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Hervorgeholt: Das Milgram-Experiment

Gehorsam und Autorität

Bild aus Milgrams 1962 veröffentlichtem Dokumentarfilm "Gehorsam" - Courtesy Google Images (http://antoncalia.blogspot.com/)
Bild aus Milgrams 1962 veröffentlichtem Dokumentarfilm "Gehorsam" - Courtesy Google Images (http://antoncalia.blogspot.com/)

 

Eine etwas bösartige Ansage ist es, mit schiefem Lächeln jemanden zu fragen, ob er wohl immer das machen würde, was man ihm sagt.

 

In einem Film, dessen Namen ich vergessen habe, gibt es eine schöne solche Szene. Uwe Ochsenknecht spielt darin irgendeine Autoritätsperson, jemand kommt zu ihm und will etwas. Ich glaube, es war ein Vorstellungsgespräch. Ochsenknecht lässt den Bewerber alle möglichen Mätzchen machen. Am Ende steht derjenige auf einem Bein auf dem Stuhl und kräht wie ein Hahn. Weil Ochsenknecht ihm das befohlen hat. Stück für Stück ("Steig' auf den Stuhl ..., und jetzt winkel' ein Bein an ..., und jetzt kräh' wie ein Hahn."). Es ist dem Bewerber auch noch nicht peinlich, denn er hat ja alles ordentlich gemacht, was er sollte. Bis Ochenknecht die Katze aus dem Sack lässt und die bekannte Frage stellt: "Machen Sie eigentlich immer, was Ihnen gesagt wird?"

 

Eine spannende Frage: Was ist man selbst bereit zu tun (was einem gesagt wird) und was nicht? 

 

Psychologe Stanley Milgram (1933 - 1984)
Psychologe Stanley Milgram (1933 - 1984)

 

Man stößt relativ schnell auf den 1933 in New York geborenen Psychologen Stanley Milgram und seine Experimente aus den 1960er Jahren, wenn man sich diese wichtige Frage stellt. 

 

Milgram machte folgendes Experiment, s. Bild Versuchsanordnung hier unter dem Text:

Ein Lehrer stellt einem Schüler Fragen. Gibt der Schüler falsche Antworten, bestraft der Lehrer ihn über ein Versuchsgerät mit Elektroschocks. Außer Lehrer und Schüler gibt es noch einen Versuchsleiter, der dem Lehrer sagt, was er machen soll. Es ist so etwas wie: "Machen Sie immer weiter." Das sagt der Versuchsleiter dem Lehrer; immer wieder.

 

Das Besondere: Der Lehrer ist die einzige "echte" Person in dem Versuch. Er glaubt wirklich, dass er innerhalb eines wissenschafltichen Experiments einer anderen Person Elektroschocks in steigender Stärke zufügt. Der Lehrer ist also die eigentliche Versuchsperson. Schüler und Versuchsleiter sind eingeweiht. Der Schüler, ein Schauspieler, spielt Qual und Schmerz. Echte Elektroschocks gibt es nicht, es fließt kein Strom aus dem Versuchsgerät, das nur eine blinkende, echt wirkende Atrappe ist.

 

Man wird sehen, wie weit der Lehrer gehen wird.

 

Prinzip der Milgram-Versuchsanordnung mit Versuchsleiter, Lehrer und Schüler. Es wurde mit und ohne Trennwand gearbeitet.
Prinzip der Milgram-Versuchsanordnung mit Versuchsleiter, Lehrer und Schüler. Es wurde mit und ohne Trennwand gearbeitet.
Milgrim-Versuchsanordnung (Foto: Yale University Manuscripts and Archives (https://allthatsinteresting.com/milgram-experiment))
Milgrim-Versuchsanordnung (Foto: Yale University Manuscripts and Archives (https://allthatsinteresting.com/milgram-experiment))

 

“Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach, weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klangen, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität.

 

Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf“.

 

Stanley Milgram (US-Psychologe, 1961)

 

 

Die spannende Geschichte des Psychologen Milgram und seiner Experimente wurde verfilmt, der Film heißt "Experimenter" von 2015; Streaming z. B. über Amazon prime video. Werde ich mir auf jeden Fall anschauen, denn das Thema ist hochinteressant, abgründig und verstörend. Und sehr aktuell.