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Hervorgeholt: Promenadenmischung

Vom Glück, in der richtigen Schachtel zu sitzen

Heute am 10. Oktober ist Welthundetag. Da passt besonders gut diese Geschichte von Nora. Los geht's:

 

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Straßenhund, Foto von Sandeep Handa / www.pixabay.com
Straßenhund, Foto von Sandeep Handa / www.pixabay.com
Prinzessin Nora
Prinzessin Nora

 

Hier siehst Du zwei schöne Hunde. Das erste Bild zeigt einen Straßenhund. Das zweite ist mein Lieblingshund Nora, den wir früher zu Hause hatten.

 

Nora haben wir wie ein Menschenkind mit der Flasche aufgezogen, weil sie im Alter von drei Tagen die Mutter verloren hatte. Dieser kleine Hundewelpe war so groß wie ein Hamster. Der Schwanz hatte Größe und Aussehen eines abgebrannten Streichholzes. Ihretwegen durfte ich, gerade zwölf Jahre alt, in der Hofpause von der Schule nach Hause rennen, dem Hundebaby die Flasche geben und dann schnell zurückkommen. Meine damalige Klassenlehrerin Frau F. war ebenfalls Hundebesitzerin und sehr verständnisvoll. Nora war bald ein vollwertiges Familienmitglied.

 

Den Straßenhund kenne ich nicht.

 

Beide gezeigten Hunde sind Mischlinge. Das heißt, sie gehören nicht zu einer der vom Dachverband FCI anerkannten 390 Rassen, die von Menschen gezüchtet werden. Diese Zahl ist nicht in Stein gemeißelt, sondern wächst. Es kommen immer wieder neue Rassen dazu. Sicher fallen auch mal alte Rassen weg, weil sie wegen mangelnder Nachfrage nicht mehr gezüchtet werden. Auch Hunderassen unterliegen der Mode. Man erinnere sich an Dalmatiner und Collies.

 

Mischlingshunde sind oft gesünder, robuster und psychisch stabiler als so mancher Rassehund.

 

Werden doch bei Erreichung bestimmter Rassemerkmale aufgrund des Zuchterfolges Kompromisse gemacht. Ich erinnere an die Hüftdysplasie des Schäferhunds, die tränenden Augen mancher Bulldogenrasse, die Atemschwierigkeiten von kurzschnauzigen Hunden wie dem Mops, die zu Entzündung neigenden Ohren des Cockerspaniels, die Wirbelsäulenerkrankungen des Bassetts, den Nackthund insgesamt und, und, und.....

 

Das heißt wieder nicht, das alle Rassehunde krank oder gestört sind. Du verstehst schon, wie ich das meine.

 

Gekaufte Grußkarte
Gekaufte Grußkarte

 

Genau so ist es auch mit der Herkunft. Das betrifft Mensch und Tier. Bei Menschen geht es oft um die gesellschaftliche Schicht, aus der jemand kommt und um den sogenannten Migrationshintergrund.

 

Bei Tieren um die "Rasse" und vielleicht einen renommierten Züchter oder ein Herkunftsland.

 

Es kommt drauf an, in der "richtigen Schachtel" zu sitzen. Das gleiche Individuum wird als schön, gut und wertvoll wahrgenommen. Oder eben nicht.

 

Eins stimmt an der Kükenmetapher auf dem Bild oben meiner Meinung nach nicht. Die Kuschelküken wären real zehnmal so teuer wie die Futterküken. Weil eine Redewendung sagt: "Was nichts kostet, ist auch nichts wert."

 

Das heißt, etwas hat den Wert, der ihm zugemessen wird. Vom Betrachter. Jemand / etwas wird wertvoll, wenn ich es so betrachte.

 

Wir hatten früher immer Hunde zu Hause; Mischlinge und Rassehunde. Für uns machte das keinen Unterschied. 

 

Beim gleichen Hund, analog zu den gleichen Küken oben in den Kisten, konnte ich folgende Erfahrung machen, ungezählte Male, schon als Kind:

 

Wurde man nach der Rasse seines Tieres gefragt, machten das die Leute aus wirklichem Interesse, weil sie fanden und auch laut sagten: "Das ist aber ein schöner Hund".

 

Erfuhren sie, das es "nur" ein Mischling sei, merkte man bei den meisten abflauendes Interesse. Es war eben auch nur so ein Köter wie Nachbars Harras oder Tante Giselas Struppi. Auch wenn er vielleicht besser aussah und sich gut benahm (nicht immer).

 

Hörten die Leute aber, es handele sich hier um ein seltenes Exemplar einer besonderen Hunderasse, z. B. um einen Australischen Fuchshund, der mit dem Dingo verwandt sei, guckten sie ehrfürchtig auf diesen Ausbund an Schönheit und edlem Betragen. Da wurde auch mal ein Fehler verziehen, der den Mischling sofort für alle Zeit zum Köter degradiert hätte.

 

Deshalb logen wir manchmal einfach bei den Angaben zur Hundeherkunft, weil das mehr Spaß machte. Außerdem wollte ich meinen schwesterngleichen Hund nicht der Verachtung anderer Menschen aussetzen, das war echte Solidarität. Wir erfanden einige ausgefallene Hunderassen für Nora und trugen die Namen offenbar sehr überzeugend vor, denn uns wurde geglaubt. Ich hoffe, man wird mir hier verzeihen. Da waren unter anderem:

 

  • der Australische Fuchshund (robust, schlau, furchtlos, Schlangenjäger)
  • der Rote ungarische Hütehund (verantwortungsbewusst, kräftig, wehrhaft)
  • die Schwedische Fuchsbracke (ausdauernder Jagdhund, kälteunempfindlich)

 

Ketzerisch dachte ich mir damals schon, dass offensichtlich Menschen ja nicht wie z. B. Hunde oder Pferde nach Aussehen, Eleganz, Klugheit, Jagderfolg, Mut oder sonstiger guter Eigenschaften gezüchtet würden. Oder ob sie durch irgendeine Tür passten, wie beispielsweise der Dackel in den Fuchsbau.

 

Dafür gab es einfach zu viele Doofe, Hässliche, Feige und Fette. Und welche, die überhaupt kein Benehmen hatten.

 

Schlimmstenfalls waren alle Eigenschaften in einer Person vereint, die dann auch noch Plattfüße, Hasenzähne, eine große Klappe und in Mathe eine 5 hatte. Und die meinen schönen, klugen und wohlerzogenen Hund abfällig betrachtete und sagte: "Ach..., das ist ja auch nur so eine Promenadenmischung."

 

Ich erinnere mich an fast geschehene und auch wirkliche Handgreiflichkeiten als Folge solcher beleidigender Äußerungen über meinen Hund. Sowas kann ich bis heute nicht leiden und finde, das ist wieder mal der Gipfel an Arroganz der Krone der Schöpfung, der Menschen. (Ich kommentiere ja auch die Herkunft des Fragers nicht, unter welchen Umständen denn um Gottes Willen.... - ja, ich höre schon auf. Ist ja gut.)

 

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Sisters forever, wie bei uns damals / www.pixabay.com / Olja Chmeljuk
Sisters forever, wie bei uns damals / www.pixabay.com / Olja Chmeljuk