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Hervorgeholt: Über böhmische Exulanten

Georgenfeld

Exulantenkirche Zinnwald-Georgenfeld
Exulantenkirche Zinnwald-Georgenfeld

 

Gestern waren wir wieder mal in der Gegend um Altenberg herum unterwegs. Ein Besuch beim Kleinen Lugstein, Streifen durchs deutsch-tschechische Grenzgebiet: Georgenfeld, Zinnwald, Cínovec.

 

Schon in Böhmen
Schon in Böhmen

 

Dabei kamen wir auch an die Exulantenkirche, die wir Dir hier im März 2021 vorgestellt haben. Ein Grund, mal in die Geschichte des besonderen Bauwerks zurückzublicken an diesem schönen ersten Wintertag im Jahr 2022:

 

 

Auf unserem Streifzug zu den Lugsteinen und durch deren weitere Umgebung stießen wir auf eine besondere Kirche. Klein, kompakt und festungsartig - wie eine alte Wehrkirche - steht sie den Wettern ausgesetzt auf dem Feld an der Teplizer Straße in Zinnwald-Georgenfeld.

 

So alt ist sie noch gar nicht, Baubeginn war 1906; geweiht wurde die Kirche 1909. Ein kleiner Friedhof umgibt sie. Die Kirche ist eine Exulantenkirche - das macht doch neugierig, oder? Wer waren diese Exulanten und warum bauten sie hier eine Kirche? Kleine Spurensuche ergibt Interessantes:

 

Der Prager Fenstersturz von 1618 (Bild: gemeinfreie Reproduktion)
Der Prager Fenstersturz von 1618 (Bild: gemeinfreie Reproduktion)

 

Im Dreißigjährigen Krieg, der 1618 begann, kämpften Protestanten gegen Katholiken. So auch in Böhmen, wo der Adel 1618 einen Aufstand gegen den Habsburger König und späteren Kaiser Ferdinand II unternahm und den Zweiten Prager Fenstersturz verursachte. Drei missliebige königliche Abgesandte wurden zum Fenster rausbefördert, fielen tief (nicht auf einen Misthaufen, das ist Legende), überlebten aber leicht verletzt. Wahrscheinlich aufgrund ihrer dicken Kleidung und der Kleinheit der Fenster, wodurch wohl der Schwung fehlte, so die Vermutung..... Auch schoss man ihnen hinterher, als sie flüchteten - traf aber nicht. Begründet wurde das mit dem am Fenster herrschenden Gedränge.

 

Damit begann der lange Krieg. In der folgenden Schlacht am Weißen Berg bei Prag unterlagen die böhmischen Protestanten den Habsburger Katholiken. In der Folgezeit wurden ihre protestantischen Glaubensbrüder und -schwestern aus Böhmen vertrieben, denn die bisher hier herrschende Glaubensfreiheit hatte der Habsburger Ferdinand II abgeschafft, als er hier die Macht übernahm. 

 

Böhmen wurde im Zug der Gegenreformation wieder katholisch. Wer nicht zum Katholizismus übertreten wollte, der verließ das Land. Floh oft nur mit dem Nötigsten und hinterließ Hab und Gut in der alten Heimat. Die Möglichkeiten zu Mitnahme oder Verkauf von Besitz waren gering oder gar nicht da. Über die Anzahl der protestantischen böhmischen Flüchtlinge herrscht keine Einigkeit, man spricht von 50.000 - 80.000 Menschen, vielleicht sogar mehr.

 

Neugeorgenfeld
Neugeorgenfeld

 

Böhmische Protestanten kamen im 17./18. Jahrhundert deshalb auch nach Sachsen. Nach Dresden oder in grenznahe Orte. Das heutige Johanngeorgenstadt zum Beispiel ist eine Gründung der Exulanten, die aus dem böhmischen Platten hierherkamen.  Auch nach Zinnwald kamen welche. Hier gründeten sie eigene Siedlungen: Alt-Georgenfeld und Neu-Georgenfeld. Später wurde auch eine Kirche gebaut: die Exulantenkirche von Zinnwald-Georgenfeld, der heutige Bau.

 

Gucken wir sie uns an. Leider war die Kirche zugeschlossen, deshalb habe ich die Bilder des Innenraumes mit Quellenangabe fremd entnommen.

 

 

 

Die Protestanten, die aus ihrer Heimat ins Exil gehen mussten, nannte man Exulanten ("außer ihres Landes Lebende"). Durch die Kriegsjahre und die Pest hatte die Bevölkerung europaweit sehr gelitten und war viel weniger geworden. Fürstliche Landesherren auch in Sachsen waren daher oft froh über den Zuzug fleißiger, friedlicher und steuerzahlender Menschen aus Böhmen, die etwas auf- und anbauten, selbst in die hiesige Gesellschaft passten. Die "schon länger hier Lebenden" nahmen die Exulanten meist freundlich auf und unterstützten sogar deren Neustart. Zum Beispiel mit gesammeltem Geld. Denn aus den schon genannten Gründen des Bevölkerungsschwundes wurde Zuwanderung dringend gebraucht.

 

Einige der Böhmen sprachen gut deutsch, manche hatten an deutschen Universitäten studiert, kannten Sachsen oder Brandenburg durch Ausbildung, Verwandschaft oder Geschäftstätigkeit. Die Exulanten waren in Glauben und Lebensart ähnlich den Aufnehmenden - eine wichtige Voraussetzung für ein Gelingen des Zusammenlebens, finde ich.

 

Das Wichtigste aber war sicher der Wille der "Neuen" zum Aufbau einer eigenen Existenz in der Fremde. Und dazu gehörte auch die Bereitschaft zur friedlichen Koexistenz mit denen, die sie aufgenommen hatten.

 

 

Exulantenlied (Auszug)

Joseph Schaitberger (Salzburger Exulant / 1658 - 1733)

 

Ich bin ein armer Exulant,

     also muss ich mich schreiben.

Man tut mich aus dem Vaterland

um Gottes Wort vertreiben.  

***

Ob mir der Satan und die Welt

all mein Vermögen rauben,

wenn ich nur diesen Schatz behalt:

Gott und den rechten Glauben.  

***

Wer dieses Liedlein hat gemacht

der wird hier nicht genennet,

des Papstes Lehr hat er veracht

und Christus frei bekennet.  

 

Quelle:  www.guenter-ofner.at