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Hervorgeholt: Die wahre Geschichte von Rusava

Auf der Suche nach einer neuen Heimat

www.pixabay.com/Mysticartdesign
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Heute erzähle ich Dir die wahre Geschichte von Rusava. 

 

Rusava ist ein Sorbe. Ein junger Mann mit rotem Haar. Daher sein Name, der soviel wie "der Rötliche" bedeutet. Wir treffen ihn vor über tausend Jahren in einem undurchdringlichen Wald. Ein Fluss ist in der Nähe, sehen kann man den nicht. Aber hören. Bäche führen zu ihm hin. Kleine Berge gibt es hier. Und Wölfe. Sie heulen manchmal. Es ist Nacht.

 

Der Sorbe Rusava hat sein Lager hier im Wald aufgeschlagen. Er ist nicht allein. Eine Gruppe von vielleicht zwanzig Menschen ist bei ihm, Krieger wie er einige. Aber auch Frauen, Kinder, Alte. Sie alle sind auf der Suche nach einer neuen Heimat. Ihr altes Dorf weit im Osten haben sie verlassen, weil es dort immer wieder zu Streitigkeiten zwischen zwei Sippen gekommen war. Das waren die Familie von Rusava und die eines anderen jungen Mannes. Für beide schien kein Platz an dem gleichen Ort zu sein, so sehr bekämpften sie sich. Deshalb hatte Rusava sich nun entschlossen, sein Zuhause zu verlassen und anderswo sein Glück zu suchen. Seine Familie und einige Freunde begleiteten ihn.

 

Viele Wochen waren sie nun schon unterwegs, haben Gefahren und Entbehrungen überstanden. Einen neuen Ort zum Bleiben hatten sie noch nicht gefunden. Überall, wo sie hinkamen und sich niederlassen wollten bisher, da war schon jemand. Der das gar nicht gut fand, sich nun gegen Eindringlinge verteidigen zu  müssen.

 

Rusava will selbst keinen Streit mehr. Die vergangenen Jahre seines Lebens hatte er damit verbracht. Dabei wäre er selbst fast getötet worden und auch er hatte andere Menschen umgebracht. Er wollte nur irgendwo in Ruhe leben. An einem Ort, wo man das konnte. Wo es Wasser, fruchtbaren Boden und schützenden Wald gab. Und Fische! Denn Rusava ist ein Fischer. Schon als Kind erwies er sich als geschickter Angler und baute Reusen und Kescher, um seine Beute zu fangen. Vater und Mutter sind stolz auf diesen Sohn. Sie haben sich ihm angeschlossen, auf dem Weg ins Ungewisse.

 

www.pixabay.com / prettysleepy1
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Die Wölfe heulen immer noch ab und zu. Die Menschen schlafen erschöpft. Nur Rusava ist wach, er liegt am Feuer und schaut in den klaren Nachthimmel. Kalt ist es jetzt schon, der Herbst beginnt gerade. Sie sollten dringend zur Ruhe kommen, bevor es noch kälter und dunkler wurde. Schließlich mussten Hütten und Zäune für Mensch und Tier fertig sein, bevor der erste Schnee kam. Und bis jetzt hatten sie noch nicht einmal einen Ort gefunden, an dem sie bleiben konnten. Sorgen bedrücken Rusava, denn er ist verantwortlich für seine Begleiter, die sich ihm anvertraut hatten. Drei der Frauen erwarteten in Kürze ein Kind. Das machte es nicht einfacher.

 

Aber wo und wie würde er Land zum Siedeln finden, und vor allem - wann ?

 

Er beschließt, im Morgengrauen einen Erkundungsgang zu machen, allein. Unruhig und mit diesem Gedanken schläft er ein.

 

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Er erwacht, als das erste Morgenlicht den Himmel färbt. Es ist kalt. Er zieht sich seinen Umhang fester um die Schultern und macht sich zum Aufbruch fertig. Ganz früh am heutigen Tag will er die Umgebung hier erforschen. Auf den nahen Fluss ist er gespannt, er will ihn sehen, im Morgennebel. Sehnsucht sitzt in seiner Brust und macht ihn mutig. Kurz nur weckt er seinen jüngeren Bruder, damit die anderen wissen, wo er ist. Der Kleine will mit, aber das ist zu gefährlich für einen Elfjährigen. "Du musst hier auf alle aufpassen, Juro. Das ist wichtig." sagt Rusava zu ihm. Juro nickt verständig und setzt sich am glimmenden Feuer auf.

 

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Rusava geht leise in Richtung des rauschenden Wassers. Plötzlich ein Rascheln! Ein aufgescheuchter Vogel vor ihm fliegt auf. Er hat blaue Federn, die in der Morgensonne schimmern. Rusava ist beeindruckt. Es sieht fast aus, als ob die Federn selbst leuchten würden... Nach ein paar Metern setzt sich der Vogel auf einen niedrigen Ast. Er schaut zu Rusava zurück. Der Vogel neigt den Kopf und pfeift laut. Ein kehliges Geräusch. Rusava scheint es, als ob der Vogel sagen will: "Komm schon, wir suchen Dir eine neue Heimat!" Der junge Sorbe beschließt, sich darauf einzulassen. Nun folgt er dem Gefiederten. Stück für Stück.

 

 

Eine Weile führt der Weg sie durch Wald, dann durch niedrigeres Gebüsch und Gestrüpp. Bäche. Teilweise durch Schilf. Ein paar große graue Vögel mit langen Beinen fühlen sich gestört. Kreischend fliegen sie davon. Solche kennt Rusava. Er weiß, wo die sind, da gibts auch Fische. Hoffnungsvoll tritt er aus dem Schilf hervor.

 

Muldental
Muldental

 

Und steht am Ufer eines Flusses. Die Sonne scheint jetzt kräftig. Das Wasser glitzert. Der Anblick ist unbeschreiblich. Rusava weiß auf einmal, hier können sie bleiben. Er schaut sich nach dem kleinen Vogel um, weil er ihm danken will. Aber der ist schon verschwunden. Blau leuchtend flog er im Morgenrot davon.

 

Die nächsten Stunden verbringt Rusava mit der Erkundung der Umgebung. Aber da ist kein Mensch. Nur einzelne Graureiher fliegen auf. Große Fische schwimmen im Fluss, der später Mulde heißen wird. Mücken tanzen.

 

 

Und Rusava hat seine neue Heimat gefunden. Hier wird er ein Dorf gründen.

 

Barben - auch in der Mulde zu Hause /www.simfisch.de
Barben - auch in der Mulde zu Hause /www.simfisch.de

 

Voller Freude und Ungeduld geht er seinen Weg zurück. Kaum kann er es erwarten, seinen Leuten zu erzählen, was er gefunden hat. Er rennt. Zweige peitschen ihm ins Gesicht. Einmal rutscht er fast auf einem glitschigen Stein aus. Da ist ihm, als ob er, versteckt im schattigen Geäst eines entfernten Baumes, den blauen Vogel wiedersieht. Der stößt einen warnenden Pfiff aus.

 

Dann ist Rusava da. Er packt den erschrockenen Juro und hebt ihn in die Luft: "Wir bleiben hier !" jubelt er. Dann reden und fragen alle durcheinander. Sie lachen und schütteln ungläubig die Köpfe. Einige packen schon. Alle freuen sich, aber wirklich erstaunt sind sie nicht. Haben sie es doch gewusst: Rusava wird sie nicht enttäuschen.

 

 

Und das hat er nicht. 

***

 

Denn in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends nach Christus gründete ein Sorbe namens Rusava eine Fischersiedlung an der Mulde. Und daraus wurde später die Stadt Roßwein, die Rusava ihren Namen verdankt (Rusavin und dann villicus de Rosewin - Dorf des Rusava). Hat also erstmal nichts mit Pferden und Wein zu tun - sorry, mein Rossi. Aber letztlich hat es sich im Wappen durchgesetzt, das Pferd. Sonst wäre ja heute um ein Haar ein rotschopfiger Mann mit Angel darauf. So knapp gehts manchmal zu im Leben. Ich sags Dir.

 

 

 

Wenn ich mir das Rossi so angucke, dann kommt es mir vor, als ob es lacht.... (Klar, denn es hat gewonnen.).

 

***

 

 

Der Maulwurf meint das auch.