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Mein Déjà-vu mit dem WDR

Was "Entspannt in den Blackout" mit der alten Wehrkunde zu tun hat

Quelle: https://www.instagram.com/klima.neutral/?hl=de
Quelle: https://www.instagram.com/klima.neutral/?hl=de

 

Auf dem Instagram-Kanal klima.neutral des WDR erschien kürzlich ein Artikel über Blackouts, also Stromausfälle. Es gibt auch Brownouts, so nennt man kurzzeitige Spannungsabfälle, wir kennen sie auch als "Netzwischer".

 

In lustig-anschaulicher Weise soll dem Bürger vermittelt werden, was für ein harmloses, heiteres Ereignis so ein Stromausfall doch ist. Dem man mit ein paar Maßnähmchen ganz entspannt begegnen kann. Noch schnell mit dem Lastenrad ein paar Batterien und Bio-Konserven eingekauft, ein paar echte Bienenwachskerzen und vegane Seifenstücke - dann ist man doch gerüstet?

 

Nein.

 

Dass es zu immer mehr Stromausfällen, zum Glück nur ziemlich kurzen, in der letzten Zeit gekommen ist oder man bereits nahe dran war. Was die Gründe dafür sind - das bleibt, Entschuldigung, für die meisten weitestgehend im Dunkeln. Erst vor zwei Tagen waren 90.000 Berliner Haushalte betroffen; mehr dazu HIER.

 

Quelle: https://www.instagram.com/klima.neutral/?hl=de
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Mit unserer deutschen Energiewende, die auch aus dem Ausland kritisch beobachtet wird, bringen wir die Versorgung unserer immer energiehungrigeren Gesellschaft und damit ihr reibungsloses Funktionieren in Gefahr. Erst am 31. 12. 2021 haben wir drei deutsche Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die Verbrennungsmotoren wollen wir auch abschaffen und größtenteils elektrisch fahren. Der Strom kommt aus der Steckdose.

 

Oder auch nicht.

 

Stromausfälle sind kein Spaß. Sie sind lebensgefährlich für viele Menschen. Kleine Kinder, alte und kranke Personen. Und auch der "normale" Bürger sieht sich Gefahren ausgesetzt, mit denen umzugehen er meistens nicht gelernt hat. Ohne Strom kein Licht, oft keine Wärme, keine funktionierende Kommunikations- und Sicherheitstechnik, tote Geldautomaten, kein Polizeifunk, lahmgelegte Kassensysteme. Stehende E-Autos, leere Handyakkus, langsam ausfallende Versorgungstechnik auch in wichtigen Bereichen der Infrastruktur. Denn auch die dort verbauten Notstromversorgungen liefern nicht ewig. Die öffentliche Sicherheit ist stark gefährdet, denn es ist dunkel und Hilfe kann z. B. per Telefon nicht (mehr) angefordert werden.

 

***

 

Eine gewisse Vorratswirtschaft und Vorbereitung auf Krisensituationen ist für jeden von uns notwendig; ein persönliches Katastrophenmanagement nützlich - denke ich. Man darf das nicht aus dem Blickfeld schieben, weil es unangenehm ist, Angst macht und Fragen aufwirft.

 

Dass man sich aber als Land politisch sehenden Auges in solche Gefahrenlagen hineinbringt - das sollte nicht so sein. Zur Zeit gucke ich mir an, was es dort an sinnvoller Ratgeberliteratur dazu gibt, weil ich das wirklich für wichtig halte. Empfehlung für Dich folgt hier in Kürze. Und sich über "Prepper" lustig zu machen, das ist nicht sehr angebracht.

 

Denn beim Stromausfall besitzt dieser vorbereitete Mensch nämlich Licht, Wärme, was zu essen und zu trinken, Wasser, Medikamente, etwas zur Verteidigung. Wahrscheinlich sogar ein Kurbelradio (finde ich sehr sinnvoll, da es immer zumindest per Handkurbel aufgeladen werden kann), eine Lichtquelle und Aufladesteckbuchse fürs Handy und zusätzlich einen SOS-Alarm hat.

 

Auch hört die Vorbereitung dort noch nicht auf, sondern sieht auch Flucht- und Verteidigungsszenarien vor. Klingt irre, ist aber völlig vernünftig. Schlimme Situationen können eintreten. Man denke an die Flutkatastrophe im Ahrtal letzten Sommer. 

 

Mehr zum "Preppen", (von "Be prepared" = "Sei bereit", dem Pfadfindergruß, abgeleitet) findet sich:

 

 

Kurbelradio (www.amazon.de)
Kurbelradio (www.amazon.de)

 

 

Erzählen will ich Dir noch eine kleine Geschichte dazu, pass auf:

 

***

 

Als ich in die neunte Klasse ging, gab es bei uns ein Fach namens "Wehrunterricht".

 

Diese seltenen und auf wenige Tage konzentrierten Stunden gaben einige unserer altbekannten Lehrer aus verschiedenen Fächern, die sich mit Sicherheit nicht darum gerissen haben. Außerdem kam ein Soldat unserer Nationalen Volksarmee, ich glaube, er war Major, zu unserer militärischen Ausbildung. Der theoretische Unterricht fand in der Schule statt, dann gab es noch einen Praxisteil. Im Gegensatz zum WDR behandelte man hier die Themen Katastrophenmanagement und Verteidigung nicht mit lustigen Bildchen, sondern es war klar: die meinen das ernst.

***

 

Im Wehrunterricht lernten wir, wie man sich zum Beispiel auf einen Kriegsfall vorbereitet oder sich nach einem Atomschlag verhalten soll.

 

Ich weiß noch, dass ich mir durch frech erscheinende Fragen Ärger einhandelte. Dabei meinte ich es nicht böse, wollte nur Erklärungen. Natürlich war auch die offensichtliche Lächerlichkeit mancher Maßnahmen Futter für die Spottlust der Schüler. Sämtliche Lehrkräfte und auch Major R. waren völlig überfordert und behielten nur mühsam Haltung. Das lag erstens daran, dass sie wohl selbst wussten, welchen Bullshit sie dort teilweise von sich gaben und zweitens ärgerten sie sich natürlich über disziplinloses Verhalten im Klassenraum. Subversive Bemerkungen, Zischen, Kichern, sogar lautes Lachen oder giftig-ironische Antworten - damit mussten sie sich herumschlagen. Mit uns.

 

Als ich die grafische Informationsaktion des WDR sah, fiel mir alles sofort wieder ein. Genau um so was war es gegangen. Aber natürlich lernten wir damals noch mehr. 

 

Eine Auswahl:

 

 

1. Man sollte die Badewanne stets gefüllt mit Wasser lassen. Als Notvorrat für Ernstfälle. Nun hatten viele von uns damals keine fest installierten Badewannen, es gab dafür jede Menge bewegliche Elemente dieser Art. Wir besaßen zu Hause bis zum Umzug in eine schönere Wohnung zum Beispiel eine Sitzbadewanne, eine Art tiefen Sessel aus emailliertem Blech, der zum Baden umständlich herausgeholt, befüllt und entleert werden musste. Dabei stand diese Wanne quer in der Küche herum und man war froh, wenn alles wieder aufgeräumt und man vorher nicht drübergestürzt oder in der Nässe ausgerutscht war. Eine Dauereinrichtung? Niemals. Selbst diejenigen, die glückliche Badbesitzer waren, hätten bei jeder Wannennutzung das Vorratswasser ab- und hinterher wieder einlassen müssen. So verschwendeten wir normalerweise kein Wasser. Außerdem wäre es gefährlich gewesen. Für kleine Kinder, kleinere Tiere und - Betrunkene.

 

2. Ein Schutzraum, eine Art Privatbunker, sollte im Keller des Wohnhauses eingerichtet werden. Da die meisten meiner Klassenkollegen und auch ich nicht in Einfamilienhäusern lebten, sondern in größeren Häusern, hatte jede Familie nur einen, meist kleinen Keller. Für Kohlen. Für Kartoffeln. Für eingewecktes Obst und Gemüse. Eventuell für Wein. Die Kohlenkeller in den alten Häusern waren natürlich schmutzig, finster und feucht. Es gab auch Leute, die in ihren sauberen Neubaukellern kleine Werkstätten zur Reparatur aller möglichen Dinge einrichteten und sich hier außerhalb der Sichtweite ihrer Ehegattinen auf ein Bier trafen. Im schwarzen, nassen, spinnen- und mäusebewohnten Altbaukeller, wie wir ihn hatten, kein Thema. Also war der Raum selbst schon ein Problem. Aber weiter.

 

3. Im Schutzraum sollte man bestimmte Dinge bevorraten. Haltbare Nahrungsmittel, Batterien, Taschenlampen, batteriebetriebenes Radio, Wasservorrat gehörten dazu. Medikamente, Verbandszeug. Auch Bettlaken und Wäscheleinen wurden genannt. Und Grünpflanzen, wegen der Sauerstoffproduktion. Die Diskussion eskalierte ins Groteske. Wie im dunklen, kalten Kohlenkeller Pflanzen gedeihen sollten? Wozu die Bettlaken und Leinen gebraucht würden? Natürlich für medizinische Zwecke und nicht, wie bösartig nachgefragt wurde, zum Abseilen aus dem Keller oder, um dem nun völlig sinnlos gewordenen Leben ein Ende zu setzen.

 

***

 

Ich könnte hier noch viele weitere Einzelheiten erzählen, lasse das aber mal bei diesen dreien. Doch etwas ist mir noch unvergesslich: Ein Graben sollte (im Prinzip sofort) per Spaten rings um das Wohnhaus ausgehoben werden, der Zweck wurde nicht erläutert - vermutlich ein Schützengraben zur Verteidigung. Ich wohnte damals mit meinen Eltern im Stadtzentrum; in einem schönen großen alten Patrizierhaus. Der Graben hätte über Fußgängerzone und Marktplatz gehen müssen, beide gut gepflastert; einige größere und kleinere Rohe und Kabel bedeckend. Sollte ich wirklich.....?! Natürlich stellte ich diese Frage laut.

 

Der Major war am Ende. Und froh, als auch seine Tätigkeit bei uns beendet war.

 

Unsere Lehrer befanden sich nach Abschluss des Wehrunterrichts in ihren angestammten Fächern wie Mathematik, Physik, Deutsch und Kunst wieder im sicheren Fahrwasser, ihre Freude war spürbar.

 

Die Erleichterung machte sie gut gelaunt - und etwas großzüger als sonst.

 

***

 

Fazit / meine Meinung: Auch heute würde grundsätzlich ein Unterricht zum Thema Katastrophenmanagement richtig sein. Es geht einfach darum, wie man sich bei Gefahren verhält. Darauf vorbereitet zu sein ist besser als ahnungslos überrascht zu werden.

 

Hier noch eine Kurzreportage des ZDF zum Thema Stromausfall in Deutschland: