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"Tanzt Euch warm!"

Energie statt Sprüche

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Tanzen ist was Schönes. Egal, welche Art von Musik, egal, wie talentiert der Tänzer ist oder auch nicht - eine herrliche Art, sich auszuleben - wie auch immer. Nicht peinlich sein muss einem das alles, einfach lostanzen. Alleine oder mit anderen, in der Öffentlichkeit oder zuhause. Im schönen Tangokleid mit schicken Schuhen, in Arbeitsklamotten, in der Kittelschürze oder im Bikini. Oder die Profi-Ballerina mit Spitzentanz auf großer Bühne zu schöner Musik tanzend einfach nur anschauen.

 

Musik gibt es zum Glück überreichlich auf der Welt. Für alle ist was da: Vom Walzer des Johann Strauss und Foxtrott über die Blasmusik-Polka hin zu Pogo, Techno, Rock'n Roll, Salsa und Line Dance, Break Dance.

 

Großen Respekt habe ich vor energischen Personen wie meiner Schwägerin und meinem Schwager, die seit Jahren regelmäßig zum Tanzen gehen: zum Lernen, zum Üben, zum Zeigen. Auch sie haben im Alltag genug zu tun und könnten abends kaputt aufs Sofa fallen oder in Küche und Garage verschwinden. Vor verschiedenen Bildschirmen der Nachtruhe entgegendämmern. Aber sie raffen sich immer wieder auf. Und das hat sich gelohnt - ein gut eingespieltes Paar; auch auf der Tanzfläche.

 

Davon bin ich weit entfernt; ich tanze nur nach Gefühl, Lust und Laune. Man kann das alles machen, wie man möchte. Und, das will ich nur immer wieder sagen: es ist keine Bedingung, etwas gut zu können, um es gerne zu tun. Man muss es nur WOLLEN und MACHEN. Wobei es dann auch wieder stimmt, dass man das gerne macht, was man auch gut kann.

 

Soweit das Schöne. Und nun - nach Berlin.

 

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In der Hauptstadt  werden die Bürger derzeit von der Deutschen Oper Berlin eingeladen, sich unter professioneller Anleitung im Opernfoyer "warm zu tanzen". Weil es ja schließlich im Winter kalt werden wird und die Heizkosten durch die Decke gehen. Das ist ein Gratis-Angebot, allerdings (logisch) mit begrenztem Kartenkontingent. Sich impfen lassen für die Freiheit, sich warm tanzen gegen die Energiekrise, mit FFP2-Maske radfahren gegen die Überlastung der Krankenhäuser?

 

Ich bin auf diese Tanz-Aktion aufmerksam geworden, weil man sich im Ausland via Twitter über uns lustig gemacht hat, was denn nun schon wieder mit den Deutschen los wäre... Ich sah das Video bei der Nachrichtenagentur Reuters. Und ich finde das trotz der sicher gut gemeinten Grundidee peinlich und typisch für unser Land im aktuellen Zustand. 

 

Hast Du keine Kohle zum Heizen, dann tanz Dich halt warm..... Es trösten unsere Minister und der Bundeskanzler sich (?) und uns damit, dass es schon nicht so kalt würde und wir alle den Winter wohl überstehen werden; natürlich nur solidarisch, gemeinsam. Deutschland als Industrienation ....

 

Geschenkt.

 

 

Was ich darüber denke?

 

Wer im Winter wirklich frieren oder hungern muss, der ist eine ganz arme Sau. Das betrifft alles ja nicht nur jüngere und fitte Leute; sondern auch Alte, Kranke, kleine Kinder. Da helfen auf die Dauer auch die zwei Pullover von Herrn Schäuble nicht. Oder die warmen Gedanken, die man sich in solcher Situation immer machen soll. Oder die Foyertanzerei in Berlin jeden Samstag am Nachmittag.

 

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Wer voll arbeiten geht und dann noch auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, weil er nicht mal seine Strom- und Heizkosten aus eigener Tasche bezahlen kann, den muss man ein Opfer nennen. 

 

Ein Opfer der Regierungspolitik von Herrschenden, denen die eigene Ideologie und Agenda wichtiger sind als die Realität, als ihre eigenen Bürger. Wer sich selbst oder seine Mitmenschen unverschuldet in diese großen Schwierigkeiten geraten sieht, der kann sich zwar meinetwegen warm tanzen, wenn es hilft. Aber eigentlich hat er allen Grund, mit der Faust auf den Tisch zu hauen und endlich Lösungen von den Verantwortlichen zu verlangen.

 

Vom Tanzen allein verändert sich nichts. Auch wenn es einem kurz warm wird und es uns fröhlich macht - was gut ist - so ist es ein Sich-Arrangieren mit Notsituationen, die von anderen selbst geschaffen wurden. 

 

 

("Um warm zu bleiben und Heizkosten einzusparen, starteten die Deutschen eine Kampagne namens „Tanzt Euch warm“ („Bleib warm beim Tanzen“)")