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Hervorgeholt: Die Welle

Wie geht Faschismus?

 

Es war im Jahr 1967, als Ron Jones, ein US-amerikanischer Lehrer an der Cubberley High School in Palo Alto / Kalifornien, mit seinen Schülern ein mehrtägiges Experiment machte.

 

Mr. Jones wollte, dass seine Schüler begriffen, wie Faschismus funktioniert, was beispielsweise in Deutschland passiert war. Wie sich Menschen unter bestimmten Bedingungen verändern und dann Dinge denken, sagen, wollen und schließlich tun, die sie früher für unmöglich gehalten hätten.

 

Offensichtlich hatte Ron Jones schon damals, nur 22 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, das Gefühl, dass seinen Schülern diese Gedankenwelt komplett fremd und fern war. Sie waren junge, aufgeklärte, freie Teenager in Kalifornien und hatten keinerlei Bezug zu faschistoidem Denken. Wirklich nicht? Deshalb dachte er sich ein Experiment aus, um sie zu erreichen und einzubeziehen. Faszinierend. Erschreckend. Erhellend in jeder Zeit, heute wieder besonders.

 

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1981 erschien ein Roman über dieses "Experiment, das zu weit ging" von Morton Rhue. Die meisten von uns kennen aber eher die Verfilmung von Denis Gansel mit dem grandiosen Jürgen Vogel in der Hauptrolle, als Lehrer.

 

Diesen Film, die Thematik der Entstehung von faschistischen Gesellschaften, möchte ich Dir heute hier empfehlen. Trailer findest Du gleich, streamen kann man "Die Welle" auf Amazon.

 

 

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Aber was bedeutet eigntlich Faschismus (Def. DUDEN HIER)?

 

Meistens denken wir dabei sofort an Deutschland 1933 - 1945 oder an Benito Mussolini in Italien. Viele Definitionsversuche gibt es. Vereinfacht kann man sagen: Das Wort "Faschismus" kommt vom italienischen Wort "fascio", was soviel wie "Bündel" bedeutet. Kleine Bündel als Abzeichen der Macht wurden im Römischen Reich von den Herrschenden getragen.

 

Faschisten sind also "einem Bund Angehörende", die führerorientiert sind, nach Macht streben und bestimmte Ziele auf undemokratische  Weise verfolgen. Das ist eigentlich der Kern. Welche Ziele verfolgt werden, darum geht es nicht - sondern um die Art und Weise, WIE das passiert: gewaltsam, rücksichtslos, egoman. Ich glaube, dass wir heute so gedrillt sind, bei Faschismus sofort an den deutschen Nationalsozialismus, vielleicht noch an Italien zu denken, dass uns nicht klar ist, was eigentlich faschistoides Denken ist. Das hat nichts mit Hitler oder der Judenverfolgung zu tun. 

 

Es ist der Anspruch, selber unbedingt recht zu haben und diesen Anspruch gegen andere mit allen Mitteln ohne demokratische Regeln durchzusetzen. Es gibt keine Kompromisse, sondern nur die Zugehörigkeit zur Gruppe oder die Zugehörigkeit zum Feind. Daraus entstehen totaltäre und diktatorische Gesellschaften.

 

Mit vielen, vielen kleinen Faschisten.

 

 

Es gibt ein Hörspiel zum Film, dass ich Dir hier am Beitragsende komplett angehangen habe, falls Du gleich loshören willst. Oder man liest den Roman von Morton Rhue, bestellbar online oder im Buchhandel vor Ort (ISBN-13 978-3473580088). Gibt's auch als E-Book. 

 

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Lehrer Jones, Jahrgang 1941, erklärte später, er habe viel aus diesem Experiment gelernt, schäme sich aber dafür und würde es niemals wiederholen ...

 

Lehrer Ron Jones, 2019 (Quelle: PR/Crime + Investigation/Getty/White, welt.de)
Lehrer Ron Jones, 2019 (Quelle: PR/Crime + Investigation/Getty/White, welt.de)

 

Und hier das Hörspiel zum Film: