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Burg Rechenberg (Erzgebirge)

Himmel, Stein und Oberlehrer

Bild 1 / Infotafel Burg Rechenberg: Gemälde  (17./18. Jahrhundert) der Burgruine mit Teich vor ihrem Abriss
Bild 1 / Infotafel Burg Rechenberg: Gemälde (17./18. Jahrhundert) der Burgruine mit Teich vor ihrem Abriss

 

An einem freien, sonnigen Novembertag machen wir uns auf nach Rechenberg, um etwas über die dortige Burganlage oberhalb der bekannten Brauerei im Ortskern des Dorfes zu erfahren. Trotzdem wir schon sehr oft hier gewesen sind, wissen wir rein gar nichts über dieses alte Bauwerk. Das - soll sich heute ändern.

 

Nur wenig ist noch erhalten von der einst sicher sehr imposanten Anlage. Der Teich, den es unterhalb des Burgfelsens gegeben haben muss, ist nicht mehr da. Hier verläuft jetzt eine Straße.

 

Wenig lässt ahnen, dass hier vor vielen Jahrhunderten eine der größten Wehranlagen des Erzgebirges mit einer Fläche von ca. 70 mal 150 Metern lag.

 

Von der Hauptstraße aus erreicht man mit wenigen Schritten das Rathaus mit seinem Vorplatz, von dem aus man einen guten Blick auf die Burgruine hat. 

 

Burgmauern auf dem Burgfelsen, 2022
Burgmauern auf dem Burgfelsen, 2022

 

1270 wurde die Burg Rechenberg erstmals urkundlich mit ihrem damaligen Besitzer Apitz de Rechenberg erwähnt. Diese steinerne Festung erbaute man um 1235 auf einer älteren Wehranlage der Riesenburger. Die Einheit bestand aus einer dreiteiligen Holzburg mit Wällen und Grabensystem und beschützte zu ihrer Zeit einen hiesigen Gebirgsübergang. Wann genau die Wehranlage, die heute "Schanze" heißt, erbaut wurde, das weiß man nicht. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand soll es um 1200 herum gewesen sein.

 

Die Burgmauern der Steinburg waren ca. zwei Meter dick und bestanden aus Bruchsteinen. 

 

Bild 2 / Infotafel Burg Rechenberg: Skizze der ursprünglichen Wehranlage mit Holzburgen, Wällen und Gräben
Bild 2 / Infotafel Burg Rechenberg: Skizze der ursprünglichen Wehranlage mit Holzburgen, Wällen und Gräben

 

Die umfangreiche Anlage diente zur Sicherung des Herrschaftsgebiets der böhmischen Hrabischitzer, nach ihrem Stammsitz auch Riesenburger genannt. Diese wurden von der Familie von Rechenberg unterstützt, waren wohl auch miteinander verwandt. Burg Frauenstein, damals im Besitz der Wettiner, lag nur einige Kilometer entfernt, hier mussten Ansprüche gegeneinander behauptet werden. Sachsen und Böhmen im Konflikt. Auch  ging der Weg von der böhmischen Riesenburg nahe dem Kloster Ossegg nach Sachsen hinein hier entlang.

 

Bild 3 / Infotafel Burg Rechenberg: Computeranimation des Westflügels der im 12. Jahrhundert erbauten Westburg. Ungefähr so sah sie aus.
Bild 3 / Infotafel Burg Rechenberg: Computeranimation des Westflügels der im 12. Jahrhundert erbauten Westburg. Ungefähr so sah sie aus.

 

Den Namen "Rechenberg" hat das Anwesen wahrscheinlich vom Wappen der Hrabischitzer, das einen Heurechen zeigt.

 

Wappen der Hrabischitzer (https://dewiki.de/Lexikon/Hrabischitz)
Wappen der Hrabischitzer (https://dewiki.de/Lexikon/Hrabischitz)

 

1398, und zwar am 04. Februar, einigte man sich; ein Wettiner, der Markgraf von Meißen, kaufte die Herrschaft Rechenberg von dem Hrabischitzer Borso VI.  für 40.000 Silbertaler. Später saß für 150 Jahre die berühmte sächsische Adelsfamilie von Schönberg auf Rechenberg.  Wir kennen die von Schönbergs zum Beispiel von Schloss Purschenstein und Schloss Reichstätt..

 

Caspar VI. von Schönberg war es auch, der 1558 die Rechenberger Brauerei gründete.     

 

Im 14. und 16. Jahrhundert fanden umfassende bauliche Veränderungen statt;  Burg Rechenberg wurde Kammergut und besaß Ländereien bis nach Hermsdorf, Moldau und Grünberg. 1586 brannte die Burg aus. Brandursache soll der unachtsame Umgang mit Licht gewesen sein ...

 

Bild 4 / Infotafel Burg Rechenberg: Grundriss des Burggeländes
Bild 4 / Infotafel Burg Rechenberg: Grundriss des Burggeländes

 

Nach diesem zerstörerischen Brand baute man die Burg nicht wieder auf; 1655 stürzten der westliche Turm und die dortigen Mauern ein. lange Zeit stand die Ruine auf dem Felsen oberhalb der Mulde, ehe man die Reste abtrug und die Freifläche auf dem Felsen einebnete. Das war 1840. Die Steine wurden anderweitig verwendet, den Abraum schüttete man in den Teich unterhalb des Felsens.

 

Eine Zeitlang, wohl Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts, stand ein kleiner Aussichtspavillon oben auf dem westlichen Burgberg. Längst ist er verschwunden. Ich habe eine alte Ansichtskarte gefunden, wo er ganz winzig zu sehen ist:

 

 

Alte Ansichtkarte mit Pavillon auf dem Burgfelsen (www.akpool.de)
Alte Ansichtkarte mit Pavillon auf dem Burgfelsen (www.akpool.de)

 

 

2003 wurden die Mauerreste der Burg saniert.

 

Blick auf die Rückseite der ehemaligen Burganlage, aus Richtung der Wettiner von Frauenstein kommend.
Blick auf die Rückseite der ehemaligen Burganlage, aus Richtung der Wettiner von Frauenstein kommend.

 

Seit 1969 steht das Burggelände unter Bodendenkmalschutz. Wenn man sich vorher ein wenig mit der Burggeschichte beschäftigt hat und danach durch das Gelände läuft, versteht man den früheren Aufbau der Anlage ganz gut. Laut Infotafel gab es hier bisher noch keine archäoloigschen Grabungen. Wer weiß, vielleicht liegt irgendwo ein Schatz vergraben?

 

Bild 5 / Infotafel Burg Rechenberg: Kennzeichnung der Burganlage auf einem Foto
Bild 5 / Infotafel Burg Rechenberg: Kennzeichnung der Burganlage auf einem Foto

 

Die schon genannte und sehr anschauliche Infotafel des Dresdner Landesmuseums für Vorgeschichte steht vor den Burgresten am Rathaus. Da habe ich die Bilder 1 - 5 "abgekupfert". Hier wird auch auf Herrn Prof. Dr. Gerhard Billig verwiesen, der sich um die Erforschung der Burggeschichte verdient machte.

 

***

 

Aber nun ein Blick auf den Ort der Wehranlage. Auf dem Felsplateau, das auf der Karte / Bild 4 mit "Innenraum" gekennzeichnet ist, findet man heute eine kleine Hütte. Die Aussicht ist fantastisch, noch dazu an so einem Tag. Auch auf die Kirche hat man einen guten Blick.

 

 

Ein schönes Detail ist der Burginfotafel zu entnehmen. Schon oft staunte ich im Frühsommer über den Burgfelsen in Rechenberg.  Weithin leuchtet er immer in dieser Jahreszeit in strahlendem Gelb. Das liegt daran, dass hier in Unmengen das Steinkraut Allysum wächst. Das ist kein Zufall und eine örtliche Besonderheit. Woanders in der hiesigen Gegend habe ich das so noch nicht gesehen. Die Infotafel verrät, das im Jahr 1881 ein gewisser G. A. Naumann den Felsen mit den Samen dieses Steinkrautes besäte. 

 

Das hat er gut gemacht. Denn noch heute, fast 150 Jahre später, erfreuen wir uns an seiner Idee. Das nenne ich nachhaltig. Mehr solche freundlichen Einfälle wünsche ich mir in heutiger Zeit - viel besser ist das,  als sich an Kunstwerke oder auf Straßen zu kleben oder die Entfernung von Bibelzitaten an historischen Gebäuden zu diskutieren. 

 

Steinkraut Alyssum (Foto: https://nr-01.de/de/steinkraut/felsen-steinkraut-summit-groer-topf-alyssum-saxatile)
Steinkraut Alyssum (Foto: https://nr-01.de/de/steinkraut/felsen-steinkraut-summit-groer-topf-alyssum-saxatile)

 

Der einfallsreiche Allysum-Säer G. A. Naumann (1854 - 1934) war Oberlehrer und Schulkantor in Clausnitz und später in Rechenberg. Er liebte diese Gegend, in die er nach seiner Lehrerausbildung 1875 gekommen war.

 

"Einen ganz besonderen Reiz und eine außerordentliche  Anziehungskraft übte auf mich das im oberen Tale der Freiberger Mulde herrlich gelegene Rechenberg aus ..." schreibt er 1929 (Zitat Chronik s. u.) Damit widersprach er auch den Vorurteilen, die seine Kommilitonen über seine Entsendung in diese ihrer Meinung nach ungastliche, raue Gegend geäußert hatten.

 

Als G. A. Naumann im Ruhestand war, begann er endlich, eine Chronik über Rechenberg-Bienenmühle und Holzhau zu schreiben. Etwas, was ihm sehr am Herzen lag, wofür ihm sein Lehrerberuf aber nie Zeit ließ.

 

Falls Du diese Chronik lesen willst, findest Du den Link mit dem roten Button am Artikelende. Da ich sie auch heute erst gefunden habe, kenne ich ihren Inhalt leider noch nicht und kann hier nichts beitragen.

 

***

 

Wie der ehemalige Lehrer auf die Idee mit dem Alyssum kam, warum es gerade gelb sein sollte und was seine Zeitgenossen dazu meinten - das weiß ich nicht.  Doch das schöne Kraut hat ihn lange überdauert und noch heute erinnert es uns an diesen klugen und heimatliebenden Mann. 

 

Auf dem Kräuterpfad hinter der "Schanze"
Auf dem Kräuterpfad hinter der "Schanze"

 

Hinter der "Schanze" führt ein Kräuterpfad unterhalb des in Richtung Nassau / Frauenstein gelegenen Waldes entlang. Einer meiner Lieblingswege, seit vielen Jahren. Zu jeder Jahreszeit und ich kann sagen, ja, bei jedem Wetter und in verschiedenster Stimmung war ich hier schon. In Hitze und Kälte, bei Regen, Schnee und Wind, im Sonnenschein. Mit Familie und alleine. Froh oder traurig. Je nach Jahreszeit zeigt die Landschaft ein anderes Gesicht. Immer ist es schön, auch in tiefhängenden Nebeln.

 

Heute strahlt der Himmel blau, von typischem Novemberwetter keine Spur. Um so besser. Über den Kräuterpfad führt der Weg nach Holzhau zum Schanzenweg. Endlich ist mir verständlich, warum er so heißt, wegen der Burganlage, der "Schanze".

 

Weiter geht es. Am Bahnhof wird unser Zug nicht warten.

 

 

Was für ein Tag!

 

Dazu passt Georg Friedrich Hebbels kleines Gedicht:

 

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!

Die Luft ist still, als atmete man kaum,

und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,

die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!

Dies ist die Lese, die sie selber hält;

denn heute löst sich von den Zweigen nur,

was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. 

 

Mit Zug "Esther" fahren wir heim.
Mit Zug "Esther" fahren wir heim.