· 

Talsperre Lehnmühle

... und das alte Dorf Steinbrückmühle

Talsperre Lehnmühle nahe Frauenstein (Erzgebirge)
Talsperre Lehnmühle nahe Frauenstein (Erzgebirge)

 

Am vorigen Wochenende waren wir an der Talsperre Lehnmühle; ein neuer Besuch nach vielen Jahren. 

 

Schon auf der Fahrt freuen wir uns auf ein in der Sonne liegendes schönes Gewässer, eine vielleicht geheimnisvolle  Aussicht zum Wald. Denn diese Talsperre wurde zum Hochwasserschutz und zur Trinkwasserversorgung der Dresdner und Freitaler Bürger gebaut. Ein kleines Wasserkraftwerk erzeugt mit einer 600-kW-Turbine Strom.

 

Da gibt es hier keinen Bade- und sonstigen Betrieb. Wer also auf etwas Einsamkeit hofft, der darf hoffen.

 

Infotafel vor Ort
Infotafel vor Ort

 

Nach schöner Fahrt über Nassau, Frauenstein, Reichenau und Hartmannsdorf erreichen wir das Tal der Wilden Weißeritz und suchen einen ufernahen Weg am Stausee entlang. Der auf der Karte anvisierte erweist sich als ausgewaschenes und mit dichtem Gestrüpp zugewachsenenes, sehr ungemütliches Gebiet. Also wenden wir uns in die Gegenrichtung, wo ein schöner, gut ausgeschilderter Weg Richtung Ammelsdorf und Körnermühle führt. Ganz gut eigentlich, nur ist das für uns heute die falsche Richtung. Denn dieser Weg führt am Rand des Weißeritztals flussaufwärts; also weg von der Talsperre. Doch wir wollen heute ans Wasser; deshalb kehren wir um, verlassen den wirklich sehr schönen Weg.

 

Um es kurz zu machen: nach einer halben Stunde durch Gebüsch, Heidelbeeren und Windbruch, dem Durchkriechen einer breiten Leitplanke und der erneuten Überquerung der alten Steinbrücke finden wir auf der Hartmannsdorfer Uferseite endlich so einen Weg. Aber so einen! Sehr kurz ist der, führt an eine Art kleinen Kiesstrand, von wo aus man wirklich einen guten Blick über den See hat. Verfolgt man den Pfad dann durch sumpfiges Ufergelände weiter, findet man einen sehr kaffeerohrgeeigneten Platz:

 

 

Bis man den Talsperrenbau 1932 fertigstellte und den Bereich zu fluten begann, lag hier das kleine Dorf Steinbrückmühle. Seinen Namen erhielt es von einer steinernen Brücke, die hier schon seit alter Zeit über die Wilde Weißeritz führte und die man noch heute sieht. Zinn- und Poststraße gingen über diese Brücke; heute ist es ein Stück der B171. 

 

Das Dorf Steinbrückmühle Anfang des 20. Jahrhunderts (Bild: http://2018.frauenstein-erzgebirge.de/index.php?id=738&no_cache=1)
Das Dorf Steinbrückmühle Anfang des 20. Jahrhunderts (Bild: http://2018.frauenstein-erzgebirge.de/index.php?id=738&no_cache=1)

 

Zweiter Namensgeber des kleinen Ortes war eine Mühle, die hier schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts stand. Um die herum siedelte man sich an; ca. 10 Häuser gab es hier. Auch einen Gasthof hatte man.

 

Wilde Weißeritz, vor dem Anstauen: Blick von der Steinbrücke flussaufwärts
Wilde Weißeritz, vor dem Anstauen: Blick von der Steinbrücke flussaufwärts

 

Im Jahr 1932 ergab sich durch ein plötzliches Wetterereignis die noch nicht geplante Flutung des Dorfes. Das war zwar schon zum Teil verlassen worden, doch einige Bürger wohnten noch da. Das Wasser kam, die Bedauernswerten rettete man mit Booten und sogar einem selbstgebauten Floß. Ich kann mir vorstellen, wie es ihnen gegangen ist. (Wieder mal bin ich froh, dass ich auf einem Berg und in der vierten Etage wohne und vor solchem Schicksal ziemlich sicher bin.)

 

Ganz hinten am Stauseeende sieht man die alte Steinbrücke.
Ganz hinten am Stauseeende sieht man die alte Steinbrücke.

 

Ein Augenzeuge von damals berichtet (Quelle HIER / DNN, 30.08.2018):

 

"Menschen werden evakuiert

Das erste Anstauen der Sperre begann deshalb mit einer Rettungsaktion, die der verstorbene Karl Fischer, ein Heimatforscher aus Hartmannsdorf, als Kind miterlebt hat und in seiner Lebensgeschichte „Memorial 20. Jahrhundert“ beschreibt. Seine Erinnerungen finden sich in der Ausstellung wieder: „Im Dorf und in der Schule sprach es sich wie ein Lauffeuer herum, dass sich draußen ein riesiger See gebildet habe und der stündlich näher an die Steinbrückmühle herankäme. Die Sache war insofern kritisch, weil noch Leute in den Häusern wohnten“, schreibt Karl Fischer. Er ließ seine Schulaufgaben liegen und eilte an die Talsperre. „Der Gasthof mit der angeschlossenen Kreher-Schmiede wurde schon eifrig evakuiert. [...] Viele Helfer schafften unermüdlich Mobiliar, Hausrat und allerlei Wertbeständiges aus den Häusern. [...] Aus der Schmiede war schon das Werkzeug, Hämmer, Zangen und allerlei Eisenzeug herausgetragen worden, denn darin hatte man noch bis vor einigen Tagen Hacken, Äxte und Schaufeln nachgeschmiedet, gehärtet, geschärft oder angeschliffen.“ Denn die Arbeiten an der Talsperre waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Eigentlich sollte sie erst im Sommer angestaut werden. Doch heftige Schneefälle und tagelanger Starkregen kamen dem planmäßigen Ablauf zuvor und erzwangen eine dramatische Hilfsaktion.

So kam es, dass Gastwirtin Hulda Jäpelt, die noch Arbeiter beherbergte, schließlich vom Wasser eingeschlossen war. „Wir, die am Ufer standen, sahen, wie sie nun mit einer Katze im Arm oben im ersten Stock zu einem Fenster heraus sah, offenbar nicht mehr bereit, den Gasthof zu verlassen.“ Mit einem selbst gebauten Floß konnte sie schließlich gerettet werden, zur Erleichterung aller Schaulustigen.

Nach dem Abklingen des Hochwassers im Frühjahr 1932 wurde die Talsperre wieder kontrolliert abgelassen, und die verbliebenen Häuser wurden abgerissen. Heute erinnern bei Niedrigwasser nur noch vereinzelte Mauerreste daran."

 

Die Lehnmühle im 20. Jahrhundert (Foto: https://commons.wikimedia.org/)
Die Lehnmühle im 20. Jahrhundert (Foto: https://commons.wikimedia.org/)

 

Die Talsperre selbst erhielt ihren Namen nach der Lehnmühle, die noch lange nach dem Anstauen des Gewässers im Trocknen unterhalb der Staumauer stand. Als Kind habe ich sie noch gesehen, die Lehnmühle, bevor sie später verfiel und schließlich abgerissen wurde.

 

Luftbild Talsperre Lehnmühle (Infotafel vor Ort)
Luftbild Talsperre Lehnmühle (Infotafel vor Ort)

 

Wer noch ein paar Details wissen möchte, findet diese hier in einem Faltblatt der Sächsischen Landestalsperrenverwaltung. Die Schönheit dieses ruhigen Ortes selbst lässt sich natürlich nur dort erleben ....

 

Talsperre Lehnmühle / Infoblatt (www.wasserwirtschaft.sachsen.de)
Talsperre Lehnmühle / Infoblatt (www.wasserwirtschaft.sachsen.de)