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Hervorgeholt: Jagdschloss und Neues Jägerhaus in Grillenburg

Schönes und Finsteres beieinander

Am Alten Schloss
Am Alten Schloss

 

Heute für Dich hervorgeholt diese Eindrücke eines Winterausflugs vor einem Jahr, ich hoffe auf Schnee auch in diesem Winter. Los geht's:

 

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Grillenburg im Tharandter Wald, gelegen zwischen Freiberg und Dresden, trägt seinen Namen nicht umsonst. Nicht wegen der hier herumzirpenden Insekten, sondern, weil hier schon seit alter Zeit etwas gegen die "Grillen", die schlechte Laune, getan wurde. Das klappt auch heute noch hervorragend, wir haben es oft ausprobiert. Sicher ist jeder mal grillig ab und zu, da hilft eindeutig ein Ausflug hierher.

 

Heute kümmern wir uns aber nicht hauptsächlich um die tolle Umgebung - Wald und Wiesen und Teiche - von Grillenburg - sondern um seine geschichtsträchtige Jagdschlossanlage, bestehend aus Altem Schloss mit seinen Nebengelassen und dem Neuen Jägerhaus, das auch einige imposante Nebengebäude hat. 

 

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Das Neue Jägerhaus
Das Neue Jägerhaus

 

Was hat es mit Schloss und Jägerhaus so auf sich? Gucken wir es uns an. Schön zu jeder Jahreszeit.

 

 

Das ganze Ensemble hat eine wechselvolle, umfangreiche Geschichte. Und die ist noch lange nicht zu Ende, sondern wendet sich gerade wieder. Denn 2015 kaufte die TU Dresden das Areal. Momentan erarbeitet man ein Konzept, was die Nutzung als Tagungsstätte für die Universitäten Dresden und Freiberg vorsieht. Aber auch private Besucher sollen willkommen sein. Nach Einschätzung in 2019 wird das Vorhaben ca. 36 Millionen € kosten und 2024 abgeschlossen sein. Sicher wird Corona hier verzögernd wirken - wir werden sehen. Die TU Dresden veröffentlichte eine Machbarkeitsstudie mit Nutzungskonzept, hier ein Bild von der möglichen Zukunft. Das rote sind neue Gebäude:

 

www.tharandt.de
www.tharandt.de

 

Aber nun wieder ein Blick zurück in die Vergangenheit.

 

Das Alte Schloss wurde in seiner heutigen Erscheinung erst 1850 gebaut. Und zwar aus den Überresten eines Jagdschlosses aus dem 16. Jahrhundert, damals errichtet für König August den Sachsen (nicht den Starken). Gegen Grilligkeit, wie gesagt. 1614 war die Anlage dann, bestehend aus Schloss und mehreren dazugehörigen Gebäuden, fertiggestellt. Menschen siedelten sich an, der Ort "Grillenburg" entstand.

 

 

An dieser Stelle, auf einer Lichtung, standen auch früher schon schlossähnliche Bauten, die bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgbar sind. Sie dienten als Abtei, Grablege sächsischer Fürsten und als Pilgerhospiz. Mehrfach wurde die Anlage durch Kriege und Brände zerstört. Die darauf wieder folgenden Auf- und Umbauten gestalteten das Areal immer etwas anders.

 

Jagdschloss Grillenburg um 1700 (https://www.wikiwand.com/de/Jagdschloss_Grillenburg)
Jagdschloss Grillenburg um 1700 (https://www.wikiwand.com/de/Jagdschloss_Grillenburg)

 

Bis 1918 nutzte es der sächsische König für die Jagd. Nach Ende der Monarchie wurde es Herberge, Café, Ausflugsort. Auch als Amtssitz für Verwaltung und Technische Universität Dresden nutzte man es. Später zog ein Waldmuseum ein. Dort war ich mehrmals drin, das letzte Mal so 2001/2002 mit meinem kleinen Sohn. Gemeinsam wunderten wir uns über ein riesiges Fell an der Wand, was angeblich von einem Biber stammen sollte. Der war dann so groß wie ein mittleres Wildschwein......

 

 

Jagdsaal Schloss Grillenburg 2008 / www.wikiwand.com
Jagdsaal Schloss Grillenburg 2008 / www.wikiwand.com

 

Schön war, dass man damals noch in das Alte Schloss hineinkonnte, denn abgesehen vom Waldmuseum war natürlich auch das Schlossinnere selbst sehr sehenswert. Besonders in Erinnerung sind mir die schönen Kachelöfen.  Seit einigen Jahren ist die Besichtigung nicht mehr möglich.

 

Zurück in die Geschichte.

 

 

 

 

1936 nahm sich die Landesforstverwaltung des Schlossambientes an und erbaute hier den "Sächsischen Jägerhof". Dazu gehörte das Alte Schloss mit seinen Nebengebäuden, was alles renoviert wurde. Und der Neubau eines Gästehauses auf alten Gewölberesten, genannt "Neues Jägerhaus". 

 

Hier traf man sich zur Jagd und zum Feiern, aber auch zur politischen Arbeit. Martin Mutschmann war damals Sachsens Ministerpräsident, NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter von Dresden. Er galt als ausgeprägter Antisemit und Antikommunist, war selbst Landesjägermeister, leidenschaftlicher Jäger und Volkskunstliebhaber. Mutschmann verbrachte viel Zeit hier. Deshalb nennt man das Neue Jägerhaus auch heute noch manchmal Mutschmann-Villa. Nach den Luftangriffen im Februar 1945 diente das Jagdhaus vorübergehend als Stützpunkt der Dresdner Statthalterei. Zum Kriegsende 1945 floh Mutschmann vor den Alliierten. Sein Fluchtweg führte ihn nochmals kurz nach Grillenburg, danach ins Erzgebirge. Hier wurde er in der Nähe von Breitenbrunn verhaftet. In Moskau machte man ihm den Prozess. 1947 im Februar wurde er vermutlich hingerichtet.

 

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Ein paar Innenansichten des Neuen Jägerhauses von "Peters Homepage" in 2006 (www.havel-web.de):

 

 

 

Erbaut wurde dieses Haus nach Plänen des Dresdner Architekten und damaligen Rektors der TU, Prof. Wilhelm Jost. Gauleiter Mutzschmann ließ einen eigenen Luftschutzbunker unter dem Haus anlegen. Auch eine Kegelbahn, ein Teich mit Bootshaus, zwei größere Wohnhäuser für Personal sowie ein parkähnlicher Garten mit mehreren Bronzeskulpturen gehörten zum Neuen Jägerhaus.

 

 

In der DDR nutzte man das Anwesen als Kurheim  und auch zur Unterbringung wichtiger Staatsgäste. Beispielsweise Leonid Breshnew und Fidel Castro waren schon hier. Bis 1993 wurde das Neue Jägerhaus noch als Pension betrieben.

 

Ansichtskarte von 1977: Neues Jägerhaus Grillenburg (Bildquelle: www.zvab.com) / VdN-Kurheim für Verfolgte des Naziregimes
Ansichtskarte von 1977: Neues Jägerhaus Grillenburg (Bildquelle: www.zvab.com) / VdN-Kurheim für Verfolgte des Naziregimes

 

Nachtrag vom 05. 01. 2022:

 

VdN bedeutet hier "Verfolgter des Naziregimes" und bezeichnete in der DDR Personen, die in der Zeit von 1933 - 45 politischen Widerstand leisteten, dafür verfolgt worden waren. Solche Leute bekamen Entschädigungen und besondere Dienstleistungen, zum Beispiel Erholungsurlaube in extra dafür eingerichteten Kurheimen. Eins davon, hier in Grillenburg, wurde nach Elsa Fenske benannt. Wer war das?

 

Elsa Fenske, Jahrgang 1899, in der Schweiz aufgewachsene Fabrikantentochter mit kaufmännischer Ausbildung, war KPD-Funktionärin und Widerstandskämpferin. Die Aachenerin lebte später in Berlin, dann in Hamburg. 1933 wurde sie mit ihrem kleinen Sohn Kurt, geboren 1930, verhaftet. Nun saß sie drei Monate lang in Untersuchungshaft, wurde dann freigelassen. 1938 verurteilte man Elsa Fenske zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe, wegen "Vorbereitung zum Hochverrat".  Ihr Mann, Kurts Vater, geriet in Gefangenschaft und kehrte nie zurück. Das Kriegsende überlebte die Frau in der Haft nur knapp, da sie krank im Lazarett lag und deshalb nicht nach Auschwitz gebracht wurde. Wo das Kind in der Zeit war, weiß ich nicht. Fenske überlebte Kerker und Krankheit, wurde von der Roten Armee befreit.  Kurz danach kam sie durch ihre Parteiarbeit nach Dresden, einige Tage später war sie hier Stadträtin und Leiterin des Dezernats für Sozialfürsorge. 1946 starb Elsa Fenske nach einem Verkehrsunfall auf der Landstraße.

 

Wie es ihrem Sohn Kurt damals ergangen ist, konnte ich nicht herausfinden. Er war ungefähr drei Jahre alt, als seine Mutter verhaftet wurde. Fünf Jahre alt, als man sie zu lebenslänglicher Haft verurteilte. Fünfzehn Jahre alt, als sie endlich frei war. Erst sechzehn, als sie starb.

 

Ich hoffe, Kurt hatte gute Großeltern. Jedenfalls machte er Abitur, studierte Wirtschaft in Leipzig und Berlin, begann dann seine Karriere in der DDR, war Generaldirektor eines großen VEB. Noch nicht vierzigjährig wurde Kurt Fenske Mitglied der DDR-Volkskammer und später stellvertretender Minister für Außenwirtschaft und Außenhandel. Danach war er bis zur Wende 1989 Staatssekretär, ebenfalls für Außenwirtschaft und Außenhandel.

 

Was der damals noch nicht Sechzigjährige nach dem Ende der DDR tat, ob er heute noch lebt, habe ich nicht herausgefunden. Wenn ja, so feiert er im kommenden Mai (2022) seinen 92. Geburtstag.

 

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Viele Jahre steht dieses Haus jetzt leer.

 

Aber es gibt ja nun Hoffnung.

 

 

 

Kaffee gabs natürlich auch: