Neu in der Täterwerkstatt: unser Verbandskasten

Irgendwas hilft immer

Foto: www.pixabay.com / Fotograf: Herbert Aust aus Deutschland
Foto: www.pixabay.com / Fotograf: Herbert Aust aus Deutschland

 

In jede gut bestückte Werkstatt gehört ein Verbandskasten, um kleinere Verletzungen sachgerecht und schnell verarzten zu können. Deshalb wollen wir heute auch in unserer Täterwerkstatt so einen Erste-Hilfe-Ort einrichten. Die Zeiten sind ja danach. Immer stärker werden wir von den Geschehnisssen rings um uns her bedrängt, belastet, ja - verletzt. Wie damit umgehen?

 

Egal, ob es der Russland-Ukraine-Krieg ist; die Corona-Krise, die Inflation, die wachsende Terrorgefahr im Inland und auch die täglichen, mal größeren und mal kleineren eigenen Herausforderungen - etwas ist ja immer.

 

Wissen, was los ist - das will man einerseits. Aber das "Abschalten" wird immer schwieriger. Einmal liegts an der ständigen Verfügbarkeit von Informationen und andererseits an unserem Umgang damit. Denn dass ausgerechnet heute besonders schlimme Zeiten sind, das glaube ich nicht. Unsere Altvorderen kämpften mit Krieg, Hunger, Seuchen, Gewalt, Unsicherheit und ständiger Todesgefahr viel stärker als wir. Aber vielleicht hatten sie einen besseren Halt und  nicht so hohe Ansprüche?

 

Für mich persönlich spielt auch das eine große Rolle: die allgegenwärtige Errosion von Werten. Es gilt immer weniger, was sich lange Zeit bewährte und den Mitgliedern einer Gesellschaft Festigkeit und Richtung gab. Auch dann, wenn es nicht immer nur schön war. Zum Beispiel persönliche Würde, Zivilcourage, Höflichkeit, die Familie, umfassende Bildung, der Glaube an etwas Gutes, das Vorhandensein von Vorbildern. Und Lebensziele, die etwas mehr beinhalten als die eigene Karriere, das Auto oder das Wohneigentum.

 

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Früher bekam man seine Zeitung einmal am Tag, wenn alles glatt lief. Dann las man das, was einen interessierte. Und nun regte man sich auf. Ärgerte sich, ätzte herum, stritt, diskutierte, meckerte und lobte auch mal. Später machte man dann wieder was anderes, dachte wieder was anderes.

 

Denn niemand kam aller paar Minuten zur Tür rein und hatte wieder Neuigkeiten aus der Welt oder privat zu berichten. Wartete man zum Beispiel dringendst auf einen Brief des/der Liebsten, so konnte man nur einmal am Tag erfreut oder enttäuscht werden: nämlich dann, wenn die Post kam. EINMAL. Nicht HUNDERTMAL. Wollte man sich zum Stand einer bestimmten Angelegenheit in der Welt informieren, tat man das. Aber nicht HUNDERTMAL. Wartete man auf einen Anruf, so hatte sich das erledigt, wenn man in den Wald, ins Kino, in die Kneipe oder zum See ging. Denn da konnte das Telefon im Gegensatz zu heute ja nicht mit.

 

Wie jeder mit diesem Riesenangebot an Informationen, der Unmöglichkeit der Bewertung und der Verifizierung von Wahrheitsgehalten umgeht - das soll hier nicht das Thema sein. Aber ab und zu ein kleines Gegengewicht, ein Trostpflaster, einen Stärkungsschnaps, einen Vitamincocktail - das gibts alles hier. Im Täterwerkstattverbandskasten.

 

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Getreu dem Satz von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!" heute die erste Stärkungspille.

 

Zur Eröffnung des Verbandskastens gibt es etwas ganz Besonderes: eine Premiere. Nämlich ein neues Gedicht von einem Freund aus Thüringen. Einer, der gerne mit Holz arbeitet, ab und zu dichtet und anonym bleiben möchte. Freundlicherweise hat er mir die Verwendung seiner Worte heute hier erlaubt. Vielen Dank dafür:

 

www.pixabay.com / Fotograf: Jirreaux Hiroé aus Japan
www.pixabay.com / Fotograf: Jirreaux Hiroé aus Japan

 

Ein krummes Ding?

(von M.)

 

Es lag mal ein Stück Holz herum,

nicht ganz grade,

aber auch nicht ganz krumm.

Es ist über mich gekommen;

ich habe es mit nach Hause genommen.

Im Keller griff ich zu Eisen und Messer,

die Späne wurden immer besser.

Es verlor zunehmend an Substanz.

Ich dachte - vorhin war`s noch ganz.

Die Löcher wurden immer mehr,

das Ding war nur noch halb so schwer.

Auch dacht` ich - dumm gelaufen,

so groß war nun der Spänehaufen.

Ich wollte es doch nur richten - mitnichten !

eigentlich schade -

denn jetzt ist es nicht ganz krumm,

aber auch nicht ganz grade.