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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (41)

Auf dem Gipfel

 

An diesem Wochenende sind wir bei strahlendem Frühlingswetter auf einen Berg hinaufgegangen, den Bärenstein hinter Annaberg, oberhalb des Pöhlbaches, unmittelbar an der Grenze zu Tschechien. Nicht zu verwechseln mit seinem gleichnamigen Kollegen in der Nähe von Altenberg, ebenfalls im Erzgebirge.

 

Der Aufstieg auf den ca. 800 Meter hohen Berg ist nicht schwer, mehrere Wege und eine Straße gibt es. Schneereste schmelzen, Vögel singen, es ist warm und erstaunlich windstill. Auf dem Berggipfel angekommen sitzen wir eine ganze Weile auf einer Bank am Gipfelkreuz. Wir sehen den Fichtelberg mit Fichtelberghaus, den Keilberg mit seinem Turm und die Talsperre Cranzahl, deren Wasser in der Sonne glitzert. Was für ein wunderschöner Ort.

 

Wir unterhalten uns unauffällig, denn hier sind noch andere Leute unterwegs, die an diesem herrlichen Tag so wie wir einen Ausflug auf den Bärenstein unternehmen.

  

***

 

Maulwurf (ärgerlich): "Warum muss ich denn hier wieder so leise halb in der Tasche sitzen?"

Yvonne ( leise): "Weil Du nicht willst, dass man uns irgendwohin einweist, wo wir nicht hinwollen. Du weißt doch, dass unsere Unterhaltungen merkwürdig erscheinen könnten."

Maulwurf (zischt): "Ach was! Du glaubst wohl, die ganzen Leute hier sind nicht merkwürdig?"

Yvonne: "Nein, warum denn?"

Maulwurf: "Die reden vielleicht nicht mit Maulwürfen, aber..... hör doch mal zu...."

 

Wir sind still und hören die Gespräche der anderen. Laut und unbekümmert rufen sie über das Bergplateau, von Lauschen unsererseits kann also nicht die Rede sein. Man müsste Gehörschutz tragen, um das nicht zwangsläufig mitzuhören.

 

Eine Rentnergruppe mit sympathischem Rheinländer Dialekt hat sich niedergelassen. Alle freuen sich über das schöne Wetter und die herrliche Aussicht. Man müsse wohl dazu geboren sein, hier für immer zu leben. Schön sei es ja, aber wo gingen die Bewohner dieser Orte rund um den Berg eigentlich einkaufen? Schließlich gäbe es ja keine Kaufhäuser, wie bei den rheinischen Rentnern daheim offensichtlich in jedem Kaff.

 

Eine sportliche Frau Anfang sechzig erscheint mit ihren zwei erwachsenen Söhnen. Sie sind gemeinsam auf einer Wandertour und wollen hier oben ein paar Fotos machen. Die drei drängeln sich am Gipfelkreuz und diskutieren laut über Kameraeinstellung und einzunehmende Posen. Die Frau spricht einen sehr klangvollen hiesigen Dialekt und erklärt laut, sich jetzt bei der Wärme "de Gack" auszuziehen. Schön.

 

Ein Elternpaar mit einem Kleinkind im geländegängigen Baggy betritt die Szene. Das Kind hat keine Lust auf die Aussicht, schreit wütend und muss beruhigt werden. Ein in der Nähe liegender Hund, der schon eine Weile neben seiner Besitzerin döst, wird aufmerksam und betrachtet das Kind nervös. Er sieht etwas ratlos aus, ist aber sehr geduldig, genau wie die Eltern des Kindes.

 

***

Maulwuf: "Siehst Du? Die sind ja auch nicht anders als wir, jeder macht halt seins und ist, wie er eben ist."

Yvonne: "Meinst Du? Ja, wie auch immer. Schön ist es doch, dass sie alle hierher kommen, weil es so ein besonderer Platz ist."

Maulwurf: "Ja, da hast Du recht. Aber, ganz ehrlich?"

Yvonne: "Ja, sprich nur frei von der Maulwurfsleber weg."

Maulwurf (träumerisch): "Am schönsten stelle ich es mir hier an einem kalten Oktobermorgen vor. Allein. Es ist noch zeitig früh, mitten in der Woche, keine Schulferien, kein Feiertag. Hier oben ist niemand. Das Tal ist voller Nebel, da hinten (er zeigt nach Osten) geht langsam die Sonne auf. Der ganze Berg hier leuchtet, die Bäume im Tal sind bunt. Wir sitzen genau wieder hier, mit unserem Kaffeerohr. Trinken heißen Kaffee, der dampft in der kalten Luft. Ein paar Vögel singen, von weitem hört man einen Traktor, vielleicht.

Yvonne ( lächelt): "Ja, und wir sitzen da, gucken nur und reden nicht. Es riecht nach Erde und Blättern.

Maulwurf: "Herrlich...."

Yvonne: "Maulwürfe sind halt keine Rudeltiere, sondern Einzelkämpfer."

Maulwurf: "Und Menschen?"

Yvonne (grinst): "Manche schon."

 

 

Maulwurf (leise): "Noch ein Klassiker, Mylady?"

Yvonne: "Aber immer, mein Bester."

Maulwurf: "Pass' auf, heute hab' ich was von Oscar Wilde:"

 

 

"Man bekommt nie den Hund, den man will. Man bekommt immer den Hund, den man braucht."

 

Und das trifft auch auf Maulwürfe zu - natürlich.