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Über "Krieg der landbewirtschaftenden Bevölkerung", "Follis", "Minis" und "Angelmenschen"

Geschickt gendern?

https://rueckblende.rlp.de/entry/2018-lars-mario-22787/
https://rueckblende.rlp.de/entry/2018-lars-mario-22787/

 

Sprache verändert sich mit der Zeit.

 

Bestimmte Formulierungen, auch Einzelwörter, die früher alltäglich waren, nutzen wir heute kaum noch, z. B. Base, Oheim, Gevatterin. Sie erscheinen uns altmodisch. Neue Begriffe kommen hinzu, für Dinge und Vorgänge, die es früher so nicht gegeben hat. Das ist eine Entwicklung, weil Sprache lebt und nichts Starres, Unveränderliches ist.

 

Auch der Gedanke, die beiden biologischen Geschlechter, männlich und weiblich, mehr in der Sprache abzubilden und gedankliche "Fallen" zu vermeiden (Worte wie Putzfrau, Chef), ist mir verständlich und erscheint vertretbar.

 

Doch was heute mit unserer deutschen Sprache geschieht, gefällt mir - nur meine persönliche Meinung - nicht. Ich selbst bin Maschinenbauingenieur und weiß trotzdem, dass ich eine Frau bin. Fühle mich nicht zurückgesetzt. So wie auch manche Kranführer, Spritzlackierer, Konstrukteure, Zerspaner, Lageristen weiblichen Geschlechts, denen die Verwendung der Wortendung "in" ziemlich egal ist. In meiner Kindheit und Jugend war es nicht ungewöhnlich, dass Frauen Meister, Brigadier, Abteilungsleiter waren und auch in männerdominierten Facharbeiter- und Studienberufen ausgebildet wurden. Die weibliche Wortform blieb meist den Berufen vorbehalten, die sowieso frauentypisch waren. Kindergärtnerinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen, Sekretärinnen. Manche Begriffe waren gleich von vornherein weiblich, z. B. Hebamme oder Krankenschwester. Bei anderen galt die männliche Form ganz selbstverständlich für alle. Damit hatte kaum eine(r) ein Problem.

 

In dieser Zeit waren Frauen nach meinem persönlichen Erleben oft emanzipierter als jetzt. Sie mussten natürlich um Anerkennung kämpfen und sich wehren gegen Herablassung und Übergriffigkeit, sich behaupten - das war nicht leicht. Aber viele schafften es, setzten sich außerhalb der weiblichen Kernbereiche durch. Standen ihren Mann im Beruf, waren Mütter, waren Frauen, waren "Weiber". Waren Bauleiter und trotzdem schön.... Sicher gab es auch immer die, die das gar nicht wollten und lieber was anderes machten. Oder nicht klar kamen, die aufgaben, die zu schwach waren. Aber das ist eben so. Nicht jeder passt überall hin, nicht jeder kann oder will alles. Auch das muss man für sich herausfinden.

 

Ich verstehe auch Frauen, die lieber rosaglitzernd in der wohltemperierten Komfortzone bleiben möchten. Warum denn nicht? Natürlich ist es einfacher und angenehmer, aber auch sie müssen ihr Leben irgendwie meistern und haben ihre Aufgaben. Nur werden sie nie erfahren, was es bedeutet, bestimmte besondere Sachen gemacht und geschafft zu haben - gerade, wenn was so schwierig war. Weil's nicht jeder macht: Grenzen austesten. Etwas erobern, etwas erreichen, standhalten. Dazu gehört für mich natürlich auch das Großziehen von Kindern.

 

Gegenwind formt den Charakter; der Fön nur die Frisur.

 

Frauen lockt man nicht in großer Anzahl in eine Maschinendynamik-Vorlesung, ein Schweißtechnik-Seminar, an die Drehmaschine zum Drehen lernen. Wenige Männer werden Floristen, Tänzer, Kitaerzieher. Wer von ihnen trotzdem dort hingeht, hat seine Gründe und gehört ganz sicher nicht zur Mehrheit. Das weiß derjenige dann auch und wird damit klarkommen müssen. Diese Mentalität schließt eigentlich das spätere Beharren auf IngenieurIN oder Hebammerich aus, oder?

 

Männer und Frauen sollten gleichberechtigt, aber werden niemals gleich sein. Und das ist gut so.

 

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Heute sieht man das oft anders. Unterschiede sollen ausgemerzt werden, die wehrlosen Worte selbst nimmt man sich auch vor. Nicht nur männliche und weibliche Wortendungen und Bezeichnungen sind unerwünscht, auch ganze Begriffe sollen am liebsten abgeschafft werden. Denn auch die geschlechtliche Diversität, also die Zugehörigkeit zu weiteren Geschlechtern über die biologischen zwei hinaus, soll hier berücksichtigt werden. Weitere Anforderungen, z. B. aufgrund von Behinderungen oder einem Migrationshintergrund kommen dann auch noch dazu.

 

Da reichen nicht mehr Hausmeister und Hausmeisterin aus, es muss schon das Gebäudemanagement sein - in Person sozusagen. Dabei beschädigt man die Sprache und macht sie hässlich. Finde ich.

 

Universitäten, Hochschulen, staatliche Behörden haben teilweise schon eigene Richtlinien, die den täglichen Sprachgebrauch in dieser Hinsicht regeln.

 

Als Beispiel habe ich Dir den "Leitfaden für wertschätzende Kommunikation" der Stadt Köln hinter dem roten Button verlinkt; immerhin 7000 Mitarbeiter müssen sich danach richten. Danach noch ein kleiner Artikel der NZZ zum Thema Gendern.

 

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Das Denken prägt die Sprache.

 

Aber auch umgekehrt hat die Sprache Einfluss auf unsere Gedanken. Diesen Hintergrund dürfen wir nicht vergessen, denn dabei geht es eben nicht nur um eine Modeerscheinung, eine Spinnerei, etwas Unwichtiges am Rande. Sondern die neue Sprache soll auch neue Werte vermitteln.

 

Die Diversität z. B. löst die bisherige Geschlechtersicht ab. Traditionelles, Erlerntes, Ererbtes wird über Bord geschmissen für neue, andere Formen des Zusammenlebens in Familie und Gesellschaft.

 

Langsam wird das erst Seltene normal und dann das Normale selten. 

 

In der Sprache. Und im Leben.

 

 

Gestern fand ich durch Zufall die Website www.geschicktgendern.de. Dort bemüht man sich nichtkommerziell und unabhängig um das Voranbringen der gendergerechten Sprache. Diese intensive Beschäftigung der Bloggerin mit dem Thema achte und respektiere ich, auch wenn ich ihren Standpunkt in dieser Sache nicht teile. Einige Kostproben sind nicht unamüsant, teilweise inhaltlich bzw. sprachlich fragwürdig - wieder nur meine persönliche Meinung.  Die "Follis" und "Minis" z. B. finde ich ausgesprochen kindisch. Aber meckern kann man natürlich immer.

 

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Beispiele (links das Originalwort, rechts der korrekt gegenderte Ausdruck):

 

Angler = Angelmensch, angelnde Person, Fisch fangende Person

Alleinerziehende = Ein-Eltern-Haushalt

Animateur = Freizeitbetreuungsperson

Arbeiter = Arbeitskraft

Bauernkrieg = Krieg der landbewirtschaftenden Bevölkerung 

Betrüger = unehrliche Person

Bäcker = Backende

bergmännisch = im Bergbau tätig

Bogenschütze = bogenschießende Person

Diplomingenieur = diplomierte technische Fachkraft

Fan = in besonderem Maße begeisterte Person

Feigling = feige Person; Angsthase

Follower = Follis

Hausmeister (sg./pl.) = Gebäudemanagement

Hexe = (schwarze) Zauberkraft innehabende Person; Person mit (schwarzen) Zauberkräften; mit Zauberkräften ausgestattete Person; Person, die Zauberkraft hat

Ministranten = Minis

Muttermilch = Elternmilch; Brustmilch

Mutter = Elternteil

Partnerwahl = Wahl eines Lebensmenschen

Ritter = Mensch in Rüstung

Zauberer (pl.) = Zauberkunstschaffende

 

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Wie geht das weiter? Vielleicht so: >>> Demnächst im Buchhandel NEU: "Märchen über Zauberkunstschaffende und Menschen in Rüstungen" <<<<. Aus diesem Buch liest dann der Ein-Eltern-Haushalt seinem Kind vor?! Und das Kind ist eventuell "Der Junge im Rock" ?Und heißt der Krimi-Klassiker von Edgar Wallace nun "Die grüne bogenschießende Person" ?  Nein - bitte, einfach nein!

 

Zum Abschluss etwas Positives, denn das hat die ganze Debatte auch. Früher stand unter den Stellenangeboten einer sehr guten Universität, bei der ich mich einst (erfolglos) beworben habe, jahrelang immer der Satz: "Bei gleicher fachlicher Eignung werden insbesondere Frauen und Behinderte zur Bewerbung aufgefordert." Das fand ich schon damals etwas schräg. Sowas gibt es heute dort natürlich nicht mehr - und das ist doch gut so. 

 

***

 

Wer zum Beispiel bei der Kölner Stadtverwaltung arbeitet und berufsbedingt gendergerechte Sprache anwendet, der kann sich am Feierabend ein Gegengift geben: Schillers "Glocke", Heines "Wintermärchen", Goethes "Faust II" - schönste, unbeschädigte, deutsche Sprache. Und wer woanders arbeitet oder gerade frei ist, der natürlich auch.

 

 

 

Und der Vater mit frohem Blick

Von des Hauses weitschauendem Giebel

Überzählet sein blühend Glück.

Siehet der Pfosten ragende Bäume

Und der Scheunen gefüllte Räume,

Und die Speicher, vom Segen gebogen,

Und des Kornes bewegte Wogen,

Rühmt sich mit stolzem Mund:

Fest, wie der Erde Grund,

Gegen des Unglücks Macht

Steht mir des Hauses Pracht!

Doch mit des Geschickes Mächten

Ist kein ew’ger Bund zu flechten,

Und das Unglück schreitet schnell.

 

(Auszug, "Das Lied von der Glocke", Friedrich Schiller) 

 

"Gelassen bleiben...." (www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz)
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