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Wärme

Gemälde von Paul Evans "The golden moon" / https://whitehorsegallery.co.uk/
Gemälde von Paul Evans "The golden moon" / https://whitehorsegallery.co.uk/

 

Mitte November haben wir jetzt. Spätherbst mit Regen, Nebel, Wind und früher Dunkelheit.

 

Bei uns fehlen derzeit die Nachtfröste noch fast ganz, so behalten die Bäume und Sträucher ihr buntes Laub länger, die Blumen in den Gärten blühen noch immer schön und die ganz dicken Jacken und Mäntel konnten bisher ungetragen bleiben.

 

So eine schöne und gemütliche Jahreszeit; hellblaue Sonnen- und grauschwere Regentage wechseln sich ab; langsam kommen die wärmeren Sachen aus den hinteren Teilen der Schränke nach vorn. Öfen und Kamine werden geheizt, Heizungen aufgedreht. Wohl dem, der ein warmes Zuhause hat, gute Schuhe und angenehme Kleidung. Nicht für jeden ist das selbstverständlich.

 

Bald kommt der Buß- und Bettag, gefolgt vom Totensonntag. Diese Feiertage zum Nachdenken, Bilanzieren und Erinnern müssen einen nicht traurig machen - im Gegenteil. Es steht doch fast  immer etwas auf der Plus-Seite, wenn man über Nicht-Gelungenes, Ungetanes und eigene ungute Werke nachdenkt oder sich an längst Vergangenes erinnert. Hat man Glück, dann erfreut man sich an dem Guten, dass man erlebte und lernt aus dem Schlechten, wie es besser werden, besser gemacht werden kann. Und man hat dieses "So-schön-wenn-der-Schmerz-nachlässt-Gefühl" nur dann, wenn es auch mal irgendwo heftig weh getan hat. Erfreut sich des gegenwärtigen Glücks, weil man auch schon wirklich unglücklich und beschissen dran war.

 

So deutlich ist das bei den einfacheren Dingen des Lebens. Wer niemals aus dunklen Kellern eimerweise Kohlen bis in die vierte Etage des Wohnhauses geschleppt hat und dann versuchte, ein eiskaltes Zimmer mit zugigen Doppelfenstern warm zu kriegen, wer nie Schlacke aus Ofenrosten kratzte und Asche in heißen Blechkästen aus Ofenlöchern heraus und später zur Mülltonne beförderte, wer nie mit kaltem Hintern auf der fast schon gefrorenen Brille eines Plumsklos saß - der kann es nicht so sehr schätzen, wenn heute mit einer Handbewegung das Thermostat der Heizung bewegt oder das warme Wasser in Wanne oder Dusche gelassen wird. Das alles ohne Aufwand, ohne Spektakel -  ohne Dreck, Gefahr und Anstrengung.

 

Schlüpfe ich heute in meine angenehmen Winterschuhe, von denen ich (als Frau) zum Glück mehrere habe, dann denke ich an die viel schlechtere Fußbekleidung früherer Zeit, die nassen Füße und Socken, das schnelle Frieren. Auch die warmen und doch leichten Jacken und Mäntel in verschiedensten Farben und Mustern, mit und ohne fellartigen Schmuck, sind so schön, dass ich kältere Temperaturen herbeisehne, um das alles endlich anziehen zu können. Ich gebe es zu - mir gefallen diese ganzen Arm- und Beinstulpen, Handschuhe, Schals und Wolltücher, womit man sich so gut wärmen und so schön schmücken kann. Einzig mit Mützen stehe ich auf Kriegsfuß, da ich eigentlich aufsetzen kann, was ich will - außer Kapuzen und breitkrempigen Hüten (wie die der Zimmerleute) steht mir davon nichts wirklich. Nur beim Wandern befindet sich eine zuverlässige "Notmütze" in meinem Rucksack; für Fälle wie den scharfen böhmischen Winterwind. Da ist es dann auch egal, wie man aussieht - was zählt, sind Wärme und Schutz.

 

Wärme und Schutz - nicht nur durch Mützen, Jacken, Schals, gute Schuhe; nicht nur in gut geheizten Stuben; nicht nur durch einen heißen Kaffee, Tee oder Punsch -  sind wichtig für uns.

 

Die Möglichkeit, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen; die Situation, mit sich selbst und seiner Umwelt im Frieden zu leben;  vielleicht die Hoffnung, von jemand anderem verstanden zu werden; das gibt uns eine gute Basis, sozusagen auch "innere" Wärme - so nötig jetzt in dieser Zeit.