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Sommer im Dschungel

Endlich wieder in Tharandt

Auf dem Buchenweg in Tharandt unterwegs ...
Auf dem Buchenweg in Tharandt unterwegs ...

 

Große Freude herrscht bei mir, seitdem ich weiß: einer meiner Lieblingsorte, der Forstbotanische Garten in Tharandt, öffnete kürzlich wieder. Coronabedingte Schließung und saisonale Winterruhe sind beendet; seit dem 14. 06. 2021 kann man wieder hinein.

 

Und nun ist es endlich soweit. Das Wetter ist perfekt geeignet, maximal 23 Grad, Sonne, Wolken und geringe Regenwahrscheinlichkeit sind angesagt. Herrlich. Heute ist unter anderem der Urwald-Teil des Gartengeländes unser Ziel - da waren wir noch nie. Auch die Tharandter "Rocky Mountains" warten auf uns.

 

Bei Sonnenschein fahren wir los; steigen am Tharandter Bahnhof aus. Ein Bäcker ist nicht weit, kleine Sitzecke am Illgen-Bäckertresen im Supermarkt gleich am Bahnhof. Kaffee ....

 

Danach gehts Richtung Tharandt-City. Am Fuß des Felsens, auf dem die Bergkirche "Zum Heiligen Kreuz" steht, beginnt ein kleiner, steiler Pfad mit vielen Stufen. Er führt zur Kirche hoch. Wer es bequemer will oder braucht, der nimmt die kleine Straße, die kurz hinter dem Pfad nach links führt.

 

Tharandt: das Haus mit der roten Markise beherbergt auch das Restaurant "Bella Italia".
Tharandt: das Haus mit der roten Markise beherbergt auch das Restaurant "Bella Italia".

 

Diesen Blick hier hat man oben von der Bergkirche aus. Es steht da auch eine etwas versteckte Bank seitlich an der Kirche (auf jeder Längsseite des Gebäudes eine Bank) - ein guter Platz zum Gucken und Denken. Und um einen Kaffee aus dem Rohr zu trinken.

 

Wer in die Kirche hinein will, der muss bestimmte Besichtigungszeiten berücksichtigen (Aktuell siehe Schaukasten vor der Kirche; bisher war das oft sonntags 14 - 16 Uhr möglich). Oder einen Gottesdienst besuchen. Zu Weihnachten stelle ich mir das sehr schön vor hier oben. Allerdings habe ich gleich Störendes vor Augen: regenbogenfahnengeschmückte Kirchenvertreter, die politisch korrekt gendern - vielleicht sogar in der Weihnachtsgeschichte die Sprache verhackstücken .... 

 

Meine diesbezüglich grämlichen Gedanken haben einen Grund, denn es gibt auch hier, auch heute an der kleinen Bergkirche zeitgeistgemäße Informationen. Kleiner Exkurs:

 

Man lädt zu einem Queer-Gottesdienst ein; tatsächlich, hier in Tharandt, im Schaukasten der Bergkirche. Nun würde ich niemals Schwule, Lesben, Transpersonen oder sonstig anders Orientierte diskriminieren oder ausgrenzen. Ich würde sie allerdings auch nicht tagtäglich auf ein Podest stellen und beweihräuchern. Sondern so behandeln wie alle andern auch. Um ein schlimmes Wort zu benutzen: NORMAL. Da aber fast nichts mehr normal ist, werben in unserer Zeit Kirchen für Schlepperorganisationen und unterstützen diese finanziell. Sie setzen sich fürs Gendern ein; schrecken auch vor "Gott*in" nicht zurück. Sie werben für immer mehr Zuwanderung aus kulturfremden Regionen, für Tolerierung des Islam, für queere Menschen. Sie fühlen sich damit sicher sehr forschrittlich und modern. Sie stimmen in das Verunglimpfungslied der Öffentlichkeit gegen Konservative ein. Traurig, wie sie eigene Werte aufgeben, um sich der herrschenden Mehrheitsmeinung anzuschließen. Kann auch sein, dass ich altmodisch bin. Ich erwarte von einer christlichen Gemeinschaft, dass sie sich für Christen und das Christentum einsetzt. Für eigene Werte und Traditionen steht. Mutig ist und sich auch mal in den Wind stellt. Die Realität ist anders. Kirchenfunktionäre zerstören die Kirche mit ihrem Tun, man nimmt sich selbst die Grundlage. Viele Leute treten aus der Kirche aus, weil sie mit ihrer Kirchensteuer keine fragwürdigen Projekte unterstützen wollen oder auch die Missbrauchsskandale und deren mangelnde Aufarbeitung nicht mehr ertragen. Manchem wird auch die Behäbigkeit, mit der Projekte wie "Maria 2.0" nicht vom Fleck kommen, aufstoßen.  Allein in 2019 verließen mehr als eine halbe Million katholische und evangelische Christen in Deutschland  ihre Kirche. Sehr verständlich für mich.

 

Exkursende! Wir wandern weiter, den Berg hinter der Kirche Richtung Schloss hinauf.

 

 

Mal nach Frau Kümmel, unserer persönlichen Hexe, gucken wollen wir. Das ist Ehrensache. Hoffentlich hat sie die letzten Monate gut überstanden, immerhin seit Ende Oktober vermissen wir die Gewohnt-Gefährliche und sie vielleicht uns?! Wie gehts den Hexen unseres Landes in dieser Zeit eigentlich? Auf dem Weg zum Hexengraffiti passieren wir nach der Bergkirche "Zum Heiligen Kreuz" das Tharandter Schloss und die Burgruine hoch über uns.

 

Wir treffen plötzlich auf ein Brautpaar, das sich gerade in der malerischen Kulisse fotografieren lässt. Bis der Fotograf fertig ist, verstecken wir uns, um nicht ins Bild zu laufen - der Weg ist hier sehr eng. Als wir hervorkommen, lachen alle und bedanken sich. Wir wünschen ihnen viel Glück. Ehe der Maulwurf eine verfängliche Diskussion über Hochzeiten beginnen kann, lenke ich ihn ab und wir gehen weiter....

 

Vorbei am russischen Restaurant "Tharandter Burgkeller" mit seiner schönen Terrasse, dem herrlichen Blick. Trinken keinen Kaffee, setzen uns nicht, um die Aussicht zu genießen. Denn: schließlich wartet die Kümmelin. Man muss Prioritäten setzen, was in dem Fall schwer ist: wir wissen von früheren Besuchen, dass der Kaffee der Russen wirklich gut ist. Und immer groß genug. Bestellt man woanders einen Kaffee mit der Bitte, er möge so groß sein wie möglich - dann kriegt man meistens einen Becher, einen "Pott". Hier im Burgkeller habe ich mal eine eimerähnliche Tasse bekommen, die bestimmt einen halben Liter fasst. Toll. Außerdem gibts unter anderem verschiedene Sorten Pelmeni und einen guten Borschtsch. Geöffnet ist täglich außer montags von 12:00 bis 21:00 Uhr.

 

Geh mal hin. Speisekarte HIER.

 

Und dann sitzt Du vielleicht da:

 

Terrasse vom Tharandter Burgkeller (russische Küche)
Terrasse vom Tharandter Burgkeller (russische Küche)

 

Ein Stück den Weg hoch das geheimnisvolle Tharandter Schlösschen, unsere heimliche Liebe:

 

 

Und dann der Kindergarten, der von der Hexe bewacht wird. Wir sind beruhigt, denn Frau Kümmel sieht gut aus, als wir sie erreicht haben. Wir begrüßen uns kurz, denn unsere Beziehung ist zwar langjährig; irgendwie auch vertraut und nicht wegzudenken, aber trotzdem etwas toxisch...

 

Frau Kümmel ist wohlauf.
Frau Kümmel ist wohlauf.

 

Wenige Minuten später gehen wir nach fast neun Monaten endlich wieder durch den alten Eingang des Forstbotanischen Gartens, ein schöner und besonderer Moment. Hier oben, an der Streuobstwiese, beginnt der alte Gartenteil. Da steht auch das kleine Schweizerhaus mit Café und Minimuseum wenige Meter hinter dem Eingangstor. Hier befindet sich das erste Gelände, was mit besonderen Gehölzen gestaltet wurde. Vor über zweihundert Jahren, 1811. Historisch gewachsen, wie man auf der folgenden Karte sieht, von anfangs 1,7 Hektar bis auf knapp 35 Hektar heute (1 Hektar = 10.000 m², also z. B. 100 m x 100 m.)

 

Unseren heutigen Weg siehst Du an der blauen Linie, x1 der Startpunkt am alten Eingangstor; bei x2, dem neuen Tor, verlassen wir den Garten.

 

Lageplan des Forstgartens (http://arboreten.de/de/das-verzeichnis/laendersuche/einzelansichtbundeslaender.html?tx_browser_pi1%5BshowUid%5D=51&cHash=6f3ccc91a334ed69370c028e9dca8bf0)
Lageplan des Forstgartens (http://arboreten.de/de/das-verzeichnis/laendersuche/einzelansichtbundeslaender.html?tx_browser_pi1%5BshowUid%5D=51&cHash=6f3ccc91a334ed69370c028e9dca8bf0)

 

Fast drei Stunden durchstreifen wir ohne Eile die verschiedenen Waldgebiete. Exotische Bäume und Sträucher, Blätter und Blüten belohnen uns. Da es in der letzten Zeit zum Glück immer mal regnet und nicht dauerhaft heiß ist, sieht alles frisch und grün aus. Kräuter wachsen hoch. Es duftet nach ihnen und nach der feuchten Erde, nach Baumrinde. Außer uns sind jede Menge Insekten und Vögel unterwegs. Ameisen ....  Einigen wenigen Menschen, manche mit Hund, begegnen wir. Heute sind wir außerhalb der Superbesuchszeiten, das macht sich sehr positiv bemerkbar.

 

Wir gehen durch diesen summenden grünen Dschungel. Die Sonne leuchtet durch die Blätter der seltenen Bäume. Manchmal eine Wolke. Es ist einfach schön.

 

 

Bald kommen wir an der Zeisiggrundbrücke an; wie ein Baumwipfelpfad führt sie über die darunterliegende Freiberger Straße und den Zeisigbach, die das alte und das neue Areal des Forstgartens voneinander trennen. Eine sehr gute Idee, diese Art der "Überbrückung". Man guckt "in Augenhöhe" in die Bäume hinein und läuft die angenehmen Windungen ohne Anstrengung bergauf. Die feine Brücke wurde 2003 fertig und drei Jahre später mit dem Sächsischen Staatspreis für Baukultur ausgezeichnet.

 

Die Zeisiggrundbrücke
Die Zeisiggrundbrücke

 

Und ein Zeisig sieht übrigens so aus; ich wusste es nicht:

 

 

https://www.etsy.com/de/market/zeisig
https://www.etsy.com/de/market/zeisig

 

Dann gehts weiter bergauf durch altes Gehölz. Hier sind wir schon im Nordamerika-Teil ("Gehölz-Flora") und dem "Urwald".

 

 

Riesige Fingerhüte wachsen zwischen exotischen Bäumen. Ein Bach murmelt fröhlich.

 

 

 

Nun betreten wir den Nordamerika-Waldteil. Hier waren wir zuletzt im "Indian Summer" im vorigen Herbst. Das ganze Gelände leuchtete damals knallorange, rot, gelb und hellbraun. Eine absolute Besuchsempfehlung für Dich: Herbstfarben im Tharandter Forstgarten. Allerdings sind dann dort Sonntagnachmittag beispielsweise viele Leute unterwegs, die dieses einmalige Spektakel  der Natur nicht verpassen wollen. Nur wenige Tage hält es an. In dieser Zeit lohnt es sich unbedingt, einen freien Tag in der Woche einzuplanen und an einem Dienstag oder Donnerstag vormittags durch die Pracht zu spazieren. Ein Käffchen rundet das ganze ab - kann man sich mitnehmen oder zu bestimmten Zeiten im Schweizerhaus oder dem Nordamerikateil-Imbissbüdchen holen.

 

Genau hingucken: verschiedene Baumrinde, faszinierend!  >>>

 

 

Mit einem kurzen Drohnenflug kann man sich ein Bild von diesem herbstlichen Farbenrausch machen. Wobei der "Nordamerikateil" des Forstgartens natürlich noch bunter ist als der "normale" Mischwald um Tharandt ...."Indian Summer" halt.

 

 

Auch jetzt im Sommer ist es schön hier.

 

 

Und jetzt auf die "Rocky Mountains". Von hier oben hat man einen schönen Blick ins Land.

 

 

Wir verlassen froh gestimmt den schönen Garten und gehen auf einem Feldweg, der "Buchenweg" heißt, zurück Richtung Tharandt. Der Weg bietet beste Aussicht, bevor er durch eine kurze Strecke dunkelgrünes Dickicht führt. Dann steht man wieder an der Freiberger Straße und betritt die kleine Stadt.

 

Die wie immer sehr charmant ist und denjenigen bezaubert, der es sich gefallen lässt. Bergkirche, Schloss und Burgruine, das alte Gymnasium, Café Buddenhagen mit leckerem Eis, daneben das "Bella Italia" mit italienischem und indischem Essen, das schon beschriebene russische Gasthaus "Tharandter Burgkeller" oben unterhalb des Schlösschens, das Schillereck - und auch die gemütliche winzige Sitzecke in der Bäckereifiliale des Supermarkts am Bahnhof laden Dich ein. 

 

Nach Tharandt, um hier einen Tag zu verbringen. Oder mehr. Man könnte einen kleinen Herbsturlaub machen, verlängertes Wochenende. Übernachten vielleicht in der Klippermühle? Dort war ich allerdings selber auch noch nicht.

 

***

 

Falls Du jetzt neugierig geworden bist, findest Du hier im Blog in der Rubrik "Käffererkundung" mehrere Artikel über Tharandt. Willst Du eine kleine Reportage sehen, dann begleite Beate Werner vom MDR in "unterwegs", das habe ich Dir in die Täterwerkstatt-Mediathek getan; HIER.

 

 

Auf der Glocke steht: "Kommet, denn es ist alles bereit." Ein Bibelvers; Lukas 14,17.

 

Und die Glocke hat recht; schließlich ist sie schon sehr alt und hat viel erlebt. Also müssen wir nur noch da hin gehen und einen schönen Tag haben.

 

"Es ist alles bereit!"
"Es ist alles bereit!"