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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (45)

Hitzefrei!!!

 

Als ich noch zur Schule ging, gab es an heißen Tagen "hitzefrei".

 

Weil bei diesen hohen Temperaturen in den aufgeheizten Klassenräumen sowieso fast niemand so richtig wissensdurstig war und auch die Lehrer insgeheim keine Lust zur Unterrichtsgestaltung hatten. Und der Gesetzgeber die Gesundheit seiner Bürger schonen wollte, zumindest an dieser Stelle.

 

Erinnere ich mich richtig, so musste früh um zehn das Thermometer im Schulgebäude, also beim Direktor im Arbeitszimmer, 26 °C anzeigen. Wichtig war natürlich, dass dieses entscheidende Thermometer vor ungeduldiger Manipulation freiheitsliebender Schüler geschützt wurde. Denn sehr leicht hätte man die Quecksilbersäule dieses damals noch analogen Stückes durch verschiedenste Maßnahmen wie in die warme Hand nehmen oder unters warme Wasser am Waschbecken halten nach oben treiben können. Im Direktorenbüro ging das nicht. Ob der Schulleiter seinerseits das Thermometer kühlte, um sein Kollegium und die Schülerschaft unter die Unterrichtsknute zu zwingen? Ich glaube es nicht.

 

Lieber wird er in seinen Garten gegangen sein, vielleicht mit einem kühlen Bier ausgestattet. Dort hat er dann im Schatten gesessen, sich mit einem gebügelten, karierten Stofftaschentuch die Schweißperlen von der Glatze getupft und gehofft, dass seine Gattin ihn in Ruhe lässt, wenn er sich das zweite Bier aufmacht .... Oder er hatte Sorgen, die ihn an seinem Schreibtisch festhielten. Am Telefon, über Papieren - egal, wie warm es war.

 

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Aber zurück zum Thermometer: es zeigte morgens um zehn 26 °C an, worüber die Pädagogen informiert wurden.

 

Nun kam ein Lehrer in jede Klasse und verkündete: "Hitzefrei!!!"

 

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Dazu passt das in meiner Hitzefreierinnerung spielende Lied von FALCO, unvergessen:

 

"Nie mehr Schule.

Keine Schule mehr!

Und privat, Frau Studienrat,

sind sie doppelt so apart ...

Ja ja!"

 

 

 

Alle rannten, schlenderten, trotteten davon. Hinaus in den Sommertag. Dann ging man ins Freibad, in die Eisdiele oder an irgendwelche anderen angenehm kühlen Plätze. Oder einfach nach Hause. Es war schön.

 

Eine vielleicht erhoffte und doch nicht sicher erwartete freie Zeit. Ein Stück Freiheit an diesen meist leuchtenden, sonnigen Tagen. Ich erinnere mich an den nur leichten Chlorgeruch im Freibad - ein für meine Nase noch heute angenehmer Duft. Der Geschmack von warmer Limo, die in der Sonne gestanden hat. Das tropfende Eis, das man ganz schnell essen musste bei diesen Temperaturen. Die Geräusche von auf die Wasseroberfläche aufklatschenden Bällen und natürlich der grandiose Klang unserer "Arschbomben" ins "Tiefe". Das Geschrei am Sprungturm, wo man aufpassen musste, dass einem im Wasser keiner auf den Kopf fiel. Die giftgrünen Strähnen, in welche sich die blondierte Frisur einer Mitschülerin nach dem Bad verwandelte. Die sauren Fischbrötchen, von denen es nie genug gab.

 

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Während ich heute arbeiten muss, hat der Maulwurf - hitzefrei. Ob er auch Arschbombe kann? Gucken wir mal nach ihm, dem Glücklichen, der da in der Sommerfrische ist....

  

 

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Natürlich kann der Maulwurf jetzt nichts sagen so wie sonst. Weil er ja eben nicht hier, nicht bei mir ist. Doch trägt er trotzdem etwas bei, denn er hat - na was - einen Klassiker für uns übermittelt. "Noch ein Klassiker, Mylady?" höre ich Pawel sagen. Und da ist er auch schon:

 

 

 "Alle großen Leute waren einmal Kinder - aber nur wenige erinnern sich daran."

 

(Antoine de Saint-Exupéry)

 

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Ich erinnere mich an vieles ganz genau. An das Schöne und an den Mist. Zur ersten Kategorie gehört "hitzefrei".