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In Wolkenburg (2)

Das alte Parkrestaurant

1912: Parkrestaurant Wolkenburg
1912: Parkrestaurant Wolkenburg
1923: ehemaliges Parkrestaurant Wolkenburg
1923: ehemaliges Parkrestaurant Wolkenburg

 

Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die Eisenbahn auch Wolkenburg: die Muldentalbahn fuhr von Glauchau bis Wurzen und kam nun hier vorbei. Bis 1877 waren alle Streckenabschnitte freigegeben. Der Wolkenburger Bahnhof befand sich auf der dem Schloss gegenüberliegenden Muldenseite. Parallel zur Errichtung der Eisenbahnstrecke hatte der damalige Graf von Einsiedel, m. E. n. Franz Detlef Johann,  eine Geschäftsidee: das Parkrestaurant; Ausflugsgasthaus und Sommerfrische. 

 

Eine kleine Treppe führte die ankommenden Ausflügler gleich vom Bahnhof aus direkt ins "Gräflich-Einsiedelsche Parkrestaurant". Hier gab es Erfrischungen und eine kleine Aussichtsplattform, von der aus man direkt auf Schloss Wolkenburg blickte. Manchmal wurde getanzt. Ein sehr schöner Platz, geeignet zum "Klebenbleiben".

 

Parkrestaurant Wolkenburg - Ansichtskarte von 1897 (www.ansichtskarten-lexikon.de)
Parkrestaurant Wolkenburg - Ansichtskarte von 1897 (www.ansichtskarten-lexikon.de)

 

Das Parkrestaurant bestand damals aus einem villenartigen Haus, einem daneben liegenden Tanzsaal und dem kleinen Nebengebäude auf dem Grundstück, sieht wie eine Art ehemaliger Kiosk oder Bootsschuppen aus - wer weiß.

 

Ein großer, von Eichen beschatteter Garten lud zum Sitzen ein. 

 

Parkrestaurant Wolkenburg mit Schlossblick (Ansichtskarte 1916 / www.vintage-antik-store.de)
Parkrestaurant Wolkenburg mit Schlossblick (Ansichtskarte 1916 / www.vintage-antik-store.de)

 

Die Reiselust der Bürger boomte Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland.

 

Viele Ausflugsrestaurants, Hotels, Pensionen, Aussichtspunkte und Denkmäler stammen aus dieser Epoche der deutschen Gründerzeit.  Man reiste durch eine Heimat, die die Menschen damals wie heute prägt und umgibt. Es war modern und reizvoll, am Wochenende neue Orte zu erkunden, einen schnellen Ansichtskartengruß zu schreiben und dabei weder viel Geld noch viel Zeit haben zu müssen. Nur viel Lust auf die Schönheit der eigenen Heimat gehörte zu diesen kleinen Unternehmnungen. Und Neugier. Liebe, Freude am Entdecken - so wie heute. Paare, Familien, Freunde, ganze Schulklassen und einzelne Abenteuerlustige machten sich auf den Weg. 

 

Nur mit der Eisenbahn kann man bis Wolkenburg nicht mehr fahren; nach den Schäden durch das Hochwasser 2002 wurde die schon vorher reparaturbedürftige Bahnstrecke endgültig stillgelegt. Schade.

 

Schloss Wolkenburg über der Zwickauer Mulde (Ansichtskarte 1900 / www.akpool.de)
Schloss Wolkenburg über der Zwickauer Mulde (Ansichtskarte 1900 / www.akpool.de)

 

Wir sind zum Parkrestaurant hingegangen, was zu Wolkenburg gehört und - wie schon gesagt - oberhalb der alten Bahnstrecke liegt.

 

Den alten Aussichtspunkt findet man sofort. Und auch das ehemalige Restaurantgebäude. Es ist schon längst kein Ort kulinarischer Freuden mehr, nach 1945 zogen hier die Gemeindeverwaltung und Büros der LPG ein, unter dem Dach waren Wohnungen. Schluss mit Tanz, Kaffee und Kuchen, Bier und Wein. Den Tanzsaal funktionierte man zur Turnhalle für Schüler um, die diesen Ort bis in die 1980er Jahre hinein nutzten. Dann riss man die baufällige Halle ab, es entstand ein kleiner, freier Platz. Der wird jetzt als Stellplatz für Wohnmobile genutzt. Mehr als zwei oder drei passen nicht hin.

 

Es gibt direkt vor dem Haus eine Bushaltestelle - man kann z. B. mit Bus 629 Richtung Narsdorf von Glauchau aus direkt bis hierher vor die Stufen des ehemaligen Restaurants fahren. Wo früher die Gartentische unter den Eichen standen, Musik erklang und die Kellner hin- und hereilten, da finden wir heute einen Mini-Rastplatz mit Überdachung.

 

Da sitzen wir im leichten Schneeriesel, trinken Kaffee aus dem Rohr, essen eine mitgebrachte Apfeltasche von gestern und denken über den Wandel der Zeit nach. Mit Blick auf das imposante Schloss Wolkenburg.

 

 

Jonny Flash (www.youtube.com/@johnnyflash601), ein "Sachse auf Achse", hat voriges Jahr ein Video über den verlassenen Bahnhof von Wolkenburg gemacht, wo man auch das Gelände des alten Parkrestaurants von oben durch die laublosen Bäume erahnen kann, am besten so bei 02:48: