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Kalt duschen im Dunkeln?

"Reißleine ziehen und Energiepolitik überdenken"

Nolo Sanchesky (www.twitter.com / @Irenabuzarewicz)
Nolo Sanchesky (www.twitter.com / @Irenabuzarewicz)

 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weist darauf hin,  dass er seine persönliche Duschzeit beispielhaft verkürzt habe. Dass man, wenn man viel außer Haus arbeite, daheim ja gar nicht heizen müsse. Zum Glück gibt es auch noch andere und aufschlussreichere Beiträge zum Thema Energie in der Presse.

 

Bei der WELT kann man sich heute darüber belehren lassen, "Warum kühlere Wohnungen gesünder sind". Kein Satirebeitrag offensichtlich, die Autorin meint das ernst:

 

"Im Gegensatz zur Hitzebelastung im Sommer kann man gegen Frieren im Winter leichter etwas tun. Sportmediziner Fraunberger empfiehlt, „einfach mal um den Block zu laufen, dann kommt einem die Wohnung gleich viel wärmer vor“. Internist Vavricka rät, „eine Lage mehr anzuziehen“. Wer seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte, kann auch vor dem Fernseher Liegestützen machen."

 

Auf solches Geschwätz kann ich gut verzichten. Doch es mehren sich diese Pressebeiträge zum Thema "Leben wie in der Steinzeit". Psychologen erklären uns, warum Menschen jetzt erst "finanziell erwachsen" werden. Es wird diskutiert, wie ungesund häufiges Duschen sei und dass man durch Frieren so gut abnimmt. In der DDR sprach man davon, wie gesund doch Margarine gegenüber der "guten Butter" wäre. Und dass es keine Waldmeisterlimonade gäbe, weil die nicht gesund sei.

 

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Aktuell lesen wir in "Bild am Sonntag" z. B. Äußerungen eines der bekanntesten deutschen Ökonomen, Hans Werner Sinn. Sinn war Präsident des Ifo-Instituts und bis 2016 Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zur deutschen Energiepolitik hat er eine klare Meinung: abschaffen und neu machen.

 

 

Außer in der Bild am Sonntag berichteten viele andere Zeitungen wie FOCUS oder MERKUR über diesen Artikel. Auch auf der Website von Hans Werner Sinn selbst wurde der Beitrag veröffentlicht, von da habe ich ihn Dir mitgebracht:

 

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Quelle: https://www.hanswernersinn.de/de/unsere-energiewende-hilft-umwelt-kein-bisschen-bild-23062022

"Unsere Energiewende hilft der Umwelt kein bisschen"

Hans-Werner Sinn

BILD, 23. Juni 2022, S.2.

Weil die Sonne keine Rechnung schickt, sei die grüne Energie billiger als die konventionelle Energie. Wachstum, materieller Wohlstand und Umweltqualität würden gleichermaßen verbessert.

Das ist ein Widerspruch in sich, denn wenn die grüne Energie billiger wäre, dann würden die Menschen sie von ganz allein wählen. Tatsächlich muss der Staat sie erzwingen, indem er konventionelle Energien verbietet oder künstlich verteuert. Das befeuert die Inflation und senkt den materiellen Lebensstandard. Schon heute hat Deutschland wegen des hohen Anteils der erneuerbaren Energien neben Dänemark die höchsten Stromkosten der Welt.   

Und ob der Umweltnutzen überhaupt kommt, ist mehr als fraglich, wenn Europa allein handelt, wie es das mit seiner rabiaten Politik zur Zurückdrängung der Verbrennungsmotoren tut. Damit das hierzulande nicht mehr verbrannte Erdöl zu einer Entlastung der Atmosphäre führt, müsste es Europa auf seinem Territorium  lagern und versiegeln - ein absurder und teurer Gedanke.  Tatsächlich gibt Europa die nicht mehr gekauften Mengen für die Weltmärkte frei. Die  Tanker liefern sie nun eben nach China und andere Länder, die sich nicht zur CO2-Einsparung verpflichtet haben. Wie sich empirisch zeigen lässt, gelangt dort ziemlich genau so viel mehr an CO2 in die Luft, wie wir einsparen. Wir ruinieren die deutsche Automobilindustrie, fördern unsere fernöstlichen Konkurrenten und helfen der Umwelt nicht einmal ein bisschen.

Europa handelt nicht allein, weil 191 Länder den Pariser Klimaschutzvertrag unterschrieben haben? Schön wäre es! Tatsächlich hat sich nur etwa ein Drittel dieser Länder (61) zu bindenden Einsparungen beim CO2 verpflichtet. Die anderen zwei Drittel haben applaudiert, dass das erste Drittel zugesagt hat, ihnen den Brennstoff zu überlassen. Die europäische Naivität ist nicht zu überbieten.  

Aber wir werden doch vom Ausland unabhängiger, wenn E-Autos mit selbst gemachtem Grünstrom fahren? Nicht einmal diese Behauptung stimmt, denn wenn die Stromproduktion mit Hilfe von Wind- und Sonnenstrom ausgedehnt wird, damit auch der Verkehr elektrisch wird, brauchen wir auch mehr konventionelle Kraftwerke, um die manchmal wochenlangen Dunkelflauten ausfüllen zu können. Da Deutschland aus der Kohleverbrennung und der Atomkraft zugleich aussteigt, müssen Gaskraftwerke diese Arbeit leisten. Damit jedoch vergrößern die E-Autos die Abhängigkeit von Russland.

Richtig ist, dass langfristig grüner Wasserstoff während der Dunkelflauten für die Stromproduktion eingesetzt werden kann. Aber auch der lässt sich nicht gut aus Wind- und Solarstrom herstellen, weil der zu flatterhaft ist. Der Wasserstoff wird deshalb aus den  vielen neuen Atomkraftwerken kommen, die Frankreich gerade zu bauen beschlossen hat und die von der EU, oh Schmach, als „grün“ bezeichnet werden. Da ist es dann doch wohl besser, die Reißleine zu ziehen und die deutsche Energiepolitik grundlegend zu überdenken. Noch stehen die letzten Atomkraftwerke.

Der Autor (74) war Chef des ifo Instituts und zählt zu den einflussreichsten Ökonomen Europas.