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Wir dürfen zahlen

Nichts ist umsonst

Die deutsche Führungsrolle in Europa / Marian Kamensky (www.toonpool.com)
Die deutsche Führungsrolle in Europa / Marian Kamensky (www.toonpool.com)

 

Korrektur: In der am 07.12.2022 20 Uhr veröffentlichten Artikelversion befanden sich veraltete statistische Angaben zu den Renteneintrittsaltern in der EU. Das wurde kurz darauf korrigiert.

 

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Gestern, am 06. Dezember 2022, hat das Bundesverfassungsgericht die deutsche Teilnahme am Corona-Aufbaufond erlaubt. Vor einem Jahr beschloss unser Parlament das, dann wurde dagegen geklagt. Leider vergeblich.

 

Wir "dürfen" also zahlen. "Aufbauhilfe" an andere, bedürftige EU-Staaten.

 

Wir sind Letzter.
Wir sind Letzter.

 

Deutsche Rentner treten heute mit 65 Jahren in den gesetzlichen Ruhestand, wenn sie den vollen Rentenanspruch haben wollen. Ab 2031 wird das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 67 Jahren hierzulande liegen. Wirtschaftsfachleute plädieren sogar für Arbeit bis 70 in Deutschland, was für einige Berufsgruppen nicht realistisch ist. Auch andere EU-Länder, z. B. Italien, haben das Renteneintrittsalter erhöht.

 

Nun ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn jemand gesundheitlich fit ist und sich seinen beruflichen Aufgaben auch weiterhin gewachsen fühlt. Und das gerne so machen will. Warum soll er dann nicht so lange arbeiten, wie er möchte und sich auch familiär so organisieren? Weitere Voraussetzung dafür aber ist, dass es genug Arbeitsplätze für die Jüngeren gibt.

 

Dass das längere Arbeiten ein staatlicher Zwang ist, weil sonst im Alter Armut in Form einer Grundsicherung droht, ist nicht akzeptabel. Erst recht nicht, wenn man damit die Schulden anderer EU-Staaten bezahlt.

 

 

Was ich jetzt als (deutscher) EU-Bürger falsch finde, ist folgendes: Wieso bindet man Wirtschaften und Sozialsysteme von so unterschiedlichen Ländern in der EU derart fest zusammen? Warum arbeitet man nicht in einem lockeren Verbund zusammen?

 

Man bildet ein festverzurrtes EU-Paket aus immer unselbständiger werdenden Einzelstaaten - das ist dann alternativlos, da nicht mehr rückgängig zu machen.

 

Dieses in 2020 beschlossene EU-Schuldenpaket (Corona-Aufbau-Hilfe) bedeutet, dass hauptsächlich die Deutschen zahlen. Und zahlen. Und zahlen.

 

Dafür können dann die italienischen Bürger steuerlich entlastet werden, während bei uns Steuern steigen. Die Ankündigungen für beides gibt es schon, was Deutsche nicht positiv stimmen dürfte. 

 

Wer jetzt glaubt, das ist alles nur populistischer Käse, der schaue sich die Statistiken an, denke darüber nach und ziehe seine Konsequenzen daraus. Nur, wenn wir denken und wissen, dann können wir auch richtig handeln.

 

Mein Eindruck ist, dass zu viele Menschen in Deutschland, wahrscheinlich in der gesamten EU, sich mit Europapolitik nicht beschäftigen. Sie denken: die da oben werden schon wissen, was sie machen. Deshalb gibt es noch zu wenig Gegenwehr. Auch weil die Tragweite der Entscheidungen eines EU-Beamtenapparates sicher nicht jedem klar ist. Hier gehts nicht um Abstraktes, um irgendwelche Zölle oder Maschinenrichtlinien.

 

Sondern das betrifft jeden Einzelnen von uns in seinem Leben in der Zukunft, in der EU.

 

siehe Eurostat: https://ec.europa.eu/eurostat/de/
siehe Eurostat: https://ec.europa.eu/eurostat/de/

 

Der Journalist Gabor Steingart schrieb dazu im Morning-Briefing vom 07. 10. 2020:

 

"Italien plant eine Neuverschuldung, die rekordverdächtig ist. Der bereits vom Kabinett verabschiedete erste Entwurf für den Haushalt 2021 sieht zusätzliche Ausgaben in Höhe von über 40 Milliarden Euro vor. Vorgesehen sind Steuersenkungen für Jahreseinkommen unter 40.000 Euro sowie Steuererleichterungen für Süditalien.

Für 2021 erwartet die Regierung ein Defizit von 7 Prozent. Damit steigt die gesamte Verschuldung von 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im vergangenen Jahr auf 158 Prozent in diesem Jahr. "

 

"Hinsichtlich der Finanzierung rechnet Rom damit, dass die Zusatzausgaben etwa zur Hälfte durch Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm finanziert werden können. Hier dürften Italien über mehrere Jahre rund 80 Milliarden Euro zufließen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Hauptfinanzier dieser milden Gabe ist die Bundesrepublik, die in letzter Instanz für die geplante Verschuldung der EU bürgt.

Fazit: Die von Olaf Scholz gewollte und auch von Friedrich Merz in Betracht gezogene Steuererhöhung in Deutschland und die Steuersenkung in Italien sind die zwei Seiten der einen Medaille. Oder wie die Briten sagen würden: There is no free lunch."

 

 

 

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Abschließend möchte ich Dir noch sagen, dass ich das Bild am Artikelbeginn nicht umsonst gewählt habe. Und ja, ich weiß - schon zum dritten Mal.

 

Die britische Politikerin Margareth Thatcher sagte 1990 zu den Großeuropafantasien des damaligen EU-Kommissionsvorsitzenden Delors ihr legendäres "No, no, no!". Aus heutiger Sicht hatte sie doch recht, oder?