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Lass' den Sturm in Dich hinein

Unterwegs im November

Von Rechenberg nach Holzhau
Von Rechenberg nach Holzhau

 

Heute sind wir endlich wieder unterwegs! Diesmal zwischen Rechenberg und Holzhau im Erzgebirge, an einem besonderen, düster-wohligen Spätherbsttag. Das hier ist Rübezahl-Land, der Nebel hängt über schwarzem Wald in der Ferne. So schön.

 

Von der Rechenberger Hauptstraße am Rathaus nehmen wir den Weg hinauf zu Kirche und Brauerei. Hinter dem letzten Brauereigebäude biegt ein kleiner Weg nach rechts ab und führt weiter bergauf. Der Rechenberger Kräuterpfad. Ein kurzer, aber feiner Weg mit fantastischer Aussicht. Die brauchen wir auch gerade nötig, denn:

 

Die guten Gedanken sollen wieder die Zügel übernehmen.

 

Wie?

 

Ein kleines Gedicht von Wolfgang Borchert passt. Borchert ist mir wegen seines Dramas "Draußen vor der Tür" besonders lieb. Ein großes Talent dieser Mann, der leider schon mit sechsundzwanzig gestorben ist. Mehr über ihn hatten wir in der Täterwerkstatt im Januar 2020 (mit tollem Hörspiel), siehe Button am Beitragsende.

 

Aber jetzt Borcherts Rat an uns heute:

 

Versuch es

 

Wolfgang Borchert 

 

Stell dich mitten in den Regen,
glaube an den Tropfensegen,
spinn dich in dies Rauschen ein
und versuche, gut zu sein!

 

Stell dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind -
lass den Sturm in dich hinein
und versuche, gut zu sein!

 

Stell dich mitten in das Feuer -
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein
und versuche, gut zu sein!

 

 

Gut gelaunt und gelüftet, so heisst unsere persönliche 2G-Regel für heute, fahren wir mit dem Zug "Hannah" wieder heim, als es tatsächlich schon dunkel ist.

 

Der Maulwurf grinst und überrascht mich mit seiner persönlichen 3G-Regel, als wir im Zug das Kaffeerohr rausholen: Großartig, gutaussehend, gierig nach Kaffee. Na dann, ein schönes Wochenende trotz "Wellenbrecher" und Irrsinn.

 

***

 

Apropos Irrsinn. Und Aufrichtigkeit und Verantwortung. Hier noch ein Ausschnitt, aus "Draußen vor der Tür". Der Exsoldat Beckmann "bringt seinem ehemaligen Vorgesetzten die Verantwortung zurück". Ich finde den Text immer wieder großartig, aber lies selbst:

 

 

 

BECKMANN: .... Und ich hatte die Verantwortung. Ja, das ist alles, Herr Oberst.  Aber nun ist der Krieg aus, nun will ich pennen, nun gebe ich Ihnen die Verantwortung zurück, Herr Oberst, ich will sie nicht mehr, ich gebe sie Ihnen zurück, Herr Oberst.

OBERST: Aber mein lieber Beckmann, Sie erregen sich unnötig. So war das doch nicht gemeint.

BECKMANN: (ohne Erregung, aber ungeheuer ernsthaft) Doch.  Doch, Herr Oberst.  So muß das gemeint sein.  Verantwortung ist doch nicht nur ein Wort, eine chemische Formel, nach der helles Menschenfleisch in dunkle Erde verwandelt wird.  Man kann doch Menschen nicht für ein leeres Wort sterben lassen.  Irgendwo müssen wir doch hin mit unserer Verantwortung.  Die Toten -- antworten nicht.  Gott --antwortet nicht.  Aber die Lebenden, die fragen.  Es sind nur elf Frauen, Herr Oberst, bei mir sind es nur elf.  Wieviel sind es bei Ihnen, Herr Oberst?  Tausend?  Zweitausend?  Schlafen Sie gut, Herr Oberst?  Dann macht es Ihnen wohl nichts aus, wenn ich Ihnen zu den zweitausend noch die Verantwortung für meine elf dazugebe.  Dann kann ich wohl nun endlich in aller Seelenruhe pennen.  Seelenruhe, das war es, ja, Seelenruhe, Herr Oberst! 

 

(Quelle: https://la.utexas.edu/users/arens/swaffar/distance/draussen7.htm)

 

 

Ja, so muss das gemeint sein!