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Grünwald

Reise in die Vergangenheit: Pastviny

https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/
https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/

 

Heute reisen wir in Raum und Zeit. Der Ort ist der sächsisch-böhmische Erzgebirgskamm bei Holzhau, die Zeit vor 1945.

 

Bis dahin gab es hier unter vielen anderen ein deutschböhmisches Dorf namens Grünwald, sein tschechischer Name ist Pastviny. Heute existiert das Dorf längst nicht mehr als bewohnter Ort. Deshalb trägt der Ortsname auf der Karte den Zusatz "Wüstung" oder in tschechisch "Zaklina". Mal sehen, was wir noch finden. 

 

Grünwald gehörte zuletzt zum Ort Böhmisch Moldau (Moldava).

 

https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/
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Unser Weg (www.google.de/maps)
Unser Weg (www.google.de/maps)

 

Wir starten am Holzhauer Bahnhof und wandern an der Mulde flußaufwärts zum Teichhaus. Von dort aus gehen wir auf dem alten Bahndamm weiter bis zur deutsch-tschechischen Grenze.

 

 

Hat man die Grenzmarkierung hinter sich gelassen, so erreicht man nach wenigen Minuten den Ortseingang von Moldava (Böhmisch Moldau). 

 

 

Dort steht die kleine Kirche Mariä Heimsuchung:

 

 

Hier an der Kirche waren wir schon mal im letzten Herbst, weißt Du noch, der schöne alte Friedhof? Heute sagen wir der Kirche und dem Friedhof 'Guten Tag' und wenden uns dann auf einem Weg ortsauswärts gleich hinter der Kirche in südwestlicher Richtung aufs freie Feld.

 

Dort muss laut Karte das verlassene Grünwald liegen. Mal sehen, was wir finden.

 

 

Oberhalb der Kirche steht eine winzige Bank mit Blick auf ein Stückchen Moldava. Hier gibt es einen Kaffee aus dem Rohr. Der berühmte Böhmische Wind liegt an, und wie..... 

 

Die Aussicht ist fantastisch, Sonne scheint, die Luft klar.

 

 

Dann geht es weiter bergauf, der immer reichlicher liegende Schnee glänzt vereist in der Sonne. Ein kleiner Wintertraum, hier oben Mitte März normal.

 

Blick auf Gespenstermühle und das Dorf Grünwald im Hintergrund  (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)
Blick auf Gespenstermühle und das Dorf Grünwald im Hintergrund (https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/)

 

Was wissen wir über dieses Dorf Grünwald, das wir gerade suchen?

 

***

 

Grinwalt, später Grünwald, ist eine fränkische Siedlung aus dem 13. Jahrhundert. 1408 erstmals urkundlich erwähnt, war es eines der Dörfer, die auf Betreiben der Böhmischen Könige damals entstanden. Sie wollten das Land wirtschaftlich erschließen. Grünwald liegt an einem alten Handelsweg zwischen Böhmen und Meißen, der über das bekannte Betteleck nahe dem heutigen Oberholzhau führte. 

 

Ab Mitte des 16. Jahrhunderts schlug man hier oben Holz für den Freiberger Bergbau und flößte es über die Mulde an seinen Bestimmungsort. Die Gegend wurde dadurch zunehmend entwaldet. Die Bewohner lebten von der Tierhaltung, dem Torfabbau und dem, was sich in dem rauhen Klima anbauen ließ, etwa Hafer und Flachs. Im Jahr 1831 gab es in Grünwald 461 Einwohner, alles Deutschböhmen. Man baute eine Schule, es gab drei Mühlen, eine Strumpfwirkerei und einen Gasthof. Die ersten Touristen kamen.

 

Die Einwohnerzahl verringerte sich. 1921 zählte man 335 deutschböhmische Einwohner und einen einzigen Tschechen. Wer er wohl war und warum er in Grünwald lebte?

 

 

Als wir oben am Berg angekommen sind, liegt ein weites Tal vor uns. Weit und breit nur Wiese, ab und zu einzelne Bäume. Bäche murmeln.  Der Weg führt jetzt wieder hinunter, bis an zwei Teiche. Das sind die alten Mühlteiche von Grünwald, heute ohne Mühlen. Die frühere Dorfstraße gibt es noch. Ein verlassener Bauwagen, natürlich aus neuerer Zeit, steht herum. 

 

Wir gehen durch leeres Land.

 

Die zwei Mühlteiche von Grünwald gibt es noch. Hier ein Satellitenbild von google.maps.
Die zwei Mühlteiche von Grünwald gibt es noch. Hier ein Satellitenbild von google.maps.

  

Zu finden sind ein paar Steine, der Mauerrest eines alten Wohnhauses, ein uralter Obstbaum. Der Schornstein einer eingestürzten Chaluppe, so nannte man hier die kleinen Häuslerbauten, steht oben am Ortsausgang zum Betteleck. Eine Außenwand, ein paar Bretter, angepflanzte Bäume.

 

Jetzt verstehe ich auch, woher der Ausdruck "Kaluppenbude" kommt, den ich schon manchmal gehört habe. Damit ist, ähnlich der sächsischen "Hornzschje" eine nicht sehr hochwertige Wohnbehausung gemeint....

 

Rest einer Chaluppe
Rest einer Chaluppe

 

1938 kam Böhmen durch das Münchner Abkommen zu Deutschland. Grünwald gehörte in dieser Zeit zum Landkreis Teplitz-Schönau. 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben. Das Dorf war leer. 1948 lebten hier noch 17 Menschen. Es wurde versucht, Slowaken anzusiedeln, was aber nicht gelang. In den 1950er Jahren trug man die Häuser teilweise ab, um das Baumaterial anderswo zu verwenden.

 

Der Rest wurde einige Jahre später plattgemacht. Ein Stück Heimat vieler Generationen war weg.

 

Gasthof Grünwald / https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/
Gasthof Grünwald / https://www.boehmisches-erzgebirge.cz/

 

Wie Grünwald erging es vielen deutschböhmischen Dörfern. Hier in der Nähe sind das Motzdorf, Ullersdorf, Willersdorf. Auf einer Karte von 1936 sieht man die vielen kleinen schwarzen Punkte. Jeder davon ein Haus.

 

Karte von 1936 / https://osterzgebirge.org/de/natur-erkunden/schutzgebiete/naturschutzgebiete/pr-gruenwaldske-vresoviste/
Karte von 1936 / https://osterzgebirge.org/de/natur-erkunden/schutzgebiete/naturschutzgebiete/pr-gruenwaldske-vresoviste/

 

Heute gibt es hier das Naturreservat Grünwalder Heide. Da brütet das seltene Birkhuhn.

 

Hausmauerrest Grünwald
Hausmauerrest Grünwald

 

Wir verabschieden uns von dem heute einsamen Ort. Man kann sich vorstellen, was hier früher los war. Häuser lagen am Straßenrand, Gärten, Weiden, Äcker. Menschen arbeiteten, transportierten alle möglichen Güter. Kinder gingen zur Schule, spielten auf den Straßen. Man heiratete, setzte Kinder in die Welt, trauerte um Tote, hatte Ängste, Träume, Hoffnungen. Es wurde gelebt.

 

Gefeiert hat man im ortseigenen Gasthaus. Ein paar Wintersportler und Sommerfrischler kamen. Das Klima war rauh, der Winter lang, das Leben hart.

 

***

 

Wir erreichen auf einem Weg über weite Wiesen das berühmte Betteleck, früher eine wichtige Kreuzung mehrerer Handelswege. Heute befindet sich hier ein Grenzübergang zwischen Deutschland und Tschechien. Eine Wetterhütte gibt es, mit Außenbank. Zeit für Kaffee und Bemme. Jede Menge Schilder, wohin man von hier aus kommt, sind zu finden. Zur Talsperre Flaje, nach Osegg, zur Holzhauer Fischerbaude. Auch die Wüstung Motzdorf kann man von hier aus erreichen. Da wollten wir zwar eigentlich noch hin heute, verwerfen das aber aus Zeitgründen. Vor Einbruch der Dunkelheit müssen wir aus dem Wald heraus sein.

 

Motzdorf wird nicht vergessen, bei nächster Gelegenheit gehn wir dahin.

 

Für heute geht es in Richtung Holzhau zurück. 

 

 

Schön ist es, in der tiefstehenden Abendsonne in Oberholzhau aus dem Wald zu kommen. Übers Feld Richtung Muldental gehen wir, besuchen den Holzdrachen an der Drachenkopfbank. 

 

 

Und dann bringt uns die Freiberger Eisenbahn heim. Nach diesem so sonnigen und so besonderen Tag.