Die kleinen Steine in den Schuhen

Eine meiner Lieblingsserien ist "Vikings", eine kanadisch-irische Produktion der Jahre 2013 - 2020. Darin geht es in den 6 Staffeln mit insgesamt 89 Folgen um den Wikinger Ragnar Lodbrok, seine Söhne, die Schildmaid Laghertha und viele andere. Ich als Nord-Fan liebe diese Landschaften, die alte nordische Religion, die Wikingersagas über Eroberungen, Abenteuer, Liebe, Kampf und Tod.

Ragnar und Laghertha haben wirklich existiert, genauso wie der in der Serie vorkommende englische König Alfred, der im 9. Jahrhundert in Wessex (Westsachsen/Angelsachsen) herrschte. Auch Schiffsbauer Floki in der Geschichte, engster Vertrauter und Freund Ragnars, hat einen realen Ursprung. Und zwar wurde diese Figur dem Wikinger Hrafna-Floki (Raben-Floki) aus dem 9. Jahrhundert nachempfunden. Gespielt wird der Schiffsbauer von dem schwedischen Schauspieler Gustaf Skarsgård.

Etwas Interessantes zu Floki fand ich auf einem isländischen Blog mit sehr schönen Island-Fotos, aber vorher erstmal ein Trailer der Serie:

Und nun tauchen wir ab. In die isländische Geschichte.....und erfahren, warum Island Island, also Eisland, heißt. Manche Wissenschaftler unterstützen diese folgende Theorie, andere nicht:

Blog-Beitrag zum Leben des Raben-Floki / von islandsbloggen.com; Dienstag, 19. Januar 2016 (zur Quelle HIER, übersetzt und überarbeitet mit google translate)

".... Auf hoher See ließ Flóki Vilgerðarson seine Raben frei. Einer von ihnen zeigte ihm schließlich den Weg nach Island. Dort ging er in Vatnsfjörður an Land – und gab der Insel nach einem harten Winter und einem kalten Frühling, bei dem der Fjord von Eis bedeckt war, den Namen Island. Dies ist die offizielle Geschichtsschreibung. Aber es gibt Historiker, die an diese Geschichte nicht glauben.

Um das Jahr 865 segelte Flóki Vilgerðarson von den Färöern nach Norden. Das Ziel war eine Insel weiter nördlich, von der viele sprachen, die aber nur wenige besucht hatten. Mit an Bord des Schiffes hatte er drei Raben. Sie würden ihm den Weg zeigen.

Er ließ den ersten Raben ein Stück ins Segel nach Norden fallen. Aber anstatt nach Norden zu fliegen, kehrte der Rabe auf die Färöer zurück. Später ließ er den anderen Raben frei. Dieser entschied sich, an Bord zu bleiben. Als Flóki Vilgerðarson noch später den dritten Vogel freiließ, machte der sich in nördlicher Richtung auf. Flóki steuerte hinterher – und konnte schon bald in der Ferne den Berg erblicken, der heute Eystrahorn heißt.

Eystrahorn liegt im Südosten Islands östlich von Höfn. Flóki Vilgerðarson segelte entlang der Südküste in westlicher Richtung und wandte sich dann nach Norden. In Vatnsfjörður in den Westfjorden beschloss er, sich über den Winter niederzulassen. Es gab viel Weideland und Fischwasser.

Der schöne Sommer hat die Siedler getäuscht. Als der Winter kam, war Flóki Vilgerðarson so beschäftigt mit dem Fischen, dass er kein Heu für das Vieh gesammelt hatte. In den kalten Monaten verhungerten alle Tiere, die er mitgebracht hatte.

Der Winter schien endlos und der Fjord mit Eis bedeckt. Am Rande des Frühlings kletterte der eifrige Flóki Vilgerðarson auf einen Berg, um sich umzusehen. Nirgendwo war etwas anderes als Eis und Schnee zu sehen. Hin und wieder soll er der Insel den Namen Island gegeben haben. Als sich das Eis schließlich löste, verließ er die Insel, um nie wieder zurückzukehren.

In Landnámabók, dem Buch, das beschreibt, wie Island bevölkert wurde, werden so Flóki Vilgerðarsons Abenteuer beschrieben. Dort wird er nach den mitgebrachten Raben Hrafna-Flóki genannt. Diese Geschichtsschreibung wird auch durch archäologische Funde belegt. Bei Brjánslækur in Vatnsfjörður gibt es Reste einer Siedlung um das Jahr 865. Nur sechs Kilometer entfernt liegt Flókalundur, ein nach Hrafna-Flóki benannter Ort.

Es erscheint daher nicht unglaubwürdig, dass es sich tatsächlich so ereignet hat, wie es in Landnámabók beschrieben wird. Isländische Historiker sind sich jedoch bei weitem nicht einig, was in dieser Zeit wirklich passiert ist. Die archäologischen Funde verleihen den Geschichten ein gewisses Gewicht – doch die Frage ist, ob sich die Überreste anders erklären lassen."

Jetzt wissen wir, wer Floki ist und wie Island möglicherweise zu seinem Namen kam.

Dieser erfinderische, geschickte, seine Götter verehrende und immer ein wenig verrückte Mann. Ich mag ihn sehr, er ist authentisch. Macht Fehler, steht dazu, nimmt die Folgen in Kauf. Groß ist seine Liebe, seine teils sehr widersprüchliche und folgenreiche Anhänglichkeit an den Freund Ragnar. Auch ist er nicht bereit, Kompromisse in Glaubensdingen einzugehen. Das sich ausbreitende Christentum, die Hinwendung Ragnars zu dem neuen Christengott, beobachtet Floki mit Abneigung. Viele Jahre lebt und kämpft er mit Ragnar Lodbrok und seinen Verbündeten, bevor er sich aufmacht, etwas Neues zu entdecken. Er glaubt, dass die Götter etwas mit ihm vorhaben. Und das ist so. Der Mann entdeckt Island und besiedelt es mit ein paar Begleitern.

Im Film ist es so, dass Floki seine selbst gegründete Siedlung in Island verlässt, weil ihn die Menschen enttäuschen. Der Schiffsbauer wollte eine neue Art der Gemeinschaft, frei von Blutfehde, Rache, Intrigen und Selbstsucht aufbauen. Menschen, die ihre Probleme anders klären als mit der Streitaxt. Das gelingt ihm nicht. Dann ist er lange Zeit verschollen. Der Zuschauer weiß nicht, ob Floki noch lebt oder nicht. Ich habe immer daran geglaubt. Weil ich ihn sehr gerne mag. Und weil es unwahrscheinlich ist, dass so eine zentrale Figur einfach im Abseits hinter den Kulissen ihr Seriendasein aushaucht. Ich wartete darauf, dass Floki wieder auftauchte.

Willst Du mal einen Blick nach Island werfen, wie es dort jetzt gerade in der kleinen Stadt Stykkisholmur zum Beispiel aussieht, guck mal hier durch die Webcam:

Und wieder auftauchen -  das tat Floki. Und zwar in Nordamerika.

Dort entdecken ihn (in der Serie) seine Freunde nach Jahren bei einem Indianerstamm, wo er als "verrückter alter weißer Mann" gilt und in einer Art Baumhütte lebt. Groß ist die Wiedersehensfreude, man unterhält sich, unterrichtet einander über das in der Zwischenzeit Vorgefallene. Flokis Freund Ragnar ist schon längst tot, Ragnars Söhne sind erwachsen.

Einer von ihnen, Ubbe, ist mit seinen Begleitern nach Amerika gekommen, nach fast aussichtslos scheinender endloser Überfahrt über das Meer. Dort fanden sie ein neues Zuhause, besiedelten Land und begegneten den einheimischen Bewohnern. Und Floki.

***

Ubbe fragt den alten Floki, einst besten Freund des Vaters, was er denn für weise hält? Was er ihm raten kann. Allgemein im Leben.

Floki überlegt und kichert auf seine spezielle, verrückte Art und sagt dann: "Immer die kleinen Steine aus den Schuhen nehmen."

Ubbe stutzt erst, und auch ich vorm Fernseher guckte sicher doof. Da erwartet man weise Äußerungen, das Extrakt eines langen und vielschichtigen Lebens voller Kampf, voller Liebe, Entdeckungen, Fehlschläge, Enttäuschungen, Glauben, Erkenntnisse und Freude.

Und dann - das?

Denkt man darüber nach, so ist diese einfache Aussage aber doch sehr weise. Denn wer kann, unter welchen tollen Umständen auch immer, wirklich gut leben, seine Ziele verfolgen - wenn er dauernd kleine Steine in den Schuhen hat? Wer kann seine Kraft, seine Klugheit, seinen Ideenreichtum, seine Schönheit entfalten, wenn ihn ständig winzige Fiesigkeiten behindern?

Genau! Es kommt darauf an, diese kleinen Steine zu entfernen. Schnell, gründlich und - immer wieder.

Werden wir sie los.