· 

Mensch und Maulwurf: ein Dialog (32)

Nutze den Tag und die Nacht!

 

"Was ist heute mit dem Maulwurf los?" denke ich mir und beobachte ihn möglichst unauffällig. Pawel sitzt in seinem Carpe-diem-Arbeitsstuhl und trinkt gerade die dritte Tasse Kaffee hintereinander. Augenringe hat er auch und ist ziemlich still.

 

Ich sage nichts, behalte ihn aber im Auge, während ich weiterarbeite. Ich sehe, wie der Maulwurf die Tasse abstellt und sich dann seinen Aufgaben widmet. Mit Überwindung und sichtlich angestrengt, aber er macht es - schließlich ist er eine selbstdisziplinierte Person und keine labile Lusche.

 

Heute ahne ich schon, was dahintersteckt. Denn nicht nur Pawel hat das Problem. Sondern ich selber auch. Es heißt: Ich habe zu wenig Zeit für das, was ich alles machen will. Da ich leider nicht doppelt da sein kann, spare ich Zeit, wo es am einfachsten ist: am Schlaf. Kennst Du sicher auch. Man kann das eine Zeit lang machen; manchmal ist es dann aber auch mal genug. Man schläft im Stehen ein. Kann ich. An die Wand gelehnt.

 

Beim Maulwurf ist heute dieser Punkt erreicht. Mittags schicke ich ihn mit strengen Worten in die Pause und ordne an, dass er jetzt eine Stunde schlafen soll. Erlöst rollt er sich zusammen und ist augenblicklich fest eingeschlafen. Ich trinke Kaffee, da ich zwar auch etwas müde bin, mir aber nicht so unauffällig ein Mittagsschläfchen leisten kann wie der kleine Pawel. Ich beschließe, an unserer ungesunden Schlafmangelsituation etwas zu ändern. Nachdem Pawel ausgeschlafen hat, muss ich mit ihm reden. Unbedingt.

  

***

Pawel schläft.
Pawel schläft.

 

Maulwurf (streckt sich, gähnt herzhaft, reißt die Augen auf): "Haaach, das hat wirklich gut getan. Mann, jetzt fühle ich mich gleich ganz anders. So wach.... (lacht und holt sich einen frischen Kaffee und ein Leberwurstbrötchen) ... ich bin wie neu..... "(Hungrig beißt er ins Brötchen mit fetter Räucherleberwurst, Grieben und Gewürzgürkchen.)

Yvonne: "Du sagst es. Wir müssen hier was ändern. Wir brauchen beide mehr Schlaf."

Maulwurf (verdreht die Augen): "Das hatten wir doch schon tau-send-mal! Auf die Dauer nicht machbar, das weißte. Wenn Du nachts sieben oder acht Stunden schlafen willst, dann ist jede Menge Abenteuer im Ar... äh ich meine im Eimer. Interessante Recherche für den Blog, Kino, Lektüre und Schreiberei, manche schöne Abendrunde."

Yvonne: "Stimmt. Was uns dann bleibt, ist ein ausgiebiger Mittagsschlaf am Wochenende. Bei schlechtem Wetter oder wenn Dir was auf den Fuß gefallen ist."

Maulwurf (überheblich): "Wenn mir was auf den Fuß fällt, kannst Du mich immerhin tragen. Umgekehrt schaffe ich das ja bei Dir eher nicht."

Yvonne (ungerührt): "Nee, wohl wahr. Also - soll ich mir jetzt das Bein verletzen, damit wir endlich genug schlafen können oder wie meinen....?!"

Maulwurf (versöhnlich): "Ach was, lass das lieber. Wir können uns ja vornehmen, heute etwas eher schlafen zu gehen...." (guckt skeptisch und betrachtet seine Fußspitzen)

Yvonne (nickt zustimmend, etwas halbherzig): "Genau, das machen wir."

Maulwurf (seufzt): "Komm schon, Du weißt, was das wieder wird. Früh am Morgen sagen wir immer: Oh Gott, sind wir müde! Soooo müüüüde.... Zum Um-fal-len müde, totmüde sozusagen. Im Lauf des Tages werden wir wach, vergessen wir die morgendlichen Gedanken und sind abends dann froh, wenn wir Zeit haben für das, was wir so gerne alles machen wollen. Und da willst DU ins Bett gehen und schlafen ?! Ich weiß jetzt schon, dass das wieder nichts werden wird ....

Yvonne (brummelt vor sich hin): "Stimmt. Das Leben ist schön. Aber zu kurz...."

Maulwurf: "Genau. Aber ich kenne den Ausweg: Urlaub heißt das Zauberwort! Dann haben wir jede Menge Zeit, für alles Mögliche - und auch mal zum Schlafen."

Yvonne: "Da klingelt der Wecker dann früh um vier, weil wir den Sonnenaufgang sehen wollen. Oder um sechs zum Schwimmen gehen oder Tiere beobachten, in dieser frischen und einsamen, so schönen Morgenstunde." (lächelt begeistert und voller Vorfreude).

Maulwurf: "Und abends wollen wir schick zum Essen gehen, ins Kino und eine Nachtwanderung machen, spätabends, wenn's dunkel ist. Oder noch eine Runde Boot fahren ... da freu ich mich am meisten drauf...."

Yvonne (zuckt mit den Schultern): "Du siehst, wir haben viel vor ..."

Maulwurf (hüpft begeistert auf und ab): "Warte, warte....ich habe eine Idee! Wir machen wieder Siésta, wie an den heißen Tagen der vergangenen Sommer. Kann man ja auch, wenns nicht so warm ist. Zeitig aufstehn, spät ins Bett gehen. Und dafür mittags nochmal lange schlafen; so 3 - 4 Stunden....

Yvonne: "Ja, das ist eine Möglichkeit." (träumerisch) "Das herrliche Gefühl, sich mittags ins Bett zu kuscheln und ganz gemütlich einzuschlafen, ohne Stress - weil es gerade nicht so wichtig ist, wann man wieder aufsteht...."

Maulwurf: "Weißt du was? Ich finds schön, immer viel mehr Ideen zu haben, als man eigentlich machen kann. Da wird es nie langweilig, man hat ja immer noch was vor sich - worauf man sich freut."

Yvonne: "Stimmt, das seh ich auch so. Ich freu' mich schon sooo auf den Urlaub...."

Maulwurf (lacht und hüpft): "Und ich mich erst!"

Yvonne: "Ich wäre am liebsten zweimal da....."

Maulwurf (bleibt ruhig stehen und sagt ganz ernsthaft): "Ich auch, oder lieber dreimal..."

 

Beide lachen. Noch ist aber kein Urlaub. Jetzt wird weitergearbeitet. Und heute Abend geht es etwas eher ins Bett ....na.....vielleicht. Du aber auch!

 

***

 

Jetzt wieder wach!
Jetzt wieder wach!

 

Wir beide gucken uns an, nicken und haben verstanden: 

 

 

"Carpe diem!" - Nutze den Tag (vom römischen Dichter Horaz, 23. v. Chr.)

 

Lebe Dein Leben: Nutze, ergreife den Tag (und die Nacht)! Das ist heute unser gemeinsamer, leicht ergänzter Klassiker des Horaz. Oder wie Herr W., ein ehemaliger, mir bekannter Geschäftsführer, mal sagte: "Schlafen könnt Ihr noch genug, wenn Ihr tot seid."