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Hervorgeholt: Ritter Georg und der Lindwurm von Schwarzenberg (2)

Wie der Drache von Schwarzenberg besiegt wurde

Ritter Georg (www.pixabay.com / TheDigitalArtist)
Ritter Georg (www.pixabay.com / TheDigitalArtist)

 

Heute wollen wir erfahren, wie es in Schwarzenberg weiterging.

 

Wir hatten die Geschichte gestern verlassen, als es sich der Drache sehr wohl ergehen ließ und keine Gefahr vermutete. Die Schwarzenberger dagegen lebten weiter in Angst, aber inzwischen auch mit einer großen Hoffnung in den Herzen. 

 

Warum ?

***

 

Sie erwarteten keinen Geringeren als Ritter Georg, den Drachentöter. Ihn hatten sie in ihrer Not und Verzweiflung um Hilfe gebeten. 

 

Auch der Junge Kuno, dessen Idee der Brief an Georg gewesen war, wartete. Ungeduldig. Verkaufte er sein Töpferzeug, so hielt er Augen und Ohren offen. Lief er durch die Stadt und machte Besorgungen, auch. Ob einer schon was von Ritter Georg gehört hatte, ob der schon in der Nähe war ? Nichts. Kuno glaubte daran, das Ritter Georg kommen und helfen würde. Ganz sicher. Er sprach sich immer wieder selbst Mut zu.

 

Dann, eines Tages im März - die Sonne schien ungewöhnlich warm und es hatte gerade geregnet - trat ein großer Mann durchs Stadttor und ließ sich erschöpft vor einer Schenke nieder. Hier löschte er seinen riesigen Durst; auch sein Pferd, ein schwarzes großes Tier, bekam zwei Eimer Wasser.  Der Mann trug keine Rüstung, nur einfache Leinengewänder und einen Wollumhang mit einem darauf gestickten Drachen.

 

Nachdem die Durstigen zufrieden waren, sprach der Mann den Wirt an: "Mein Name ist Georg. Ich glaube, hier warten ein paar Leute auf mich ?" Dem Wirt fiel vor Freude und Schreck der Bierhumpen, den er gerade füllte, fast aus der Hand. Er rief seine Tochter, dass sie für ihn hier einsprang. Dann fasste er sich und dankte dem Ritter für sein Kommen. Er bot ihm ein Nachtquartier an, in das Pferd und Reiter einzogen. Währenddessen der Wirt die Stadtbewohner informierte und zu einer Beratung ins Wirtshaus mit Ritter Georg einlud.

 

Der hatte sich inzwischen erfrischt und in seine Rüstung gekleidet. Schließlich war man ein Drachentöter und musste auch so aussehn. Und die Frauen waren auch gleich viel freundlicher, wenn man einigermaßen ritterlich in Erscheinung trat.

 

Die Nachricht von Georgs Ankunft verbreitete sich rasch. (Auf den Vergleich mit dem "wie ein Lauffeuer" verzichten wir, da es in Schwarzenberg durch den bösartigen Feuerdrachen eh schon dauernd brannte.) Wer irgendwie konnte, kam in die Schankstube zum Wirt am Obertor. Alle wollten Ritter Georg sehen und hören, was nun passieren würde. 

 

 

Dicht gedrängt standen Männer, Frauen und Kinder in der großen Schankstube, durch die offene Tür sahen die Besucher herein, die keinen Platz mehr im Haus fanden. Man diskutierte wild. Dann ging die Innentür in die Schankstube auf, von der man aus dem Treppenhaus hereinkommen konnte.

 

Und herein trat Ritter Georg. Eine Erscheinung. Sofortige Stille. Andächtig und ehrfurchtsvoll wurde er von den Menschen betrachtet (Er wusste schon, warum er sich umgezogen hatte.). Dann sprach er zu ihnen: "Leute von Schwarzenberg, vielen Dank für Eure Einladung hierher. Gerne helfe ich Euch, das Untier, das Euch so grausam quält, zu bannen."

 

Kuno fasste sich ein Herz, drängelte sich durch die Menge und stand vor Georg: "Und wie wollt Ihr das machen? Unser Drachen ist  riesig, speit Feuer und kann fliegen." Georg lächelte nicht. Er nahm den Jungen ernst. "Wie heißt Du, Junge ?" - "Kuno." antwortete der. Der Ritter schaute konzentriert zu Kuno und sprach: "Du hast recht. Einfach wird das nicht. Aber wir werden einen Weg finden. Irgend etwas gibt es immer, um so ein Wesen zu vertreiben oder zu töten. Dazu muss ich alles über den Drachen wissen, was Ihr mir hier erzählen könnt. Und Du, Kuno, fängst an."

 

Nun begann Kuno zu erzählen, von seiner Mutter, von Bränden, Jagden des Drachen. Wie er kreisend über den Unglücksstätten herumflog und sein Spiel mit den Opfern trieb. Langsam fassten auch die anderen Stadtbewohner Mut. Fast jeder erzählte etwas, was er mit dem Drachen erlebt oder über ihn gehört hatte. Der Burgherr, der ebenfalls mit ein paar Getreuen in die Schankstube gekommen war, berichtete auch. Von Lukas, dem entführten Hengst. Den Schäden an Schloss und Brunnen. Der verlorenen Dienerschaft. Und - von seiner ersten Frau. Der Christiane mit der fürchterlichen Stimme. 

 

"Wartet - wiederholt mir das mit Frau Christiane nochmal, bitte." bat Georg. Der Burgherr berichtete ausführlich über seine anstrengende erste Gattin, deren Gekeife, Gezänk und Gemecker den ganzen Tag. Und wie der Drache eines Tages dieses dürre, zähe Lu... äh, die sehr schlanke Gattin geholt habe. Obwohl das Untier sonst eigentlich nur wohlgenährte Beute verspeiste.

 

Ritter Georg hörte sich alles nochmals an und überlegte kurz. Dann rief er: "Das ist es! Unser Drache hasst Lärm. Alle Drachen haben ein sehr gutes und empfindliches Gehör. Dieser hier scheinbar besonders. Wir machen ihm die Hölle heiß. Mit Krach!" Alle hielten das für eine ungewöhnliche und gute Idee.

 

Nun besprach man Details, verteilte Aufgaben, machte einen Plan.

 

www.pixabay.com /  pixundfertig
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Eines jedoch hatte Georg den Schwarzenbergern verschwiegen.

 

Er tötete nicht einfach so jeden beliebigen Drachen, nur weil es ein Drachen war. Immer erst machte er sich ein Bild von der wirklichen Situation, in der sich Menschen und Drache befanden. Es gab auch friedliche Drachen, die einfach in Ruhe gelassen werden wollten. Mit denen gab es nur Ärger, wenn mutwillige oder hysterische Personen sie immer wieder bedrängten. Diese Exemplare fraßen allerdings keine Menschen oder deren Haustiere. Oder der Drachen war nicht friedlich, konnte aber relativ einfach vertrieben werden. Das ging ganz gut, solange sie nicht derartig groß und stark wurden wie dieser es hier zu sein schien. Georg hatte nur Beschreibungen gehört, Zeichnungen gesehen und einen Fußabdruck am Fluss. Einen Drachen solcher Größe hatte er noch nie gesehen. Groß wie ein Haus, so hatte ihn Kuno beschrieben.

 

So gefährlich sie oft waren, so faszinierend fand Georg die Drachen. Deshalb musste er den Schwarzenberger Lindwurm unbedingt sehen. Gesagt hatte er das den Menschen hier nicht. Nach seiner Erfahrung hätten sie ihn nicht verstanden, sondern für einen Spinner gehalten. Das hätte alles nur komplizierter und gefährlicher gemacht, für alle.

 

***

 

So ging er an diesem zeitigen Märznachmittag die neblige Schwarzwasser entlang und rief in Drachensprache leise nach dem Drachen. Die gurrenden, leicht zischenden Laute mischten sich mit dem Gemurmel des Wassers. Nichts geschah. Vielleicht wollte der Drache nicht mit Georg sprechen oder er war außer Hörweite. Gerade wollte der Ritter umkehren, da sah er den riesigen schwarzen Schatten am anderen Flussufer von weitem.

 

Das war er !

 

Voller Spannung und Faszination ging Georg auf dieses mächtige Tier zu. Noch nie hatte er dergleichen gesehen. Ob es ihn verstand ? Ob es ihn gleich töten würde ?  Vorsichtig begrüßte der Ritter den Drachen, der gerade aus dem Fluss trank und dann langsam den Kopf hob: "Ich grüße Dich auch, Georg. Habe schon von Dir gehört. Du bist hier, um mich zu töten ?" "Nicht unbedingt." sprach der Ritter "Warum quälst Du diese Menschen so ?" Die Augen des Drachen funkelten kalt: "Weil sie laut, dumm und falsch sind. Sie stören mich." Angewidert schüttelte er seine Schuppen, was einen Windhauch erzeugte. "Ich ekele mich manchmal vor ihnen. So wie sie sich vor Ratten und Würmern. Diese Menschen taugen nur zum Fressen, ansonsten müssen sie vernichtet werden. Keinesfalls dürfen es zu viele an einem Ort sein, der Krach ist unerträglich. Und ihre Leichtfertigkeit und Dummheit, die quakigen Stimmen der meisten Weiber ! Hier auf den Schwarzenberger Höhen ist nur für einen Mächtigen Platz: für MICH ! Ich war zuerst da und hier bleibe ich auch.  Also nimm Dich lieber in acht, Georg. Du gehörst auch zu ihnen. Und, obwohl ich Dich achte im Gegensatz zu diesem feigen, blassen Gesindel, müsste ich Dich auch töten, kämest Du mir zu nahe."

 

"Dann kann es zwischen uns keinen Handel geben, wenn Du nicht zum Frieden mit diesen Leuten oder zum Weiterziehen bereit bist." sagte Georg.

 

"So sei es Krieg." zischte der Drache, lächelte böse und flog davon. "Wird mir ein Vergnügen sein...." lachte er noch oben in den Wolken und schlug übermütig pfeilschnelle Purzelbäume in der Luft. Oh ja, jetzt hatte er wirklich sehr gute Laune, der Drache.

 

Georg ging in die Stadt zurück und verriet keinem etwas von seiner Unterhaltung mit dem Bösen am Fluss. Er hatte erreicht, was er gewollt hatte. Den Drachen sehen und die friedlichen Möglichkeiten prüfen. Hier gab es leider keine, das war nun klar.

 

Also musste der Drache sterben. Und zwar bald.

 

***

 

Die Nacht brach herein.

 

Die Schlacht gegen den Drachen konnte beginnen. Jeder war auf seinem Platz wie verabredet. Die Schwarzenberger hatten sich im Wald rund um die Drachenhöhle gut versteckt. Alle hatten etwas mit, womit sie Lärm machen konnten. Trommeln, Klanghölzer, Trompeten, Pfeifen, Kochtöpfe mit Deckeln und Holzlöffel. Es war ohrenbetäubend, als sie begannen, Krach zu machen. Auch Kuno war mit dabei. Er hatte einen kleinen Kupferkessel seiner Großmutter mitgebracht, den er mit einer alten Zange traktierte. Es klang grauenhaft. Kuno grinste im Dunkeln.

 

Es war stockfinster. Kein Mond. Nach einer Weile kam der Drache aus seiner Höhle. Es wurde still. Er verstand nicht, was das war. Woher dieser unerträgliche, komische Lärm kam. Das Untier ging wieder in die Höhle zurück. Da! Wieder krachte, knallte, quäkte, scherbelte, kreischte es im Wald. Und wieder fuhr er heraus. Und wieder war es still. So ging es bis zum Morgengrauen. Hin und Her. Der Drache tat kein Auge zu und war sehr genervt.

 

Und dann kam der Drachentöter. Georg ritt mit gezücktem Schwert zur Höhle des Drachen und forderte ihn zum Kampf heraus.

 

Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg
Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg

 

Wütend kam der übermüdete Drachen aus der Höhle, um seinen Angreifer zu töten. Er riss das Maul auf, um den Ritter vom Pferd zu schnappen. Eine Weile kämpften sie miteinander. Dann jedoch stieß Georg sein Schwert mit ganzer Kraft in den Rachen des bösen Wesens. Wie er wusste, die empfindlichste Stelle des Tieres, an dessen schuppiger Außenhaut man keine Chance hatte.

 

Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg
Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg

 

Tödlich getroffen bäumte sich der Drache auf, brüllte und bewegte sich schwankend auf Georg zu. Der musste auf seinem Pferd ausweichen, um nicht unter dem schweren Drachenkörper begraben oder von den Krallen erfasst zu werden. Ein Stück gelang es ihnen auch, dem Reiter und dem Hengst. Das Pferd tänzelte verzweifelt. Lose Steine rollten unter seinen Hufen hangabwärts. Aber da war die Felsklippe. Sie hatten keine Chance.

 

Ritter Georg und sein schöner schwarzer Hengst stürzten gemeinsam in die Tiefe. 

 

Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg
Bild auf der Bahnhofstraße in Schwarzenberg

 

Der riesige Drachen jedoch war tödlich getroffen. Er taumelte in Richtung Felsenrand und stürzte ebenfalls hinab.

 

Dann wurde es still.

 

***

 

Vorsichtig kamen die Menschen aus ihren Verstecken. Sie fanden die Toten am Fusse des Drachenfelsens.

 

Den Tod des Drachen bejubelten alle. Endlich waren sie von seiner Schreckensherrschaft befreit. Nie mehr musste jemand Angst vor von dem Untier verursachten Feuersbrünsten und seinen grausamen Mordattacken haben. Frei würde man hier in Schwarzenberg leben können, wunderbar ! Die Freude war grenzenlos.

 

Gleichzeitig betrauerte man den Ritter Georg und sein Pferd. Für beide hob man ein Grab unterhalb des Drachenfelsens, den sie hinabgestürzt waren, aus und begrub sie dort mit allen Ehren. Auch Kuno stand am Grab, aber er weinte nicht. Schließlich war er ein Mann und konnte sich zusammenreißen. Viel zu danken hatte man diesen beiden. Das wollte man ihnen nie vergessen. 

 

***

 

Und das tat man auch nicht. Bis heute erzählt man sich die Geschichte von Ritter Georg und dem Drachen von Schwarzenberg. Eine Kirche, die St.-Georgskirche wurde zu seinen Ehren nach ihm benannt. Bei jährlichen Festen gedenkt man der sagenhaften Geschehnisse. Drachen, allerdings harmlose, sind in der Stadt allgegenwärtig. Es gibt zum Beispiel den Schwarzenberger Räucherdrachen in verschiedenen Größen und einen Apothekendrachen, der die Stadtapotheke bewacht. Die Bahnhofstraße der Stadt, die vom Bahnhof zum Schloss hinaufführt und am Drachenfelsen vorbei, hat man mit Bildern geschmückt. Einige davon siehst Du hier oben in der Geschichte. Der Drachenfelsen heißt jetzt Totenstein, weil das böse Untier endlich besiegt wurde.

 

Und im Stadtwappen von Schwarzenberg sieht man auch heute alle drei: Ritter Georg, sein Pferd und den Drachen:

 

 

***

Der Maulwurf ist beruhigt, weil das Untier besiegt wurde und heutzutage nicht mehr irgendwo gefährlich herumopert. Zum Beispiel an unserem Aussichtspunkt. Aber ganz sicher weiß man ja nie...