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Hervorgeholt: Vom Reiten toter Pferde

Nachdenken über eine Indianerweisheit

Lebendig und stark (Fotogrundlage: www.tiergesund.de)
Lebendig und stark (Fotogrundlage: www.tiergesund.de)

 

Es gibt bei den Dakota-Indianern eine alte Weisheit:

 

"Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, dann steig ab."

 

Das klingt zunächst einfach. Ist auch klar. Auf etwas Totem, Unbeweglichen kann man doch nicht mehr reiten - sich vorwärts bewegen. Das ist eigentlich jedem Kind bewusst.

 

Wie Du selber weißt, ist es aber nicht so einfach. 

 

Wenn man das Pferd sehr liebt. Wenn man Angst vorm Runterfallen oder Absteigen hat. Wenn man nicht weiß, wie man ohne das Pferd weiter kommen soll. Wenn man glaubt, dass man nicht laufen kann. Wenn, wenn, wenn.

    

Deshalb gibt es viele Thesen, wie man sich verhalten kann. Dann, wenn man merkt, dass man auf einem toten Pferd sitzt. Und nicht absteigt.

 

Ein Gutes hat die Situation jedenfalls: Man hat es schon GEMERKT.

 

Es kann zum Beispiel eine schwierige Arbeitssituation sein. Oder das Ende einer Beziehung. Oder eine Krankheit. Oder irgend etwas anderes, von dem man sich weigert, es als Tatsache anzuerkennen. Es ist der Mühe wert, mal darüber nachzudenken.

 

Ich habe hier einige Möglichkeiten für Dich. Die mir am wichtigsten sind, in fetter Schrift. Diese möglichen Ausweichmanöver habe ich mir (leider) nicht selbst ausgedacht. Die ursprüngliche Quelle ist mir nicht bekannt. Ich kenne diese Formulierung aus einem Seminar der Firma Simultan, das ich vor einigen Jahren besuchen durfte.

 

Also, was tun wir nun ?:

 

 

  • Wir besorgen uns eine stärkere Peitsche.
  • Wir sagen: „So haben wir das Pferd schon immer geritten”.
  • Wir gründen einen Arbeitskreis, um das Pferd zu analysieren.
  • Wir besuchen andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet.
  • Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt toter Pferde.
  • Wir bilden eine Task-Force, um das Pferd wiederzubeleben.
  • Wir kaufen Leute von außerhalb ein, die angeblich tote Pferde reiten können.
  • Wir schieben eine Trainingseinheit ein, um besser reiten zu können.
  • Wir stellen Vergleiche unterschiedlicher toter Pferde an.
  • Wir ändern die Kriterien, die besagen, dass ein Pferd tot ist.
  • Wir schirren mehrere tote Pferde gemeinsam an, damit wir schneller werden.
  • Wir erklären: „Kein Pferd kann so tot sein, das wir es nicht mehr reiten können.”
  • Wir machen eine Studie, um zu sehen, ob es bessere oder billigere Pferde gibt.
  • Wir erklären, dass unser Pferd besser, schneller und billiger tot ist als andere Pferde.
  • Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung von toten Pferden zu finden.
  • Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote Pferde ein.
  • Wir vergrößern den Verantwortungsbereich für tote Pferde.
  • Wir entwickeln ein Motivationsprogramm für tote Pferde.
  • Wir erstellen eine Präsentation, in der wir aufzeigen, was das Pferd könnte, wenn es noch leben würde.
  • Wir strukturieren um, damit ein anderer Bereich das tote Pferd bekommt.
  • Wir senden jemandem das tote Pferd als Geschenk. Geschenke darf man nicht zurücksenden

Mein Rossi aus Roßwein, Skulptur in Roßwein an der Muldenbrücke, Bahnhofstraße / Auf dem Werder

Du siehst, dass wir meistens sehr kreativ sind, wenn es darum geht, der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen.

 

Dass wir uns damit nur alles schwerer machen, als es sowieso schon ist, spielt für uns dabei meistens keine Rolle.

 

Wir wollen nicht sehen.

 

Die Dauer dieser selbst verursachten Blindheit ist unterschiedlich. Mancher wird sie ein Leben lang nicht los. Er kann sich einfach nicht von bestimmten Ansichten, Vorurteilen und vermeintlichen Wahrheiten trennen. Vielleicht auch von Menschen nicht, die für ihn nicht gut sind.

 

Andere überwinden das Nicht-Sehen-Wollen und stellen sich den Tatsachen.

 

Sie erkennen die Wahrheit und finden Lösungen für ihre Probleme. Sie verbessern ihr Leben und kommen weiter. Sie haben nicht jahrelang immer die gleichen Probleme. Sie ändern sich. Je eher man das schafft, desto besser ist das.

 

Und weil wir mutig sind, machen wir das auch. Immer wieder neu. Auch dann, wenns weh tut.

 

Und wir das Pferd sehr, sehr lieb hatten.

 

So, wie ich das Rossi.

 

***

 

Der Maulwurf holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Er fragt mich, was eine unabhängige Kostenstelle ist.