How I get over

My soul looks back and wonders

How I got over

(Clara Ward / "How I get over)

"Meine Seele schaut zurück und wundert sich, wie ich das geschafft habe." heißt es in Clara Wards Gospelsong "How I got over".

Die meisten von uns haben schon Dinge hinter sich gebracht, von denen sie hinterher selbst nicht mehr sagen konnten, wie sie das gemacht haben. Geschafft. Ausgehalten. Überstanden. Überlebt.

Ausdrücken kann man die entsprechenden Gefühle beim Singen, Mitsingen oder Hören von Gospels, zum Beispiel. Diese mit Demut und tiefer Religiosität gepaarte Lebensfreude, die ausgedrückte Angst und Verzweiflung, die Sehnsucht nach Rettung, Frieden, Geborgenheit, Sicherheit; die Leidenschaft - das ist schon beeindruckend. Sicher für manchen gewöhnungsbedürftig, der spirituelle alte Gesang der schwarzen Sklaven in Amerika. Da wird gelacht, geweint, gefleht und geklagt, was das Zeug hält - kein Vergleich zu den eher ruhigen Gottesdiensten und meist wohltemperierten Kirchenliedern hier bei uns. Wobei ich gerade den Vortrag meine, denn der Inhalt ist durchaus ergreifend und teilweise dramatisch. Ich mochte schon als Kind Luthers Lied "Ein' feste Burg ist unser Gott" - eigentlich geeignet für Gefühlsbekundungen verschiedenster Art. Besser als das "ordentliche" Singen hätte mir es gefallen, hier die Gefühle rauslassen zu können, ganz wie beim Gospel, den ich damals noch nicht kannte. Die Bezeichnung 'Gospel' kommt von 'good spell', der guten Nachricht bzw. dem guten Sprechen.

Wie ich heute gerade darauf komme? Ich stieß letztens in Tharandt an der kleinen Bergkirche auf eine Konzertankündigung für den kommenden Mai. Es singen die "Gospel Passengers" aus Dresden. Ich bin neugierig und frage mich, ob mir das gefallen würde. 

Diese Kirche selbst ist ein guter und sehr schöner Ort. Sie wurde im 17. Jahrhundert auf den Resten der Tharandter Unterburg errichtet, denn hier oben auf dem langgestreckten Felsen stand seit ca. 1200 (1205 - 1207?)  eine Burg. Restaurierte Reste der Oberburg sind noch bzw. wieder vorhanden. Die berühmte böhmische Königstochter Zděnka lebte im 15./16. Jahrhundert hier, als sie Sachsenherzog Albrechts Frau und später seine Witwe war. Zděnkas Hochzeit mit Albrecht besiegelte 1459 den Vertrag von Eger und sicherte die sächsisch-böhmische Grenze, wie sie weitestgehend heute noch ist. Aus der böhmischen Prinzessin wurde eine sächsische Adelige, die sich nun Sidonie nannte.

Still, weiß, bescheiden und mit Bedacht geschmückt - so wartet die Bergkirche, die auch Heilig-Kreuz-Kirche heißt, oben auf dem Tharandter Burgberg auf ihre Besucher. 

Ich gebe zu, dass ich ein Vorurteil bei Soul und Gospel habe: es ist für mich eher eine Musik der Schwarzen. Sie können m. E. n. meistens auch besser singen und tanzen, deswegen gefällt mir die berühmte Clara Ward sehr. Weiße Gospelsänger kenne ich außer Elvis Presley (der sein Leben lang Gospel liebte und auch sang) noch nicht.

Doch wahrscheinlich sollte man es probieren und nicht gleich ablehnen, was man noch nie erlebt hat.