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Leute unterwegs - "Der Gärtner"

Worum ich ihn beneide

Der Gärtner mit Hut
Der Gärtner mit Hut

 

Manchmal, wenn ich mit dem Bus unterwegs bin, dann treffe ich IHN. Einen älteren Mann mit Hut und einem Lächeln. Da wir uns öfters mal begegnen, nicken wir uns dann immer zu. Ich habe ihn so für mich "den Gärtner" genannt. Denn er fährt offensichtlich gerade in seinen Garten, wenn ich ihn am Morgen sehe. Immer hat er was zum Einpflanzen dabei. Tomatenpflanzen, Blumen in Töpfen, kleine Sträucher und Bäumchen mit großen Wurzelballen sowie für mich Gartenidioten nicht genau Identifizierbares - irgendwas mit Blättern.

 

Oben auf dem Bild siehst Du ihn, heimlich habe ich ihn fotografiert. Da er nicht persönlich erkennbar ist, habe ich mir das erlaubt. Man sieht aber die aktuelle Blume, die er an seinen Füßen stehen hat und die der Gärtner wahrscheinlich mit den Füßen am Umkippen hindert, wenn der Bus richtig in die Kurve geht. Sicher hat er sie jetzt schon längst eingepflanzt und gegossen.

 

Dort, wo der Gärtner immer aussteigt, sind gleich mehrere Gartenanlagen in der Nähe. Einer der vielen Gärten muß ihm gehören, dem Gärtner mit Hut. Ich wüsste gerne, welcher es ist. Manchmal gehe ich dort spazieren und gucke mir die schönen Blumen, Bäume, Sträucher an. In den verschiedenen Jahreszeiten immer eine schöne Sache.

 

Von den ersten Schneeglöckchen und Krokussen im Frühling, den blühenden Obstbäumen, fetten Pfingstrosen und leuchtblauen Traubenhyazinthen im Mai, den bald folgenden rot aus den gezackten Blättern guckenden Erdbeeren, den glänzenden Kirschen, den riesigen Gartenmohnblumen, bunten Gladiolen, orange leuchtenden Feuerlilien und Mittagsblumen, Levkojen, Löwenmäulchen, dunkelblaulila Schwertlilien, Königskerzen, Rittersporn, Malven, Dahlien, Rosen im Sommer bis zum roten Weinlaub, den zartvioletten (und äußerst giftigen) Herbstzeitlosen, den leuchtenden Astern mit dem besonderen, mir so lieben Geruch, den reifen Früchten an den Bäumen und Sträuchern im Herbst und dem tapferen Grün- und Rosenkohl und frostgeschützt eingepackten Rosenpflanzen im Winter. Den letzten Rosenblüten im Jahr, im November.

 

Herrlich, ich komme ins Schwärmen. Wie das Meiste, was schön ist, macht auch so ein Garten viel Arbeit. Aber sicher ist Gärtnern eine Mühe, die es wirklich wert ist. Erfreut sie einen doch mit soviel überraschender und ständig nachwachsender Schönheit; zumindest dann, wenn man nicht gerade zwei linke Hände mit nichtgrünen Daumen dran hat. Ich muss das noch rausfinden, da ich selbst noch keinen Garten habe. Aber das wird sich eines Tages ändern.

 

Die Mittagspause eignet sich für eine Runde durch die Gefilde des Gärtners mit Hut und seiner vielen Kollegen, die so fleißig pflanzen, gießen, jäten, Lauben bauen, Teiche anlegen, fummeln, tun und machen. Graben, bohren, mähen, sägen, grillen - Krach machen. Bier trinken, Kaffee genießen, in der Sonne liegen, träumen - Ruhe geben.  Und - manchmal auch singen. 

 

Vielleicht dieses schöne alte (Gartenliebes)Lied von Hannes Wader, 1979:

 

 

 

Der Gärtner mit Hut ist immer alleine; ich kann mich nicht daran erinnern, ihn in Gesellschaft gesehen zu haben.

 

Er wirkt sehr freundlich und offen, wir haben auch schon ein paar Sätze gesprochen im Bus - übers Wetter und so.... Entweder lebt er alleine oder er hat eine Frau, die nicht mit in den Garten kommen kann oder will. Eventuell ist sie krank oder - sie mag keine Gärten. Vielleicht hat sie Heuschnupfen oder eine Bienenallergie. Oder sie liebt ihre langen, manikürten und fein lackierten Fingernägel so sehr, dass sie niemals, auch nicht mit Gartenhandschuh, in der Erde wühlen würde. Es könnte doch sein, sie spielt Klavier oder Geige und muss ihre Hände schonen. Oder sie macht feine Lochstickerei im zartesten weißen Batist.... 

 

Kann auch sein, er braucht einen Rückzugsort, nur für sich. Und es weiß (fast) keiner, dass er diesen Garten hat und wann er dort ist ... .

 

***

 

Wer weiß das alles schon so genau? Ganz klar: der Gärtner mit Hut.

 

 

 

 

Vielleicht treffe ich ihn ja irgendwann mal in seinen Beeten wieder an und erfahre dann, wo genau er sein grünes Domizil hat.

 

Wenn nicht, dann bleibt es sein Geheimnis. Auch gut.

 

Pfad im eigenen Garten in Giverny, 1900 / Claude Monet (www.arnow.ru)
Pfad im eigenen Garten in Giverny, 1900 / Claude Monet (www.arnow.ru)