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Hervorgeholt: Rosamunde

über die Kurzlebigkeit menschlicher Leidenschaften

Als Kind hörte ich das Lied  "Rosamunde". 

 

Der Refrain geht so: "Rosamunde, schenk mir Dein Herz und sag ja. Rosamunde, frag doch nicht erst die Mama. Rosamunde, glaub mir, auch ich bin Dir treu. Und zur Stunde, Rosamunde, ist mein Herz gerade noch frei." Falls Du es gleich hören willst, klicke unten auf den roten Button (Version mit Peter Alexander).

 

Darüber machte ich mir so meine Gedanken. Also, das mit dem Herz schenken war klar. Es ging um Liebe. Das war interessant. Die Mutter deshalb nicht fragen zu müssen, erschien mir auch besser. Vielleicht hätte sie was dagegen und dann wäre das gleich alles wieder nichts. Den Hinweis auf die eigene Treue, den sah ich damals noch nicht so als Problem, sondern nahm das als gegeben hin.

 

Was mich aber alarmierte, war die Aussage, das "zur Stunde" sein Herz gerade noch frei ist!

 

Ich versuchte, das zu verstehen. Da fand einer Rosamunde gut und fragte sie, ob sie mit ihm gehen wolle. Also musste er sich wohl Mühe geben, denn Rosamunde war ja sicher toll, wenn er so beeindruckt von ihr war.

 

Was sollte dann diese Drohung mit "zur Stunde gerade noch frei"?

 

Lief das etwa später in der Liebe immer so ab, dass man sich jetzt sofort entscheiden musste und nach  nur einer Stunde die Sache schon wieder ganz anders aussah, die Chance für immer vertan war?

 

Ich grübelte und fragte auch meine Oma, welche den Radiosender mit Volksmusik immer beim Kochen hörte und wo ich das aufgeschnappt hatte.

 

An eine zufriedenstellende Antwort kann ich mich nicht erinnern. Aus heutiger Sicht gesehen war das wohl auch zuviel von ihr verlangt.

 

***

 

Das erste Mal war ich im Kindergarten verliebt. Da war ich fünf Jahre alt, große Gruppe, klar. Das Objekt meines Interesses hieß Gerd. Gerd war genauso alt wie ich und hatte schwarze, strubbelige Haare und freche braune Augen. Wir spielten oft zusammen und fanden uns ganz gut. Streit gab es nie. Außerhalb des Kindergartens trafen wir uns nicht, weil er zu weit von mir weg wohnte. Wir waren dann in unseren Höfen und auf Plätzen in der Nähe unterwegs, aber eben mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft.

 

Ich wusste, wo Gerd wohnte. Selten einmal führte unser Weg meine Mutter und mich dort vorbei. Dann verrenkte ich mir den Hals nach seinem Balkon im ersten Stock des Hauses. Dieser Balkon trug eine schrille gelbe Plastikumrandung. Das gefiel mir. Wir hatten keinen Balkon, schon gar nicht so einen schönen. Gerd selber tauchte nie auf.

 

Nachdem unsere gemeinsame Kindergartenzeit zu Ende war, sahen wir uns nie wieder. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns verabschiedeten oder dass ich deswegen traurig war. Es war einfach so. Manchmal habe ich noch an ihn gedacht.

 

Später im Leben war ich noch oft verliebt. Zum Glück ging es nie um eine einzige entscheidende Stunde.

 

Oder doch. Und ich habe es nur nicht gemerkt.

 

Der Maulwurf war auch schon verliebt und weiß, wie das ist.