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An der Hohen Esse

Unterwegs in Halsbrücke (2)

Sie ist wirklich die Größte - die Hohe Esse von Halsbrücke.
Sie ist wirklich die Größte - die Hohe Esse von Halsbrücke.

 

Hier in Halsbrücke gibt es jede Menge zu entdecken. Die Hohe Esse, wie sie auch heißt, ist nicht irgendein Schornstein; sie gehört zur Montanlandschaft Freiberg und ist damit Bestandteil des UNESCO-Welterbes seit 2019.

 

Als sie 1889 nach ca. einem Jahr Bauzeit fertiggestellt wurde, war sie mit 140 Metern der höchste Schornstein der Welt! Noch heute gilt sie als höchster Ziegelschornstein Europas.  Aus Ziegeln gemauert, mit Stahlringen stabilisiert. Beeindruckend. Erst recht, wenn man dann mal davor steht.

 

 

Die Aufgabe dieses Bauwerks war die Ableitung der Rauchgase aus den Halsbrücker Schmelzhütten im Muldental. Der Schornstein hat einen 500 Meter langen Rauchgaskanal hinunter ins Tal. Die Esse war deshalb so hoch, um die giftigen Bestandteile der Abgase weiter zu verteilen und die unmittelbare Umgebung der Hüttenwerke zu entlasten. Denn schon im 19. Jahrhundert beobachtete man Schädigungen von Pflanzen, Tier und Mensch durch Umweltbelastung. Anwohner beschwerten sich - es musste etwas geschehen. Da entwickelte man dieses "Essenprojekt" und begann, die Folgen    industrieller Prozesse für die Umgebung zu erforschen.

 

 

Alte Ansichtskarte (www.akpol.de)
Alte Ansichtskarte (www.akpol.de)
(Genehmigte Verwendung von Quelle: http://www.unbekannter-bergbau.de/inhalte/spot_13_004_HalsbrueckeHoheEsse.html)
(Genehmigte Verwendung von Quelle: http://www.unbekannter-bergbau.de/inhalte/spot_13_004_HalsbrueckeHoheEsse.html)

 

An einem der letzten Februartage machen wir uns auf, die Hohe Esse zu erkunden. Auch wenn ich nicht weit entfernt von Halsbrücke wohne, war ich noch nie oben am Berg, direkt bei ihr. 

 

Das soll sich heute ändern. Bei schönstem Sonnenschein betrachten wir das Gelände und gehen von der Muldenbrücke aus ortsauswärts linker Hand einen festen Weg hinauf. Ziemlich steil ist er, man hat die "hohe Dame" die ganze Zeit im Blick; kann sie nicht verfehlen.

 

 

Oben am Ende des Berges angekommen biegen wir nach links ab und gehen noch wenige Minuten, ein Stück davon querfeldein - denn die Esse steht nicht unmittelbar an der kleinen Straße zwischen Halsbrücke und Krummenhennersdorf. Jetzt liegt das umgepflügte Feld noch brach, wir zertrampeln keine Saat und laufen durch die schwarzbraunen Erdbrocken. 

 

Dann sind wir da.

 

 

 

Bewundern muss man dieses gelungene Bauwerk, seine perfekte Form, seine Beständigkeit. Auch ist klar, das mit dem "Hinbauen" das Essenleben ja erst beginnt. Das heißt, regelmäßige Instandhaltung muss hier stattfinden, um den Verschleiß durch Alterung, aggressive Stoffe und die Witterung aufzuhalten bzw. die entstandenen Schäden zu beheben. Großen Respekt habe ich vor den Instandhaltungsmitarbeitern, die diese Arbeiten ausführen. In diesen Höhen eine absolut große Herausforderung.

 

Bedenkt man die technischen Möglichkeiten aller Projektphasen damals: von der ersten Idee bis zum fertigen Schornstein, so hatten auch die Ingenieure weniger Hilfsmittel als wir heute. Man rechnete noch mit Logarithmentafeln und den damals noch relativ neuen Rechenschiebern; zeichnete mit Tusche. Das verzieh keine Fehler und machte Korrekturen oft unmöglich. Im Zweifelsfall riss man das Blatt vom Brett und - begann von vorn.

 

Heute, im Zeitalter der Digitalisierung, ersetzen Hard- und Software so manche früher notwendige Mühe des Denkers und Zeichners, schonen seine anderweitig strapazierten Nerven. Tuschenasen, beim Verschieben des Zeichenwerkzeugs übers Blatt gezogen, gehören der Vergangenheit an und auch die dazugehörigen Wutausbrüche. Zum Glück.

 

Wer sich zum Bauprojekt Hohe Esse tiefer informieren will, wird hier gleich fündig. Besonders interessant sind die historischen Zeichnungen und beeindruckenden Fotos, schau' bitte mal rein - es lohnt sich. Es gibt auch einen wichtigen Abschnitt über die schon angesprochene Instandhaltung des Bauwerks, mit Bildern garantiert höhenangsfreier Männer.

 

Hier ein kleiner Auszug aus der Fotosammlung von Herrn Hubert Herklotz mit freundlicher Genehmigung von Herrn Lutz Mitka (www.unbekannter-bergbau.de). Wir sehen Bilder aus dem Jahr 1975.

 

 

Muldenaufwärts gehts wieder in Richtung Freiberg zurück, vorbei an der Tuttendorfer St.-Anna-Kirche.

 

Die Dämmerung, der Sonnenuntergang bescheren uns einen schönen Abend. Es wird Frühling, man merkts immer deutlicher.

 

 

Wir kommen wieder mal nach Halsbrücke, denn hier gibts noch viel mehr zu sehen.

 

Blick von Halsbrücke nach Freiberg; links die Reiche Zeche, in der Mitte Herders Ruhe, rechts das Gewerbegebiet "Schwarze Kiefern"
Blick von Halsbrücke nach Freiberg; links die Reiche Zeche, in der Mitte Herders Ruhe, rechts das Gewerbegebiet "Schwarze Kiefern"