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Reise in die Vergangenheit: Böhmisch Matzdorf

Mackov

Glöckners Gasthaus in Matzdorf, vor 1945 (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)
Glöckners Gasthaus in Matzdorf, vor 1945 (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)

 

Heute reisen wir wieder in Raum und Zeit.

 

Der Ort ist der sächsisch-böhmische Erzgebirgskamm bei Holzhau, die Zeit vor 1945. Kürzlich waren wir in Grünwald / Pastviny, bzw. an dem Ort, wo dieses Dorf mal stand. Jetzt ist Mackov, das alte Matzdorf, unser Ziel.

 

Ebenso wie Grünwald ist es eine Wüstung, also nicht mehr vorhanden.

 

 

Wir starten in Schneesturm und Hagelschauer am Holzhauer Bahnhof. Es donnert ein paar Mal, ein Frühlingsgewitter ...

 

Tief grau ist der Himmel, die Umgebung weiß verschneit, erbsengroße Hagelkörner knallen auf den Asphalt. Aprilwetter, denn nach einer Weile reißt dje Wolkendecke auf; der Himmel leuchtet blau; die Sonne scheint, der Hagel schmilzt zu glasigen kleinen Kugeln.

 

Nun gehen wir über die Fischerbaude in Oberholzhau zum Betteleck, der alten Handelswegekreuzung. Dort ist heute ein Grenzübergang nach Tschechien, nur für Fußgänger und Radfahrer.

 

Der Weg führt durch den verschneiten Wald. Auf den Ästen der Fichten liegender Schnee taut und fällt in nassen Klumpen herab. Ausweichen ist ganz gut, denn die Batzen sind zwar nicht gefährlich, aber äußerst unangenehm....

 

Holzhauer Frühlingsgewitter
Holzhauer Frühlingsgewitter

 

Am Betteleck wurde ein kleiner Rastplatz eingerichtet; einige Infotafeln stehen hier. Bis 1954 gab es an dieser Stelle, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, das Gasthaus "Zur Battlecke". Von ihm sind noch ein paar schöne Fotos erhalten. Außer als Gasthaus diente es auch als Zollstelle.

 

 

(https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)
(https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)

 

Da es gerade wieder einige Minuten stürmt, hagelt und schneit, gibt es einen Kaffee aus dem Rohr in der Schutzhütte an der Grenze.

 

 

 

 

Hinter der Bettelecke geht es links nach Grünwald und Moldau, rechts zur Talsperre Flaje. Wir wollen geradeaus, denn hier lag bis vor einigen Jahrzehnten ein Dorf namens Matzdorf.

 

Wichtiger Verkehrsknotenpunkt seit Jahrhunderten: das Battleck (Bettelecke).
Wichtiger Verkehrsknotenpunkt seit Jahrhunderten: das Battleck (Bettelecke).

 

Matzdorf oder früher Motzdorf, das noch später in Mackov umbenannt wurde, war bis 1945 eine deutsch-böhmische Siedlung, im 18. Jahrhundert gegründet. Böhmen und damit dieses kleine Dorf war erst Bestandteil von Österreich-Ungarn, gehörte ab 1918 zu Tschechien, eine kurze Zeit (1938 - 1945) zu Deutschland und danach wieder zur neugegründeten ČSSR, heute zur Tschechischen Republik.

 

 

Im Volksmund hieß das Dorf früher auch "Keil". 1921, also vor reichlich 100 Jahren, lebten 321 Menschen im Ort. 59 Häuser standen hier.

 

(https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)
(https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)

 

Nach Kriegsende 1945 vertrieb man die Deutschen, nur Einzelne blieben. Das Dorf verwaiste, drei deutsche Familien, die Preisslers, die Pleiners und die Rudolfs,  lebten hier Anfang der 1950er Jahre noch. Einige der leerstehenden Gebäude nutzten Tschechen als Ferienhäuser. Inzwischen gehörte das Dorf zur Gemeinde Flaje (ehemals Fley), wo eine Talsperre gebaut wurde. Ein Großteil von Flaje verschwand durch den Stausee; man gab das Dorf auf. Auch Mackov verfiel und wurde 1956 endgültig plattgemacht.

 

Mehr zu Flaje, mit Fotos auch aus dem Inneren der Talsperre vom Oktober 2021, HIER.

 

Battleck im Rücken, geradeaus gehts nach Matzdorf.
Battleck im Rücken, geradeaus gehts nach Matzdorf.

 

Matzdorf warb in den 1920er Jahren als Höhenluftkurort, gelegen auf über 800 m Höhe im Erzgebirge, um Gäste.  Es gab einen Gasthof; ein Naturfreundehaus (eine Art Wanderherberge), ein Luftbad und eine Mahlmühle. Einige hundert Menschen wohnten hier; lebten von Landwirtschaft und Handwerk, dem bescheidenen Tourismus. Besucher kamen her, sicher viele auf demselben Weg, der alten Dorfstraße, wie wir heute.

 

Gespannt durchqueren wir ein kleines Waldstück. Danach muss laut Karte das Bachtal kommen, wo einst Matzdorf war.

 

Und da ist es:

 

Die Wüstung Matzdorf / Mackov heute.....
Die Wüstung Matzdorf / Mackov heute.....
.... und früher (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)
.... und früher (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)

 

Heute ist es hier einsam. Nur der Wind pfeift, die Sonne scheint auf tauenden Schnee. Ein kleiner Teich, der zwischendurch mal saniert wurde, ist noch da; Befestigungsreste sind zu sehen. Hier stand bestimmt die Matzdorfer Mahlmühle. Vergrößert man das Satellitenbild von Google Maps, dann erkennt man den Teich gut. In der Karte eingezeichnet oder benannt ist er nicht.

 

 

Einen Wanderrastplatz richtete man ein, von dem aus man über das Bachtal, den Teich zum Wald guckt. Das winzige Dach ist auf dem Kartenausschnitt neben dem Schriftzug Zaniklá obec Mackov (Wüstung Matzdorf) sichtbar. Die direkt am Weg gelegene dichte Fichtenanpflanzung ist noch nicht so alt.  Sie verbirgt spärliche Reste der Häuser. Ein Mauerstück, ein paar Steine, ein Kaminteil. Eine breite, hoch aufgeschüttete Fläche Häuserschutt ist das vermutlich, worauf die Bäume da wachsen, ein kleiner Wall neben dem Weg.

 

 

Wir werden im Sommer wiederkommen, sicher sieht man da noch etwas mehr als heute.

 

Das Naturfreunde-Haus in Matzdorf (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/pictures/Motzdorf/index.html)
Das Naturfreunde-Haus in Matzdorf (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/pictures/Motzdorf/index.html)

 

Bei Wind, Sonne, Hagelschlag, Schneefall und Regen machen wir noch eine Runde durch Matzdorfs Umgebung, in Richtung Grünwald/Moldau. Die Aussicht ist herrlich. Wer die Einsamkeit liebt, der ist hier absolut richtig. Noch dazu bei diesem Wetter.

 

In diesen ganzen Stunden, die wir von Mittag bis zum Abend unterwegs sind, treffen wir hier oben einen Mann mit Schäferhund und einen Wanderer mit Rucksack. Mehr nicht.

 

 

Auf Wiedersehen, Matzdorf.

 

Wir gehen jetzt nach Hause.

 

Nach Hause.... Was und wer da wohl in hundert Jahren sein werden?