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Nichtstun führt manchmal zum allerbesten Irgendwas

Am 1. Advent: Warum Pu der Bär weise ist

"Als ich Dich sah, wußte ich, dass es ein Abenteuer geben würde." sagt Pu zum Kaninchen / Bild: © Verlagsgruppe Dressler/Illustrator E. H. Shepard
"Als ich Dich sah, wußte ich, dass es ein Abenteuer geben würde." sagt Pu zum Kaninchen / Bild: © Verlagsgruppe Dressler/Illustrator E. H. Shepard

  

"Nichtstun führt oft zum allerbesten Irgendwas." meint Pu, der Bär.

 

Und wie an all seinen bärigen Bonmots ist auch hier was dran. Denn entgegen seiner eigenen Aussage, er sei ein Bär von geringem Verstand, hat er uns eine ganze Menge zu sagen. In zwei Jahren wird er schließlich hundert Jahre alt. Legendär ist dieser kleine Bär, der mit seinen tierischen Kollegen und dem Jungen namens Christopher Robin fantastische Abenteuer erlebt.

 

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Manchmal sollte man was tun und fleißig sein, manchmal aber auch nicht. Sich nicht unter Druck setzen, dahintreiben, träumen, trödeln, spinnen - das kann auch was bringen. Neue Ideen zum Beispiel. Muße.

 

Aber wie ist es damit? 

 

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Und weil es hier so gut passt, folgt das Lied "Busy doing nothing" aus dem Film "Christopher Robin" (2018):

 

 

Alles weist uns darauf hin, dass die eigene Zeit begrenzt ist. Dass wir sie nicht unbeachtet vorbeigehen lassen sollen, sondern sinnvoll nutzen. Etwas TUN. Man sagt auch, dass es "nie zu spät" sei. Damit ist gemeint, dass sich in vielen Lebenslagen etwas Gutes gestalten lässt. Man kann sich auch im Alter verlieben oder eine ganz neue und erfüllende Lebensweise finden, den Wohnort und den Job wechseln. Vielleicht wird es besser, als man es vorher je hatte.

 

Bestimmte Dinge lassen sich aber nicht nachholen. Bedauert man beispielsweise irgendwann, keine eigenen Kinder zu haben, so ist das, zumindest für Frauen, ab einem bestimmten Alter nicht mehr möglich. Man kann aber auch da Wege finden. Sich um vorhandene Kinder kümmern, die einen brauchen. Ehrenamtlich in der Diakonie zum Beispiel oder in erweiterter Familie oder Nachbarschaft. Männer haben es leichter, sie können sich eine jüngere Partnerin suchen.

 

Hat man beruflich Zeit in den Sand gesetzt, nichts oder nur wenig getan, um etwas zu lernen und voranzukommen, dann lässt sich das auch ändern. Immer. Man muss es wollen und ich sage nicht, dass es leicht ist. Sicher schafft das nicht jeder und sicher sind der Sache auch Grenzen gesetzt. Ein wenig Glück gehört immer dazu - wie bei allem.

 

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Ich weiß von einem Mann, der sich nach Jahren der Alkoholabhängigkeit endlich zum Entzug entschloss und - den auch schaffte. Eine harte Zeit.

 

Nach Monaten der Therapie und des wiederkehrenden Seins und Bewußtseins wollte der Mann  etwas Sinnvolles machen aus seinem Leben; etwas TUN. Er fand diesen Sinn in einer Erzieherausbildung, die er suchte, fand, machte und auch abschloss. Auch da unkten Leute wie immer: "Du, in Deinem Alter und mit dem Leben - Dich nimmt eh keiner mehr."

 

Und er? Hat drauf gepfiffen und es trotzdem gemacht.

 

Das ist nun schon vier Jahre her. Heute ist er sechsundfünfzig Jahre alt und arbeitet in einer Wohngruppe für Jugendliche, die als "schwierig" gelten. Und hier ist dieser Mann natürlich genau der Richtige. Er hat Erfahrung in diesem Leben, vorrangig nicht die gutartigen - sondern eher das Dunkle. Der ist nicht mit Drogen, Alkohol, Kriminalität und persönlichem Absturz zu erschrecken. Hat er alles schon gesehn. Und kann zuhören, verstehen, raten und helfen - auf Augenhöhe. Vor ihm braucht man sich auch nicht zu schämen. Wegen gar nichts. Außer dem Aufgeben natürlich ...

 

Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man am Boden liegt, keiner an einen glaubt und man total durch ist. Wenn man sich immer wieder als genau der Versager erweist, für den einen sowieso schon alle halten. Und er hat auch erfahren, wie man aufsteht und sich behauptet. Den Kampf aufnimmt, so oft verliert und doch am Ende gewinnen kann.

 

Und das auch dieses Ende nie das Ende ist.

 

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Das gibt Kraft, macht aber auch wachsam, demütiger, verständiger. Das macht stolz. Das zeigt einem selbst, dass die Möglichkeiten zur Veränderung immer da sind, nie alle werden. Und das kann jemand, der das selbst erlebt hat, viel besser vermitteln als einer ohne solche Erfahrung. Damit will ich nicht sagen, dass jeder gute Erzieher oder Sozialarbeiter erst selbst abhängig oder kriminell gewesen sein muss. Aber auch diese finsteren Erfahrungen können helfen, etwas Neues später besonders gut zu können: zu verstehen, zu verzeihen, geduldig und manchmal hart zu sein - das alles auszuhalten.

 

Zu wissen, das es immer irgendwie weitergeht und man meistens an einem anderen Tag stirbt. Nicht heute. Auch, wenn es sich manchmal so anfühlt.

 

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Es gibt die Zeit des Tuns und des Lassens - nie sollte man sich einer Seite davon ausschließlich widmen. Also?

 

Vielleicht willst Du heute auch noch ein bisschen nichts tun? Oder in den nächsten Tagen endlich "Christopher Robin", einen tollen Film von 2018 mit Ewan McGregor, anschauen... Ich sage Dir, das ist ein Film nicht nur für Kinder. Denn er enthält für uns alle viel Weisheit. Streaming bei Amazon; Trailer hier: