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Abenteuerfreitag: Klosterzauber

In Altzella

 

Schon ein halber freier Tag kann ein ganzes Glück bedeuten.

 

So wie am letzten Freitag. Mittags machen wir uns nach Nossen auf, wollen ins Kloster Altzella. Ein abenteuerlich freier Nachmittag in der Woche, das Wetter ein Spätsommertraum. Bestens geeignet für einen Klostertag also, denn vermutlich sind zu dieser Zeit nicht so viele Leute mit ähnlicher Idee unterwegs....

 

Vom Bahnhof Nossen aus gehen wir über die Eisenbahnbrücke Richtung Mulde. Gleich hinter der Brücke biegt ein kleiner Weg links ins Gebüsch ab und führt muldenabwärts nach Altzella. Im gemütlichen Trödelgang braucht man ca. eine halbe Stunde bis zur Klostermauer. Eine sehr schöne Strecke, unter hohen Bäumen am Fluss entlang.

 

 

Es gibt von hier aus zwei Wegmöglichkeiten zum Kloster: durch die Mini-Eisenbahnunterführung, die man schon nach wenigen Gehminuten auf diesem schönen Weg erreicht. Oder weiter an der Mulde entlang, vorbei an der alten Möbelfabrik und an der kommenden Querstraße nach links abbiegend. Wir machen es heute so, dass wir auf dem Hinweg die Miniunterführung nehmen und rückzu an der Möbelfabrik vorbeigehen.

 

 

Was ist das für ein Ort - Kloster Altzella?

 

 

 

Modell Klosteranlage Altzella, A = Andreaskapelle / Die blauen Kreuze sind die Gebäude, von denen heute noch relativ viel zu sehen ist. (www.commons.wikemedia.org)
Modell Klosteranlage Altzella, A = Andreaskapelle / Die blauen Kreuze sind die Gebäude, von denen heute noch relativ viel zu sehen ist. (www.commons.wikemedia.org)

 

Das Zisterzienster-Kloster Altzella wurde 1162 von Otto dem Reichen als Begräbnisstätte der Wettiner gegründet. Einige Jahre später, 1175, zog der erste Abt  mit seinen Mönchen hier ein. Das religiöse, geistige und wirtschaftliche Leben begann. Es wurde jahrelang an einer umfangreichen Klosteranlage mit großer Kirche gebaut. Heute kann man noch erahnen, wie beeindruckend das gewesen sein muss. Das Holzmodell im Kloster selbst oder die Grafik oben zeigen es uns: Altzella war ein "Multifunktionskomplex". Die große Kirche kann man heute nur noch an den neu markierten Umrissen erkennen, wenn man vor dem klassizistischen Mausoleum steht. Diese Kirche war weithin berühmt und zunächst die größte, rot leuchtende Backsteinkirche in ganz Sachsen.

 

 

 

 

Die Zisterzienser sind ein Mönchsorden, der sich aus den Benediktinern ausgründete. Deren zunehmend weltliche Lebensweise und mangelnde Spiritualität erzeugte bei einigen Geistlichen im 11. Jahrhundert den Wunsch nach etwas Ursprünglicherem, Ehrlicherem. Das, was eigentlich die Regeln des Heiligen Benedikt waren, sollte wieder gelten: Gebet, Arbeit, Ordnung, religöse Bindung an Gott. Zisterzienser gelobten Armut, Keuschheit, Gehorsam und - Schweigen.

 

Bis zu 250 Zisterzienser-Mönche lebten hier in Altzella. Es gab viele nichtgeistliche Arbeitskräfte, die Laienbrüder - genannt auch Konversen. Die verrichteten meist die handwerklichen Arbeiten, damit die geweihten Mönche mehr Zeit für ihre geistlichen Werke hatten.

 

Frauen waren in Zisterzienser-Klöstern in den ersten Jahrhunderten nicht als Arbeitskräfte zugelassen und durften auch das Klostergelände nicht betreten. Ausnahmen gab es wenige, strenge Strafen erhielten die Klosterbewohner für die Missachtung. Lockerung gab es hier erst ab dem 15. Jahrhundert, damit man hochgestellte Damen der Gesellschaft im Kloster empfangen konnte und ggf. auch einige wenige weibliche Arbeitskräfte beschäftigen konnte.

 

So ein Kloster war nicht nur ein geistiges und religiöses Zentrum, sondern auch ein Wirtschaftsunternehmen. Hier wurde gebacken und gebraut, geschrieben und geforscht, Leder gegerbt und Holz verarbeitet, gegärtnert und das Vieh auf die Weide gebracht. Man baute Lehm ab und brannte Ziegel, betrieb Steinbrüche und eine Mühle. Es wurden Kranke gepflegt und Medizin hergestellt. In der heutigen Zeit gucken wir sicher teils verklärt und unrealistisch auf diese klösterliche Vergangenheit.

 

Es war wahrscheinlich sehr viel Arbeit und wenig Ruhe.

 

Wappen der Zisterzienser (Bild: Mangouste35 / www.wikimedia.commons.org)
Wappen der Zisterzienser (Bild: Mangouste35 / www.wikimedia.commons.org)

 

Wir stellen uns singende, schreibende, betende Mönche und Nonnen in ihrer jeweiligen Ordenstracht vor. Strenge, gelehrte und auch gütige Äbte und Äbtissinen,  die im rustikalen Ambiente einsame Entscheidungen trafen. Das Klosterleben verbinden wir heute vor allem mit Abgeschiedenheit und Ruhe.

 

 

Was auch so nicht stimmen dürfte.

 

Gerade Altzella war im 12./13. Jahrhundert ein in der christlichen Welt europaweit bekannter Ort. Ein innovatives und produktives, modernes Zentrum. Hier trafen sich Würdenträger aus Kirche und Gesellschaft: Wissenschaftler, Geistliche und Politiker. Ein pulsierendes Machtzentrum war dieses Kloster wahrscheinlich eher als ein besinnlicher, romantischer Ort. Ein berühmter Abt von Altzella war Martin von Lochau (amtierend von 1501 bis zu seinem Tod 1522), der sich vor allem um die Klosteribliothek verdient gemacht hatte. Diese Büchersammlung war wiederum später der Grundstock für die Universitätsbibliothek Leipzig.

 

 

Nach der Reformation im 16. Jahrhundert verlor das Kloster seine religöse Bedeutung; 1540 wurde es aufgehoben. Die Wirtschaftsgebäude betrieb man teilweise weiter; die Mönche zogen bald aus. Die verlassenen Gebäude dienten in späterer Zeit leider als Steinbruch, man gewann hier Baumaterial für das Schloss Nossen, welches Ende des 16. Jahrhunderts von Kurfürst August von Sachsen (nicht dem Starken) zum Jagdschloss umgebaut wurde.

 

Im 18. Jahrundert ließen die sächsischen Herrscher ein Mausoleum für ihre hier in der verfallenen Andreaskapelle bestatteten Vorfahren errichten, die wurden nun umgebettet.

 

Dann, um 1800 herum, erschuf der Gärtner Johann Gottfried Hübler um das neuerbaute Mausoleum herum einen romantischen Park, der zu dem heranwuchs, was wir heute kennen. Dabei bezog der Hofgärtner gestalterisch die Ruinen mit ein, die noch da waren.

 

Klostergut Altzella im Jahr 1907 (Quelle: https://www.imago-images.de/st/0091438610)
Klostergut Altzella im Jahr 1907 (Quelle: https://www.imago-images.de/st/0091438610)

 

Als Wirtschaftshof bis 1945, danach der LPG zugehörig, nutzte man die Gebäude vorrangig für die Landwirtschaft. Das Konversenhaus zum Beispiel diente bis ins 20. Jahrhundert hinein als Kuhstall. Der Klosterpark war für Besucher zugänglich.

 

Seit 1993 gehört das Kloster dem Freistaat Sachsen und wird denkmalgerecht wieder hergestellt. Große Fortschritte wurden hier in den letzten knapp zwanzig Jahren gemacht. Wer immer mal wieder dort ist, sieht das.

 

 

Das restaurierte Konversenhaus zum Beispiel, worin auch Veranstaltungen stattfinden, ist erst kürzlich von seinem parkseitigen Gerüst befreit worden und strahlt nun in neuem Glanz. Auch in den Parkruinen entdeckt man immer wieder Gemäuerbereiche, die bis dahin nicht zugänglich waren. Die Klostermauer wurde instandgesetzt, immerhin 1.325 Meter lang.

 

 

Soviel Vergangenheit..... Und heute?

 

Heute wandelt man hier sehr schön unter den riesigen alten Bäumen entlang, von Ende März bis Ende Oktober. Ein guter Ort zum Entspannen, Erholen, Kopf auslüften. Natürlich kann hier auch geheiratet werden; Konzerte und Führungen finden statt. Es gibt Jazz im Park, Mittelalterspektakel und Bauernmärkte. Auf dem Klostergelände kann man sogar übernachten. Komfortable Zimmer und Ferienwohnungen sind vorhanden. In der alten Schreiberei, wo auch der Eingangsbereich zum Kloster ist, da kann man sich in der ersten Etage gemütlich in einem kleinen Raum einen Film über die Klostergeschichte anschauen.

 

Kaffee und sehr guten Kuchen gibts im kleinen Klostercafé; hier entdeckte ich vor drei Jahren erst eine neue Eierscheckenvariante: die Leuteritzer Eierschecke. Köstlich. Heute gibts Zupfkuchen - auch gut.

 

 

Ich habe hier gleich mehrere Lieblingsplätze. Sehr gut geeignet zum Nachdenken, Träumen, Lesen, Schreiben, Kaffee trinken. Im Kräutergarten kann man sich mit dem befassen, was dort so wächst. Der Duft der Blumen und Kräuter in diesen sonnigen Spätsommertagen ist sanft, nicht mehr so kräftig wie unter der heißeren Sommersonne. 

 

 

Fast reife Äpfel und Quitten hängen an den Bäumen; die Hagebutten leuchten rot an der Klostermauer. Frisch gemäht liegt das Gras auf der Klosterwiese und riecht noch ganz grün. Bald wird es zu Heu getrocknet sein.

 

Und bald kommen wir wieder. Wenn die Blätter hier schon ein bisschen bunter sind ...