages kam eine schreckliche Überschwemmung, die eine große Anzahl Wölfe ersäufte. Daran waren die Kaninchen schuld, denn es ist allgemein bekannt, dass Mohrrübenknabberer mit langen Ohren Überschwemmungen verursachen.

Die Wölfe fielen über die Kaninchen her, zu ihrem eigenen Besten, und sperrten sie in eine finstere Höhle, zu ihrem eigenen Schutz. Als man ein paar Wochen lang nichts von den Kaninchen zu hören bekam, richteten die anderen Tiere eine Anfrage an die Wölfe, was mit ihnen geschehen sei. Die Wölfe erwiderten, die Kaninchen seien gefressen worden, und da sie gefressen worden seien, sei der Fall eine rein innere Angelegenheit. Die anderen Tiere drohten jedoch, sie würden sich möglicherweise gegen die Wölfe verbinden, wenn kein Grund für die Vernichtung der Kaninchen angegeben würde. So gaben die Wölfe einen an. »Sie versuchten auszureißen«, sagten die Wölfe, »und wie ihr wisst, ist dies keine Welt für Ausreißer.«

 

Moral: Gehe, nein, eile zur nächsten verlassenen Insel."

 

(James Thurber, 1940; Textquelle HIER)