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Hervorgeholt: Ritter Georg und der Lindwurm von Schwarzenberg (1)

Die Missetaten des Untieres

www.pixabay.com / Noupload
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Aus alter Zeit gibt es viele Geschichten, in denen es um Drachen geht.

 

Meist waren diese auch als Lindwürmer bezeichneten Wesen bösartig, groß und gefährlich. Oft des Feuerspeiens mächtig und damit klar im Vorteil gegenüber den vergleichsweise kleinen, schutzlosen Menschen.

 

So ein Ungeheuer begegnete uns kürzlich in Schwarzenberg im Erzgebirge am Totenstein. Aber zum Glück nur in der Legende, die diese kleine Stadt bis heute prägt.

 

 

Blick vom Totenstein, dem Drachenfelsen
Blick vom Totenstein, dem Drachenfelsen

 

Wenn Du willst, erzähle ich Dir jetzt diese Drachengeschichte, also pass gut auf:

 

***

 

Vor langer Zeit lebte ein riesiger, böser Drache auf einem Felsen über der Stadt Schwarzenberg. 

 

Das Ungeheuer war groß wie ein Haus und konnte gemütlich in jeder Klaue während des Fliegens einen Menschen wegtragen. Was es auch tat. Denn der Drache fraß am liebsten Menschen oder größere Tiere.

 

 

Dieser Drache hatte eine fast unverletzbare dicke schuppige Panzerhaut. Er konnte Feuer speien und damit ganze Städte und deren Bewohner vernichten. Nun war er aber nicht nur hungrig, sondern auch noch äußerst grausam. Spaß machte es diesem Untier, andere Lebewesen zu quälen und sich an ihrem Leid zu erfreuen. So blies er zum Beispiel einen Feuerstrahl mitten in dunkler Nacht in eine der kleinen Gassen der Stadt Schwarzenberg. Schreiend vor Schmerzen und Angst kamen Mensch und Tier aus ihren Quartieren gerannt. Der Drache flog niedrig und langsam Kreise über der Brandstätte, um alles besser sehen zu können. Wurde es ihm schließlich genug, so schnappte er sich zwei Menschen oder auch eine laut brüllende Kuh und trug sie davon.

 

Entsetzt starrten die diesmal Verschonten ihm hinterher.

 

www.pixabay.com / Gassflor
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Auch mit den Frauen, die am Fluss Schwarzwasser die Wäsche wuschen und die Kühe tränkten, trieb der Drache ein übles Spiel. Er versteckte sich über ihnen auf einem Felsen am Wasser und beobachtete sie bei der Arbeit und beim Plaudern, Lachen und Singen. Sie gefielen ihm sehr, diese schönen, fremden und arglosen Wesen. Wie sie da so schwatzen und sich Geschichten erzählten, während sie die Wäsche schrubbten, im Wasser hin- und herschwangen, auswrangen und stapelten und später die Kühe striegelten.

 

Am meisten gefiel ihm der Moment, wenn er mit dem Kopf nach unten laut zischend, aber noch ohne Feuer auf sie herniederstieß. Das Todesentsetzen in den aufgerissenen Augen der Frauen, ihre Schreie oder die stille gelähmte Angst, das Brüllen der Kühe - das fand er alles sehr unterhaltsam. Vor allem, wenn sie dann versuchten, wegzulaufen und ihm zu entkommen. Lächerlich. Was ihnen natürlich nicht gelingen konnte. Er hetzte sie solange, bis sie nicht mehr konnten und zusammenbrachen. Oder sich vor Angst in den Fluss oder eine Klippe herunterstürzten.

 

Dann sammelte er seine Beute, Frauen und Kühe,  in Ruhe ein, brachte sie in seine Höhle und fraß eine nach der anderen auf. Hatten die Frauen ihre Kinder dabei, so ließ er die liegen. Aber nicht aus Güte, denn dazu war er gar nicht fähig. Sie waren ihm einfach nur zu klein und zu laut. Denn dieser Drache liebte einerseits seine Ruhe und andererseits die Angstschreie seiner Opfer. Ein ambivalentes Ungeheuer. Sonstigen Krach mochte er nicht. Den Lärm kleiner Kinder ertrug er ungern, auch nicht eine Sekunde. 

 

Das war das Glück der Kleinen, die mutterlos am Schwarzwasserufer zurückblieben. Manche so klein, dass sie nur in ihrem Körbchen liegen und auf Rettung warten konnten. Andere größer, sie rannten solange, bis sie einen Menschen fanden, der sich ihrer annahm. Die unersetzliche Mutter aber, die jedes Kind nur einmal hat, war für immer verloren.

 

Und das alles war das gemeine Werk des Untiers vom Schwarzenberger Drachenfels.

 

www.pixabay.com / Beeki
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So ging es jahrein, jahraus. Tod, Schrecken, Feuer, Verzweiflung, Angst, Ohnmacht bei den Menschen.

 

Der Drache jedoch gedieh prächtig, hatte er doch reichlich zu fressen und beste Unterhaltung. Tun konnte ihm keiner was, denn dazu war er zu groß, zu stark und zu klug. So dachte er selbst. Die Menschen in Schwarzenberg aber, die so nicht mehr weiterleben, aber ihre Heimat auch nicht einfach verlassen konnten, berieten immer wieder, wie dem Untier beizukommen wäre. So vieles war schon versucht worden, noch nichts hatte gefruchtet.

 

Nach einem weiteren Drachenangriff, diesmal verbrannte der Böse kurz nach der Wintersonnenwende die gesamte Schustergasse und fraß fünf Menschen, da hatte in der Zusammenkunft der Einwohner ein Junge eine Idee. Er selbst hatte vor Jahren seine Mutter durch den Drachen verloren und hasste ihn aus ganzem Herzen dafür.

 

Der Junge war klug, mutig und konnte sogar lesen und schreiben. Er verkaufte die von seinem Großvater getöpferten Gegenstände hier in der Umgegend. Dabei traf er viele Leute und hörte so manches. Er hieß Kuno, hatte kupferrotes Haar und Sommersprossen. Und war nicht nur klug, sondern auch sehr hartnäckig. Wollte er einmal etwas wirklich, so war er nicht davon abzubringen. Kuno hatte unterwegs von einem berühmten Ritter gehört, der ein besonders mutiger Mann sein sollte. Und ein Spezialist für Drachen ! Sogar deren Sprache verstand dieser Georg angeblich. Die anderen waren zuerst skeptisch, schien ihnen doch Kuno mit seinen elf Jahren noch zu jung und kein Mann, dessen Wort etwas galt. Andererseits - was hatten sie schon zu verlieren ? Allesamt hatten sie versagt bisher. Das wussten sie selber. Das wussten alle.

 

KUNO ________www.pixabay.com / 809499
KUNO ________www.pixabay.com / 809499

Kuno aber berichtete, was er über den Ritter, der Georg der Drachentöter hieß und zur Zeit in einem Fischerdorf unweit der großen schwarzen Felsen im Elbtal weilte, wusste. Da sahen die Männer und Frauen die Ernsthaftigkeit in Kunos Augen und erkannten die Gunst der Stunde. Für sie alle hier. Gemeinsam entwarfen sie eine Bittschrift an Ritter Georg, die Kuno aufschrieb und zur Burg hinauf brachte.

 

Der Burgherr, der ebenfalls unter dem Drachen litt und auch noch kein Mittel gegen diesen gefunden hatte, kümmerte sich um die Weiterleitung des Briefes. Dieser Burgherr seufzte.

 

Burg Schwarzenberg
Burg Schwarzenberg

 

Schon mehrfach hatte das Feuerbiest seinen Schlossturm versengt, die Kornvorräte verbrannt, den Brunnen beschädigt, einige Bedienstete, den Hauslehrer sowie seinen Lieblingshengst Lukas weggeschleppt und wahrscheinlich gefressen. Auch die erste Burgherrin, ihr Name war Christiane, war vor Jahren Opfer des Drachen geworden. Aber nicht, weil sie etwa an der Schwarzwasser Wäsche gewaschen oder Kühe gestriegelt hätte - das hatte sie nicht nötig. Statt sich einer sinnvollen Tätigkeit zu widmen, spionierte und meckerte diese Person den ganzen Tag hinter ihrer Familie und dem Gesinde her. Unglücklicherweise hatte diese Dame eine recht schrille und unangenehm quakige Stimme. Selbst ihr Gatte verzog schmerzlich das Gesicht, wenn sie in hohem Diskant unaufhörlich die Mägde scholt oder auch ihn kritisierte. Damit ging sie sogar von weitem dem feinen Gehör des Drachen auf den Nerv, der sie schließlich holte und auffraß, nur um endlich seine Ruhe zu haben. Schmecken tat sie ihm nicht, denn sie war dürr, knochig und zäh. Nun ja. 

 

Zurück zum Schlossherrn. Er beauftragte sofort einen Boten, der zu Ritter Georgs Aufenthaltsort reiten sollte.

 

Noch in der selben Nacht verließ der Bote den Burgberg Richtung südliches Elbtal. Es war keine Zeit zu verlieren.

 

Die verzweifelten Schwarzenberger blieben zurück, hofften aber jetzt auf Ritter Georgs Hilfe. Das gab ihnen die nötige Kraft zum Weiterleben. Das so dringend benötigte Licht im Dunkeln. Bald würde auch der Frühling kommen. Manchmal waren die Leute sogar ein wenig fröhlich. Auch Kuno wartete täglich auf Georgs Ankunft.

 

***

 

Viel Wasser floss die Schwarzwasser hinab. Der Drache indes erfreute sich auf seinem Felsen bester Gesundheit und genoss die aufkommenden Frühlingsstürme.

 

 

 

Aber das sollte sich bald ändern.

 

Wie es weitergeht, erfährst Du morgen im zweiten Teil unserer Geschichte.

 

 

***

 

Der Maulwurf war damals mit auf dem Drachenfelsen, der heute Totenstein heißt. Zu gerne hätte er sich ja das Untier von weitem mal angeguckt, ich auch.

 

Kleiner Drachenjäger
Kleiner Drachenjäger