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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (40)

Das Schöne und das Schwere

 

An diesem ersten März-Samstag gehen wir in einem unserer Lieblingscafés einen Kaffee trinken. Es ist das Café Zeitlos, das liegt in Annaberg-Buchholz direkt am Markt. Aus großen Fenstern guckt man auf Marktplatz, Rathaus, ein griechisches Restaurant und sieht auch, etwas entfernt weiter oben, die Annenkirche. 

 

Schön ist es, wieder hier sitzen zu können. Mit Kaffee und einem Windbeutel voller sehr süßer, sehr fetter Schlagsahne. 

 

Annaberg-Buchholz, auf dem Markt. Das Café Zeitlos im Rücken.
Annaberg-Buchholz, auf dem Markt. Das Café Zeitlos im Rücken.

 

Draußen weht der Wind, Sonne ab und zu. Bevor es Kaffee gibt, drehen wir eine Runde durch die schöne kleine Stadt.

 

Vorbei am Erzhammer, die Buchholzer Straße entlang, zur Stadtmauer. Hinter zu den Theatertreppen, zurück durch die Gassen der Altstadt Richtung Annenkirche. Der Luther steht wie immer kämpferisch und beispielgebend auf seinem Sockel, die Kirche liegt in der Mittagssonne.

 

Drinnen ist es still, Kerzen brennen auch wie immer auf zwei kleinen Tischen. Heute sind es ziemlich viele, ich zünde eine an und stelle sie zu den anderen. Wärme, flackerndes Licht im schummrigen Kircheninneren. Ein guter Ort, leider mit zu vielen Absperrungen und Einschränkungen.

 

St. Annen
St. Annen

 

Hinter der alten Post, die gerade saniert wird, liegt das Polizeirevier. Daneben eine Mauerbrüstung mit weitem Blick ins Land, über die Stadt, das Sehmatal, Berge und Wald. Weiß leuchtet das Erzgebirgsklinikum, dem ich sehr viel verdanke. Ich denke an meine Freundin B. und schicke ihr in Gedanken einen Gruß.

 

An der Mauer eine Gedenktafel.

 

Zurück Richtung Markt, vorbei am St.-Annen-Gymnasium, stille Straßen, Gesang der Vögel, erste Frühlingsblumen in den Gärten. Einzelne, ganz kleine Schneeflocken. 

 

 

Dann sitzen wir endlich am Fenster im Café und unterhalten uns, Pawel und ich:

 

***

Wieder im "Zeitlos"....
Wieder im "Zeitlos"....

 

Maulwurf (guckt aus dem Fenster auf den Markt): "Ach, ist das schön. Einfach wieder hier zu sein...."

Yvonne (nickt): "Oh ja.... "

Maulwurf (verdreht die Augen): "Und der Kaffee erst, hmmhhhh. Nichts gegen unser Kaffeerohr, aber schon diese schöne Kaffeetasse hier aus dickem Porzellan - hach! Und Du weißt ja, ich liebe Café crema so sehr."

Yvonne: "Ich auch, aber auf unser Rohr und den guten alten Filterkaffee lass' ich nichts kommen."

Maulwurf: "Nee, gar nicht. In der Abwechslung liegt ja auch Würze."

Yvonne (lacht): "Beim Kaffee jetzt?"

Maulwurf (erklärend): "Nicht nur. Aber ja - den meinte ich gerade. Denk' doch mal an den Quetschenkaffee aus unserer Frenchy oder den türkischen aus dem Stielkännchen oder sogar auch den Nescafé....."

Yvonne: "Stimmt. Kaffee schmeckt immer anders, selbst wenn Du ihn aus den selben Bohnen machst. Bisschen gröber oder feiner gemahlen, etwas stärker oder zarter dosiert, unterschiedliche Zubereitungszeit, anderes Wasser - das ist eine ganze Welt für sich."

Maulwurf (guckt sehnsüchtig hinaus in das Sonnenlicht): "Und da bist Du erst mal nur - bei Kaffee. Nicht beim Tee. Nicht beim Essen, beim Baden, beim Wandern, bei Liebe und Freundschaft, bei Büchern, Filmen, Gärten, der Musik. Nicht bei den ganzen schönen Dingen, die es auf der Welt gibt."   (seufzt leise)

Yvonne (ernsthaft): "Ja, das stimmt. Nur sind wir oft zu dämlich, das alles zu sehen, zu schmecken, zu erleben. Wir gießen uns schnell den Kaffee in den Hals, weil wir es eilig haben. Wir essen hastig, weil wir danach irgendwas tun müssen, wir hören nicht richtig zu, gucken nicht genau hin, denken nicht tiefer nach. Nehmen andere zu oberflächlich wahr. Haben zu viel Angst vor allem Möglichen, zu viel schlechtes Gewissen vielleicht auch. Spüren nicht voll den Augenblick, wenn er da ist."

Maulwurf (neugierig): "Welchen Augenblick denn?"

Yvonne: "Jeden. Den fröhlichen, den schmerzlichen auch. Genau den JETZT."

Maulwurf: "Verstehe, ha! Pass' auf:"

 

 

Er stürzt sich auf den Windbeutel, auf die süße Sahne. Taucht wieder auf, ganz begeistert, mit Puderzucker auf der Nase, trinkt mehrere lange Schlucke Kaffee aus der schon genannten schönen Tasse. Dann streckt er sich zufrieden und lächelt mich aufmunternd an.

 

Ich stimme ihm zu: genau so muss man es machen. Jetzt leben. Jetzt das tun, was getan werden muss und will. Das alles. Das Schöne und das Schwere. Keinem anderen gehts besser, wenn es Dir schlechter geht.

 

***

 

 

Maulwurf: "Mylady, heute gibts einen Klassiker und sogar noch ein Lied."

Yvonne: "Mein Lieber, unbedingt. Ich bin schon ganz gespannt!"

 

Maulwurf:

 

"Echtes ehren, Schlechtem wehren, Schweres üben, Schönes lieben!"

(Paul Heyse, deutscher Dichter, 1830 - 1914 )

 

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