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Hervorgeholt: "Bei großem Jammer greif`zum Hammer"

Mittags unterwegs: Schneegedanken, Fuchsjagd und Jammerfasten

Weidenkätzchen
Weidenkätzchen

 

Vor fast drei Jahren lag im Januar Schnee. Auch an einem dieser Wintertage  machte ich einen Spaziergang in der Mittagspause, genau wie heute. Frische Luft sollte meinen Kopf wieder klar machen, Körper und Geist neu in Schwung bringen. Wie war das damals so? Kleiner Rückblick zum 18. Januar 2021:

 

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Hoffnungsvoll mache ich mich auf den Weg - fast immer hilft eine Runde draußen gegen Müdigkeit, Einfallslosigkeit, Konzentrationsschwäche, evtl. vorhandene Grilligkeiten und - allgemeine Faulheit.

 

Ich gehe ein Stück übers Feld. Es liegt Schnee. Der Himmel hängt grau und selber etwas müde auf der weißen Schneedecke herum. Das ermuntert mich noch nicht, im Gegenteil. Ich denke an meine freundliche Bettdecke zu Hause... Es ist etwas windig, Schnee weht über das Feld und macht Dünenmuster. Im angrenzenden Wäldchen lärmen nur zwei Amseln vorsichtig herum. Sie wissen, dass sie auf den Frühling warten müssen. Wir auch. Manche Weidenkätzchen gucken schon ein Stück heraus.

 

Kann man vorsichtig lärmen? denke ich. Wahrscheinlich nicht. Man kann doch auch nicht vorsichtig schreien, aufgeben, lieben, sterben, sich in Abenteuer stürzen.....?

 

Ich habe gerade keine Lust auf Vorsichtsgedanken und gehe querfeldein. Dabei stelle ich mir vor, dass ich in ein paar Wochen in das noch kalte Wasser meines Lieblingssees eintauche..... Ein erfrischender, schöner Gedanke. Vielleicht scheint die Sonne dann, ein leichter Wind weht. Die Wassertemperatur liegt vermutlich so bei 13 °C, die Luft ungefähr zwei Grad darüber.... Bei dem Gedanken ziehe ich automatisch die Schultern hoch und laufe schneller.

 

Es ist sehr still, bis auf den Wind.

 

Fuchs und Hund  auf dem Schneefeld
Fuchs und Hund auf dem Schneefeld

 

Plötzlich kommt Leben in die etwas lahme Szene. Ein ziemlich großer Fuchs springt in wenigen Metern Abstand vor mir aus dem Gebüsch. Er rennt im Zickzack hin und her, um seinen Verfolger abzuschütteln. Das ist ein respektabler Boxer(hund), der sich alle Mühe gibt, seine rötliche Beute zu verfolgen. Aber hier ist der Fuchs klar im Vorteil, der hohe Schnee bringt ihm zusätzlich Glück. Der Boxer sinkt weiter ein, weil er schwerer ist (etwa ein Schwergewicht :-) ) und kommt langsamer voran als Reineke Fuchs. Allerdings wiegt der auch was und läuft nicht so schnell wie sonst wahrscheinlich. Trotzdem gelingt dem Fuchs die Flucht, der neugierige Boxer jagt ihm noch ein bisschen hinterher, dann gibt er auf und kehrt zurück.

 

Schließlich muss der Hund seine Besitzerin wiederfinden. Und sie ihn.

 

 

Warum der Fuchs Reineke heißt? Reineke ist die alte Koseform von Reinhart bzw. Reginhart. Und diese Namen bedeuten soviel wie "der Ratskundige" oder "der im Rat fest Seiende".

 

Auch ich trete den Rückweg an. Der Maulwurf macht noch schnell einen Schneeengel (in Maulwurfsform). Er sagt nichts. Vielleicht ärgert er sich ein bisschen, dass es nicht Reineke Maulwurf heißt....

 

 

 

In der Ferne liegen Tuttendorf und Conradsdorf am Berghang; mit ihren beiden Kirchtürmen von St. Annen (Tuttendorf) und der Dorfkirche Conradsdorf ganz oben, erkennbar an dem spitzen, hohen Kirchturm. 

 

 

Das sieht man  bei dem Wetter kaum. Aber ich weiß ja, dass das alles da ist. Du kennst das: was man weiß oder von dessen Dasein man überzeugt ist, das sieht man auch.

 

 

 

Und das trifft eigentlich auf vieles zu, Gutes und Schlechtes: Hexen im Wald, Gespenster im Schrank,  Verfolger im Park, unschöne Nasen, Pickel. Aber auch  blendende Eigenschaften eines neuen Partners, Erfolg bei neuen Projekten verschiedenster Art. Und diese Sichtweise ist meistens auch gut so. Sonst wird man entweder sehr leichtsinnig (wenn man nichts Negatives sieht) oder zum erfolglosen Jammerlappen (wenn man zu viel Negatives sieht), der auf recht unattraktive Weise seine Umwelt nervt und wenig auf die Reihe kriegt.

Außer Jammern und Meckern natürlich.

 

Apropos Jammern: Kürzlich las ich etwas über das sogenannte "Jammerfasten". Ja - das gibts wirklich. Gerade jetzt, zum Beginn eines neuen Jahres, nehmen Menschen sich etwas vor. Irgendwas Gutes. Zum Beispiel fitter, sportlicher, gesünder, besser, schlauer zu werden. Oder auch weniger zu jammern. Ein löblicher Vorsatz. Da sagt man sich dann: jetzt achte ich auf meine Worte, meine Gefühle. Und dann verbiete ich mir eine Zeit lang das Jammern, Klagen und Meckern. Und das Selbstmitleid, was dem zugrunde liegt.

 

Wahrscheinlich gibt es Leute, von denen dann erstmal so gut wie nichts mehr zu hören ist. Auch gut. Sie haben erkannt, dass sie etwas ändern müssen, sonst würden sie ja hemmungslos weiterjammern (wie so viele).

 

Die Idee des Jammerfastens stammt aus Belgien. Hier rief sie der Gesundheitsminister 2018 ins Leben, um mit einer positiven Lebenseinstellung mehr Lebensqualität für die Bürger zu erreichen:

 

 

Quelle: NEUE Vorarlberger Tageszeitung (https://epaper.neue.at/tribuene/2019/02/20/30-tage-ohne-jammern.neue
Quelle: NEUE Vorarlberger Tageszeitung (https://epaper.neue.at/tribuene/2019/02/20/30-tage-ohne-jammern.neue

 

Als ich später bei Google nach "Jammerfasten" suchte, um mehr zu erfahren, da fand ich auch was. Lustig war, dass mir, wie immer, auch einige Dinge zum Kaufen im Zusammenhang mit dem gegoogelten Begriff angeboten wurden.

 

Zum Beispiel ein Handbuch zum Jammerfasten, ein ziemlich teurer Universalhammer, Rundschlingen mit zwei Tonnen Traglast, Türknopfverriegelungen, Schnellkleber, Strassband zum Nähen und Dekorieren, auch einige Scherzartikel, Reparaturklebeband, ein Lavaperlen-Tigeraugen-Armband, ....... 

 

Was das alles mit Jammern oder dem Kampf dagegen zu tun hat, darüber lässt sich sehr amüsant herumspinnen ("Bei großem Jammer greif' zum Hammer!" Oder so.).....

 

Erlenkätzchen im Werden
Erlenkätzchen im Werden